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Die Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen

Diesmal widmen wir uns wieder einem Thema mit hoher praktischer Relevanz, nämlich dem berüchtigten § 86a des Strafgesetzbuches, dem „Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“. Nach diesem Paragraphen macht sich strafbar, wer Kennzeichen einer ehemaligen NS-Organisation oder einer sonstigen verbotenen Partei oder Vereinigung verbreitet oder öffentlich, in einer Versammlung oder in von ihm verbreiteten Schriften verwendet (Abs. 1 Nr.1). Gleiches gilt, wenn Gegenstände, die derartige Kennzeichen darstellen oder enthalten, verbreitet, zur Verbreitung hergestellt, vorrätig gehalten, in die BRD eingeführt oder ins Ausland ausgeführt werden (Abs. 1 Nr. 2). Als „Kennzeichen“ gelten namentlich Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen sowie jene Kennzeichen, die solchen zum Verwechseln ähnlich sind (Abs. 2).

von Sascha Krolzig

Sozialadäquanz-Klausel und Öffentlichkeit

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang allerdings die sogenannte „Sozialadäquanzklausel“: Demnach ist das Propagandamittel oder die Handlung nicht strafbar, wenn sie „der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient“. So fällt zum Beispiel der Verkauf von einigen wenigen Originalausgaben von nationalsozialistischer Literatur unter diese Sozialadäquanz-Klausel und ist daher nicht strafbar.

Außerdem muss die Verwendung „öffentlich“ geschehen sein. „Öffentlichkeit“ meint im juristischen Sinne eine „größere, individuell nicht mehr überschaubare und nicht durch persönliche Beziehungen zusammenhängende Personengruppe“. Ein Gericht hat beispielsweise entschieden, dass ein öffentliches Verwenden vorliegt, wenn strafbare Kennzeichen auf einem privaten Facebook-Profil hochgeladen werden und dies für 844 Facebook-Freunde einsehbar ist. Wird das Kennzeichen allerdings nur gegenüber einzelnen Personen gebraucht, fehlt es regelmäßig an dem Tatbestandsmerkmal der „Öffentlichkeit“.

Liste verbotener Parteien und Organisationen

Zu den verbotenen Parteien zählt die von den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs verbotene NSDAP mit allen Gliederungen und angeschlossenen Verbänden, sowie die später nach BRD-Recht verbotenen Parteien und Organisationen. Die vollständige Liste findet man bei Wikipedia unter „Liste in Deutschland verbotener rechtsextremer Organisationen“. Nachfolgend einige Beispiele:

  • Sozialistische Reichspartei (SRP)
  • Wehrsportgruppe Hoffmann (WSG)
  • Volkssozialistische Bewegung Deutschlands / Partei der Arbeit (VSBD/PdA)
  • Aktionsfront Nationaler Sozialisten / Nationale Aktivisten (ANS/NA)
  • Wiking-Jugend (WJ)
  • Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP)
  • Blood & Honour, Divison Deutschland (B&H)
  • Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ)
  • Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige (HNG)
  • Freies Netz Süd (FNS)
  • Nationaler Widerstand Dortmund (NWDO)
  • Betreiberverein des Internetportals Altermedia Deutschland
  • Weisse Wölfe Terrorcrew

Für diese Parteien und Organisationen darf nicht öffentlich geworben und ihre Kennzeichen nicht öffentlich verwendet werden!

Liste von Kennzeichen ehemaliger NS-Organisationen

Die Palette von verbotenen Kennzeichen ehemaliger NS-Organisationen ist lang, sie reicht von Abzeichen über Parolen, Liedern bis hin zu Grußformeln. Nachfolgend eine nicht abschließende Aufzählung solcher verbotenen Kennzeichen:

