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Die Flugblatt-Verteilung

„Sie brauchen eine Genehmigung!“ – Wirklich?

Auf den ersten Blick ist die Angelegenheit erstmal klar: Das Verteilen von politischen, nicht-kommerziellen Werbezetteln in der Öffentlichkeit, also zum Beispiel in der Fußgängerzone, auf Gehwegen, öffentlichen Plätzen usw. ist ohne Einwilligung der Behörde erlaubt. Das hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 1991 unmissverständlich klargestellt. Eine Flugblatt-Verteilung muss also grundsätzlich nirgendwo angemeldet werden! Man nimmt sich einfach einen Stapel Flugis, zieht hinaus auf einen belebten Platz und macht sich an die Arbeit.
Trotz der klaren Rechtslage kommt es immer wieder vor, dass man sich während einer Flugi-Aktion mit nervenden Polizisten oder Mitarbeitern des Ordnungsamtes herumärgern muss. Diese Zeitgenossen sind meistens der Überzeugung, die juristische Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. So kommt es also manchmal vor, dass das Ordnungsamt eine gar nicht notwendige „Genehmigung“ sehen möchte oder dass die Polizei den „Versammlungsleiter“ sprechen will – den es in Ermangelung einer „Versammlung“ natürlich gar nicht gibt. Insbesondere die Dortmunder Polizei hat jahrelang nationale Flugblatt-Verteiler schikaniert, bis das Verwaltungsgericht diesem Unsinn einen Riegel vorgeschoben hat.

von Sascha Krolzig

Die Sache mit dem Versammlungsrecht

In bestimmten Ausnahmefällen kann bei einer Flugblatt-Verteilung das Versammlungsrecht greifen. Nämlich dann, wenn die konkrete Aktion den äußerlichen Charakter einer Versammlung besitzt.
Wenn 50 Kameraden als geschlossener Block Flugzettel verteilend durch die Fußgängerzone marschieren, dabei vielleicht noch andere Hilfsmittel wie Fahnen oder Transparente bei sich führen und der anrückenden Polizei mitteilen „Was wollen Sie denn? Wir verteilen doch nur Flugzettel!“, dann geht das so natürlich auch wieder nicht. In einem solchen Fall stellt die Aktion tatsächlich eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes dar, die vorher bei der zuständigen Behörde angemeldet werden muss.

Vorsicht bei Schulhöfen und Gebäuden!

Stellt man sich in eine Fußgängerzone, auf einen Gehweg oder auf den Bahnhofsvorplatz, ist die Sache juristisch unproblematisch. Bei Verteil-Aktionen im direkten Umfeld von Schulen reagieren übereifrige Lehrkräfte und Direktoren oft panisch und wollen die Aktivisten unter Hinweis auf ihr angebliches Hausrecht so schnell es geht vertreiben. Auch manche Eltern reagieren gereizt, die zwar kein Problem damit haben, wenn ihre 13-jährige Tochter vom Ali drei Klassen über ihr zum Shisha-Rauchen mit anschließendem Gangbang eingeladen wird – aber bekommt das Töchterchen eine CD mit patriotischer Musik in die Hand gedrückt, dann sieht Mutti plötzlich doch das „Kindeswohl“ gefährdet.

Wie also ist die Rechtslage bei Schulhöfen? Um es auf einen einfachen Nenner zu bringen: Das Verteilen von Flugzetteln oder Schulhof-CDs auf dem Schulgelände selbst ist untersagt, hier übt der Direktor das Hausrecht aus. Der Gehweg um das Schulgelände herum ist allerdings – sofern nicht anders ausgewiesen – für jedermann zugänglich und damit zum Verteilen „freigegeben“. Da kann der Direx so viel schimpfen, wie er will: Wenn sich die Aktivisten auf den öffentlichen Gehweg vor dem Schulgelände stellen und dort ihr Material an die deutschen Schüler verteilen, hat er dagegen keine Handhabe.

Das Verteilen von Flugzetteln in öffentlichen Gebäuden wie Rathäusern, Arbeitsämtern usw. ist untersagt, da hier ebenso wie beim Schulhof das Hausrecht den Vorrang genießt. Ähnlich verhält es sich bei privaten Kaufhäusern und Einkaufspassagen, wo das ungenehmigte Verteilen von Werbematerial in aller Regel durch die Hausordnung verboten ist. Möchte man seine Flugis auf einem öffentlichen Wochen- oder Weihnachtsmarkt loswerden, ist das hingegen erlaubt, sofern die Gemeinde dies in ihrer Marktordnung nicht ausdrücklich untersagt hat.

 „Keine Werbung“ kann teuer werden!

Nun findet ein Großteil der politischen Werbezettel den Weg nicht direkt in die Hände unserer Landsleute, sondern zunächst in die Briefkästen. Der Hinweis „Bitte keine Werbung einwerfen!“ gilt nach ständiger Rechtsprechung nicht nur für das Edeka-Prospekt, sondern genauso für den NPD- oder DIE RECHTE-Flyer. Wirft jemand ein politisches Flugblatt in einen mit „Keine Werbung!“ versehenen Briefkasten, spricht man juristisch von einer „Besitz- oder Eigentumsstörung“ – und das kann teuer werden!

Lässt man im Eifer des Gefechts mal Fünfe gerade sein und steckt das ein oder andere Flugblatt trotz Verbotshinweises in den Briefkasten, wird das für die betreffende Organisation kaum zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung führen – zumal der Beweis erbracht werden muss, dass das Flugblatt tatsächlich von einem Vertreter der jeweiligen Organisation eingeworfen wurde, oder diese zumindest einen Einfluss darauf hatte. Doch wenn man es übertreibt, kann die Sache teuer werden: In Brandenburg hatten sich laut Gerichtsurteil einige NPD-Aktivisten einen Spaß daraus gemacht, ihre Flugzettel immer wieder in die gleichen, mit dem Hinweis „Keine Werbung der NPD!“ versehenen Briefkästen zu werfen. Die betreffenden Genossen der anderen Feldpostnummer klagten daraufhin auf Unterlassung. Nach einem mehrjährigen Gerichtsverfahren entschied das LG Cottbus im Mai 2016 zugunsten der Kläger, die NPD musste eine saftige Geldstrafe von 4.000 Euro zuzüglich Anwalts- und Gerichtskosten hinblättern.

Urteile

  • Das Verteilen von Flugzetteln auf einem Markt ist erlaubt, sofern die Gemeinde dies in ihrer Marktordnung nicht ausdrücklich verbietet.
  • BVerfG, Beschluss vom 05.04.1979, Az. 1 BvR 1021/76
  • Das Verteilen von Flugzetteln in der Öffentlichkeit, zum Beispiel auf Gehwegen, ist ohne Einwilligung der Behörde erlaubt und bedarf keiner Genehmigung.
  • BVerfG, Beschluss vom 18.10.1991, Az. 1 BvR 1377/91
  • Das Einwerfen von Wahlwerbung in Briefkästen mit der Aufschrift „Keine Werbung einwerfen“ begründet einen Unterlassungsanspruch des Briefkasteninhabers.
  • BVerfG, Beschluss vom 01.08.2002, Az. 2 BvR 2135/01
  • Das kostenlose Verteilen von „Schulhof-CDs“ mit politischer Werbung auf dem öffentlichen Gehweg unmittelbar vor der Schule bedarf keiner Erlaubnis.
  • VG Ansbach, Urteil vom 12.07.2007, Az. AN 5 K 06.0400

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