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Würzburg: Hohe Geldstrafen wegen Faschingsaktion

Vor dem Würzburger Amtsgericht sind am 24. September 2019 drei Männer und eine Frau in einem – leider nicht beispiellosen – politischen Prozess wegen Volksverhetzung zu hohen Geldstrafen verurteilt worden. Den Angeklagten wurde zur Last gelegt, im Rahmen eines politischen Straßentheaters, mit welchem die Asylpolitik und die lasche Abschiebepraxis in der Bundesrepublik Deutschland kritisiert werden sollte, den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt zu haben. Die Darsteller hatten sich schwarz geschminkt, einer als Angela Merkel verkleidet, mitsamt einem Spruchband mit der Aufschrift „Wir wissen ganz genau, abschieben wird uns keine Sau“ unter den Würzburger Faschingsumzug im Februar 2017 gemischt. Das Gericht sah eine Aufstachelung zum Hass gegen Flüchtlinge, die geeignet sei, den öffentlichen Frieden zu stören erfüllt und verhängte hohe Geldstrafen von insgesamt 22.700 Euro. Das Urteil ist nicht rechtskräftig

von: der-dritte-weg.info

Die Aktion im Rahmen des Würzburger Faschingsumzuges 2017 hatte medial hohe Wellen geschlagen, nachdem die Gruppe auch in der – später zensierten – Live-Übertragung des Bayerischen Rundfunks (BR) zu sehen war. Eingereiht zwischen die großen Wagen der Faschingsgesellschaften zogen acht schwarz-geschminkte mit Rasta-Mützen bekleidete Narren innig umarmt mit der vermeintlichen „Bundes-Mutti“ durch die Würzburger Straßen und prangerten mit dem Transparent die zum Himmel stinkenden Missstände in der Deutschen Abschiebepraxis an (siehe: Asylkritische Faschingsgruppe bei Umzug in Würzburg ).

Hoher Ermittlungsaufwand, um Narren zu identifizieren

Die Narren, welche mit der Aktion den Herrschenden den Spiegel vorgehalten hatten, haben natürlich einen wunden Nerv getroffen. Denn der staatliche Verfolgungsapparat setzte im Nachgang alle Hebel in Bewegung, das närrische Treiben aufzudecken. Durch eine aufwendige Videoanalyse mittels Gesichtserkennungssoftware durch das Bayerische Landeskriminalamt und dem intensiven Studium der Bildszenen durch Staatsschutzbeamte quer durch den vermeintlichen Freistaat hinweg, meinten diese schließlich vier Tatverdächtige identifiziert zu haben. Es folgte der übliche „frühmorgendliche demokratische Besuch“ durch Polizeieinheiten. Der Hausdurchsuchungsantrag der politischen Abteilung der Würzburger Staatsanwaltschaft wurde zwar im Vorfeld zunächst abgelehnt, da der Amtsrichter den Tatbestand nicht erfüllt sah, jedoch dem aufgrund der Beschwerde der Staatsanwaltschaft vom Landgericht schließlich stattgegeben (siehe: Hausdurchsuchungen nach Faschingsumzug ).

Vor dem Prozess am 24. September 2019 am Würzburger Amtsgericht erschien dann sogar der Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach persönlich. Seebach, der – wie unausgeschlafen – auf seinem Stuhl lümmelte, glänzte während des Prozesses durch persönliche Angriffe auf Verteidiger und Angeklagte in der Absicht, diese zu provozieren. In Anbetracht des regen Medienaufgebots im Saal und eines offenbar unbefriedigten Geltungsdranges warf er mit harschen Formulierungen und totalitären Parolen um sich, die er wohl als Zitate in den nachfolgenden Berichterstattungen sehen wollte. Da wir jedoch derlei Schaumschlägerei nicht noch ein Podium bieten wollen, belassen wir das Thema Seebach hiermit.

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Der Amtsrichter Eisert verhängte hohe Strafen für die Asylkritik

Die vier Angeklagten im Alter von 27 bis 60 Jahren ließen sich teilweise zur Sache ein. Drei gaben zu, an dem närrischen Treiben beteiligt gewesen zu sein. Intention war es, ihren Angaben nach freilich Kritik an der Asylpolitik und der laschen Abschiebepraxis zu üben. Der Fasching erschien ihnen als Zeit, in der es möglich ist, durch bewusst überspitzte Darstellungen auch Tabuthemen anzusprechen, ideal. Der angeklagte 60-jährige, bodenständige Zimmermeister sagte: „An Fasching sind Narren unterwegs und wir waren Teil der Narren und nahmen uns die Freiheit einen Missstand anzuprangern“. Doch selbst in der Faschingszeit ist in der BRD offenbar kein Platz mehr für Kritik an der verfehlten Asylpolitik.