  • Verbotene Abzeichen:
  • Hakenkreuz; auch in abgewandelter bzw. stilisierter Form
  • Alle anderen Abzeichen ehemaliger NS-Organisationen, z.B. SS-Totenkopf, Sigrune in doppelter oder einfacher Ausführung, Zivilabzeichen der SA, Gauabzeichen / Gaudreieck
  • Die Odalrune ist mit und ohne Haken strafbar, wenn sie als Ausdruck einer politischen, im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus stehenden Gesinnung genutzt wird; die Variante ohne Haken war u.a. das Zeichen des verbotenen „Bundes Nationaler Studenten“ und der Wiking-Jugend, die Variante mit Haken das Zeichen der 7. SS-Freiwilligen-Gebirgs-Division „Prinz Eugen“
  • Die Wolfsangel ist ebenfalls dann strafbar, wenn sie als Ausdruck einer politischen, im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus stehenden Gesinnung genutzt wird; sie war u.a. das Zeichen der 2. SS-Panzer-Division „Das Reich“ und das Symbol der „Jungen Front“, der Jugendorganisation der verbotenen VSBD/PdA
  • Alle anderen Divisions-Abzeichen der Waffen-SS, wenn sie in originalgetreuer Form genutzt werden
  • Verbotene Parolen:
  • Die Forderung, man solle „alles für Deutschland“ geben
  • Das Bekenntnis „Unsere Ehre heißt Treue“ (auch: „Meine Ehre heißt Treue“)
  • Die Forderung, die „Rotfront“ solle „verrecken“
  • Lieder:
  • „Die Fahne hoch!“ (auch bekannt als „Horst-Wessel-Lied“)
  • „Es zittern die morschen Knochen“
  • „Brüder in Zechen und Gruben“
  • „Ein junges Volk steht auf“
  • …und viele weitere NS-Lieder
  • Grüße und Grußformeln:
  • „Deutscher Gruß“ (auch bekannt als „Hitlergruß“ oder „Führergruß“)
  • „Widerstandsgruß“, bei dem nur Daumen, Zeige- und Mittelfinger gespreizt werden (auch bekannt als „Kühnengruß“)
  • Grußformel „Mit deutschem Gruß“ im Brief

Vorsicht auch bei der Verwendung von Totenköpfen, Triskelen, Lebensrunen und Keltenkreuzen

Das Bundesverfassungsgericht hat sich vor einigen Jahren auf den Standpunkt gestellt, dass auch die Verwendung eines ganz normalen Totenkopfes strafbar sein kann, wenn das Symbol von einem Nationalisten verwendet wird und nach dem „Gesamteindruck eines nicht genau prüfenden Betrachters“ eine Verwechslung mit dem SS-Totenkopf möglich ist.

  • BVerfG, Beschluss vom 09.01.2003, Az. 2 BvR 1930/02

Die stilisierte Triskele als Symbol der 27. SS-Freiwilligen-Grenadier-Division „Langemarck“ sowie als Symbol von „Blood & Honour“ ist verboten. Erlaubt ist hingegen die abgerundete Triskele, wie sie auch oft in Läden und auf Märkten als Anhänger verkauft wird.

  • LG Chemnitz, Beschluss vom 27.12.2006, Az. 250 Js 10749/06

Die Lebensrune, die u.a. vom Sanitätsdienst der SA und von der NS-Frauenschaft benutzt wurde, wird von den Gerichten nicht als „markantes Kennzeichen einer nationalsozialistischen Organisation angesehen“, auch weil Runenzeichen von den germanischen Völkern bereits im 2. Jahrhundert bis ins skandinavische Mittelalter hinein als Schriftzeichen verwendet wurden. Die Verwendung der Lebensrune ist nach einem Beschluss des OLG Bamberg nur dann strafbar, wenn die Verwendung im Einzelfall einen konkreten Bezug zu einer nationalsozialistischen Organisation aufweist oder die Verwendung dem originalen NS-Abzeichen zumindest zum Verwechseln ähnlich ist.

