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ACAB keine persönliche Beleidigung

Es war ein Sachse, der die bayerische Polizei eines Besseren belehrt hat: Der 33-jährige Leiharbeiter Christian B. aus der Kleinstadt Mügeln bei Leipzig ging sogar bis vors Bundesverfassungsgericht, kämpfte vier Jahre lang – und wurde nun vom Landgericht München frei gesprochen. Der Richter stellte – gestützt auf das Urteil der Verfassungsrichter – fest, dass die Hose des Angeklagten, auf dessen Hinterteil die Buchstaben „ACAB“ prangten, nicht automatisch eine persönliche Beleidigung für Polizisten darstelle. „ACAB“ steht für „all cops are bastards“ („alle Polizisten sind Bastarde“). Beamte eines Unterstützungskommandos (USK) hatten die Jogginghose 2012 bei einem DFB-Spiel des FC Bayern vor der Fröttmaninger Arena entdeckt und den Mann angezeigt. Zu Unrecht, wie sich jetzt herausstellte. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts dürfte für die bayerische Polizei richtungsweisend sein.

Dass Christian B. Sachse ist, schließt nicht aus, dass er ein glühender Anhänger des FC Bayern ist. Wann immer es geht, reist er seinem Lieblingsverein hinterher, so auch am 31. Oktober 2012. Die Bayern trafen an jenem Tag daheim im DFB-Pokal auf den 1. FC Kaiserslautern und Christian B. verließ nach einem 4:0-Sieg beschwingt das Stadion. Auf der Esplanade kam er an einem USK-Beamten vorbei, der den weißen Schriftzug auf der schwarzen Jogginghose entdeckte. „Die Hose hatte mein Mandant im Internet bestellt und auch im Alltag an“, sagt Rechtsanwältin Rita Belter. Er wolle sich damit von der staatlichen Ordnungsmacht abgrenzen.

Der Polizist sah die Buchstaben am Gesäß, und da die Lage vor dem Stadion ruhig war, habe er Zeit gehabt, den Mann herauszugreifen und zu belehren, sagte der Beamte laut Anwältin Belter vor Gericht. Drei Polizisten kümmerten sich dann um Christian B., brachten ihn aufs Revier, fotografierten seine Hose, vernahmen ihn und schrieben eine Anzeige wegen Beleidigung.

Ein Verfahren, das bis dato nicht unüblich war. Das Oberlandesgericht etwa sprach in zwei ähnlichen Fällen Verurteilungen wegen Beleidigung aus. Einmal ging es um eine Frau, die einen „ACAB“-Button an der Mütze trug und 2011 am U-Bahnhof Fraunhoferstraße von Polizisten kontrolliert wurde. In einem anderen Fall hatte sich ein Mann die Versalien sogar auf die Haut tätowieren lassen.

Auch bei Christian B. sahen die Richter zuerst ein strafbares Verhalten. Am 27. Februar 2013 verurteilte ihn das Amtsgericht München zu 100 Tagessätzen á 30 Euro, also 3000 Euro Geldstrafe. Der Staatsanwaltschaft war der Geldbetrag damals sogar noch zu wenig, sie legte Berufung ein. Und auch der Verurteilte war alles andere als einverstanden. „Ich wollte das nicht auf mir sitzen lassen“, sagte er der SZ. Es folgten eine neue Verhandlung vor dem Landgericht mit dem gleichen Urteil, eine neue Revision und eine Entscheidung des Oberlandesgerichts, das im Dezember 2013 die Revision verwarf. Doch der Sachse und seine Anwältin gaben nicht auf. „Ich habe die Anklage gesehen und gewusst, dass das kein strafbares Verhalten darstellt“, sagt die Leipziger Rechtsanwältin Rita Belter. In Sachsen, sagt sie, da nähmen Polizisten die Buchstaben nicht so ernst, „strafrechtlich verfolgt wird das schon gar nicht“. Also legte sie im Namen ihres Mandanten Verfassungsbeschwerde ein.

Und tatsächlich entschied das Bundesverfassungsgericht im Mai 2016, dass „die Kundgabe der Buchstabenkombination ,ACAB‘ im öffentlichen Raum vor dem Hintergrund der Freiheit der Meinungsäußerung nicht ohne weiteres strafbar“ sei. Eine Beleidigung liege nur vor, wenn sich „die Äußerung auf eine hinreichend überschaubare und abgegrenzte Personengruppe bezieht“. Das Gericht bezog in seinen Beschluss auch einen zweiten Fall mit ein, bei dem Fußballfans in Karlsruhe ACAB-Buchstaben in die Luft gehalten hatten.

Und so fanden sich Christian B. und seine Anwältin diese Woche vor dem Landgericht München wieder. Dem Richter lag nun die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vor, allerdings nicht die Akten zum Fall, woraufhin die Sitzung wieder kurzzeitig unterbrochen werden musste. Endlich fündig geworden, wollte das Gericht herausfinden, ob die Parole auf dem Gesäß einen direkten Bezug zu den Polizisten gehabt habe. Diese konnten sich nach mehr als vier Jahren nicht mehr erinnern, fühlten sich auch nicht persönlich beleidigt. Und so plädierten Staatsanwaltschaft und Anwältin Belter auf Freispruch. Dem kam der Richter nach. Das Urteil ist rechtskräftig, die Staatsanwaltschaft verzichtet darauf, Rechtsmittel einzulegen. Und Christian B.? Der grinste wie ein Honigkuchenpferd. Er bekommt die bereits abgestotterte Geldstrafe in Höhe von 3000 Euro zurück. Und die Hose, die ihn und die Gerichte nun jahrelang beschäftigt hat, die will er sich einrahmen und an die Wand hängen.

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