  • OLG Bamberg, Beschluss vom 02.08.2007, Az. 2 Ss 97/2006

Das öffentliche Verwenden des Keltenkreuzes in jeder stilisierten (also nicht naturgetreuen) Form, zum Beispiel auf Fahnen, Ansteckern und Anhängern ist grundsätzlich strafbar. Die Strafbarkeit scheidet nur dann aus, wenn das Keltenkreuz eindeutig nicht im politischen Sinne verwendet wird, zum Beispiel als naturgetreuer Grabstein. Sind die konkreten Umstände des Verwendens hingegen nicht eindeutig, ist das Keltenkreuz in der Regel strafbar. [siehe hierzu auch Rechts-Kampf-Kolumne in N.S. Heute Nr. 2].

  • BGH, Beschluss vom 01.10.2008, Az. 3 StR 164/08

Liste erlaubter Kennzeichen:

In den folgenden Fällen haben die Gerichte entschieden, dass es sich nicht um verbotene Kennzeichen handelt:

  • Bekleidung mit dem Markennamen „Consdaple“
  • OLG Hamm, Urteil vom 08.10.2002, Az. 2 Ss 407/03
  • Die Reichskriegsflagge des Deutschen Kaiserreiches
  • VGH Mannheim, Beschluss vom 15.06.2005, Az. 1 S 2718/05
  • Die Hagalrune, sofern sie keine eindeutige Zuordnung zur 6. SS-Gebirgs-Division „Nord“ aufweist, z.B. indem sie in das für SS-Abzeichen charakteristische Wappen eingebettet ist
  • LG Bonn, Beschluss vom 06.12.2007, Az. 34 Qs 108/07
  • Das frühere Thor-Steinar-Logo
  • OLG Dresden, Urteil vom 12.02.2008, Az. 3 Ss 375/06
  • Der fremdsprachige Gebrauch von NS-Parolen
  • BGH, Urteil vom 13.08.2009, Az. 3 StR 228/09
  • Der Badenweiler-Marsch (Lieblingsmarsch Adolf Hitlers)
  • VG Münster, Beschluss vom 28.11.2014, Az. 1 K 2698/13

Die gekreuzten Stielhandgranaten

Beim Schild & Schwert-Festival diesen April in Ostritz machte sich am Samstagnachmittag plötzlich Aufregung breit: Ein „Journalist“ stellte vor Ort Strafanzeige, weil die eingesetzte Sicherheitsmannschaft des Festivals verbotene Kennzeichen auf ihren T-Hemden tragen würde. Bei diesen angeblich „verbotenen Kennzeichen“ handelte es sich um zwei gekreuzte Stielhandgranaten, das vermeintliche Abzeichen der berüchtigten 36. Waffen-Grenadier-Division der SS „Dirlewanger“. Nach einigem Geplänkel mit dem Veranstalter beschlossen die Ordnungshüter, sämtliche T-Hemden mit diesem Symbol sowie zwei Banner zu beschlagnahmen und ein Strafverfahren wegen Verstoßes gegen § 86a StGB einzuleiten. Ende Mai mussten die regimenahen Medien allerdings zähneknirschend vermelden, dass die Ermittlungen gegen Thorsten Heise als Veranstalter des Schild & Schwert-Festivals eingestellt worden sind.

Das Ganze hätten die Strafverfolgungsbehörden auch einfacher haben können, hätten sie nur einmal den Beschluss des Landgerichts München aus dem Jahr 2009 zu Rate gezogen. Aus dieser Entscheidung geht nämlich hervor, dass das Abzeichen der SS-Sondereinheit „Dirlewanger“ nicht etwa zwei gekreuzte Stielhandgranaten waren, sondern zwei gekreuzte Karabiner mit einer Handgranate. Die erst im Februar 1945 zur „Division“ hochgestufte Dirlewanger-Truppe war in den letzten Kriegswochen sicherlich mit anderen Dingen beschäftigt, als sich ein eigenes Divisionsabzeichen zu geben, das auch noch extra hätte angefertigt werden müssen. Bei den zwei gekreuzten Stielhandgranaten handelt es sich vielmehr um ein wahrscheinlich in den 1970er-Jahren entwickeltes Phantasieabzeichen, das in Wirklichkeit nie von Oskar Dirlewanger und seinen Jungs verwendet wurde.

  • LG München, Beschluss vom 11.08.2009, Az. 2 Qs 8/09

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