Ficki-Ficki + Syria-Syria = Volksverhetzung

Besonders im Fokus der Beweisaufnahme standen die gerufenen Wörter während des Umzugs und geworfenes Konfetti. Auf dem Konfetti soll „Ficki-Ficki 0931/66 66 66“ gestanden haben. Aufgrund der Videoaufzeichnungen konnten zudem folgende Ausrufe festgestellt werden: „Helau“, „Germany“, „Syria“, „Mutti“, „Hey“, „Hoh“, „Alle reinkommen“, „Money, Money, Money“, „Alle kommt rein“, „Mutti ist da“, „Alles rein“ und „Ficki-Ficki“. Letztes war nach Ansicht des Gerichts im Zusammenhang mit dem einmalig gerufenen Syria-Syria und dem beschrifteten Konfetti ausschlaggebend für die Verurteilung (!). Der Rechtsanwalt der 27-jährigen Angeklagten, Frank Miksch aus Fürth, stellte in seinem Plädoyer fest, dass man durch wahlweises Aneinanderfügen der mit zeitlichem Abstand und zusammenhanglos getätigten Ausrufen nahezu jede beliebe Aussage konstruieren könne. Das bewusste in-Bezug-setzen der Ausrufe „Syria – Syria“ und „Ficki, Ficki“, zwischen welchen ausweislich der Videoaufzeichnungen fast eine Minute liegt, zum Konstruieren des Tatbestandes der Volksverhetzung sei abwegig und widerspräche der Rechtsprechung. Letztendlich konnte in der Beweisaufnahme auch nicht geklärt werden, ob die „Ficki Ficki“-Rufe von den Darstellern oder von den zahlreichen Zuschauern am Rande kamen. Auch sieht er das Werfen des Konfettis mit der obigen Aufschrift eher als Persiflage als als billige Anmache-Sprüche, denn als Hinweis auf Vergewaltigungen durch Asylanten. Die Ergüsse des Oberstaatsanwaltes geißelte der erfahrene Fürther Strafverteidiger treffend als „polemische Exzesse“, die man während der Hauptverhandlung über sich ergehen lassen müsse.

Ein Lagerist aus dem Bamberger Raum ließ sich von dem Erlanger Anwalt Stefan Böhmer verteidigen. Dieser legte in seinem Plädoyer dar, dass der Straftatbestand der Volksverhetzung, in der angeklagten Variante durch die Faschingsaktion nicht erfüllt sei. Unter anderem sei die Gruppe nach außen hin auch gar nicht als eine abgrenzbare Gruppierung und damit als Teil der Bevölkerung erkennbar gewesen. Weder würde in der Bevölkerung die Ansicht herrschen, Syrer seien vorwiegend Schwarze, die äußerlich wie Rastafaris aussehen, noch seien Rastafaris eine Gruppe, die von der Bevölkerung mit Asylanten gleichgesetzt werde. Der Anklageschrift sei nach Ansicht von Böhmer zu entnehmen, dass das Grundrecht auf Meinungsfreiheit umso mehr zurückzutreten habe, je mehr sich in der Bevölkerung Skepsis über Missstände in der Politik breitmache und rechte Parteien (gemeint war wohl die AfD) Zulauf bekämen. Auch sei Fremdenfeindlichkeit an sich nicht strafbar.

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Die Faschingsgruppe im Februar 2017 – für das Würzburger Amtsgericht ein klarer Fall schlimmer Volksverhetzung

Für die Zuschauer stellte es sich jedoch so dar, als wenn der Vorsitzende Richter Eisert während der Plädoyers der Verteidigung bereits die Geldstrafen für die Angeklagten ausrechnete. Das Abschreckungs-Urteil stand höchstwahrscheinlich sowieso schon im Vorfeld fest. In grober Verkennung des Straftatbestandes erging dann auch das Urteil, welches Geldstrafen von 2200 für die 27-jährige Hartz-IV-Aufstockerin und Mutter von zwei Kindern, 4950 Euro für einen Lageristen, 7150 Euro für den Zimmermeister und 8400 Euro für den Bauingenieur vorsah. Mit der Tagessatzhöhe von 110, bzw. im Falle des Bauingenieurs von 120 blieb das Gericht zwar unter der Forderung der Staatsanwaltschaft von 160 Tagessätzen (was eine Gesamtstrafe von 32.000 Euro entsprochen hätte), jedoch auch über der Mindeststrafe bei Volksverhetzung von 90 Tagessätzen. Keiner der vier Angeklagten hatte im Übrigen Vorstrafen oder sich sonst etwas in seinem bisherigen Leben zuschulden kommen lassen.

Urteil als weiterer Sargnagel für die Meinungsfreiheit

Das Urteil ist zwar noch nicht rechtskräftig, darf aber als weiterer Sargnagel für die Meinungsfreiheit in der Bundesrepublik gewertet werden. Ziel solcher Rechtssprüche ist natürlich die Einschüchterung kritischer Bürger, wie man es aus totalitären Staaten wie der DDR kennt. Sollte das Urteil Bestand haben, so ist es zugleich eine ungewollte Bestätigung der durch die eigentliche Faschingsaktion angeprangerten Missstände in diesem Land. Während selbst schwere Verbrechen eingewanderter Täter – wenn überhaupt – vergleichsweise milde geahndet werden, schlägt die Justiz mit voller Härte gegen die eigenen Bürger zu, die die Missstände anprangern. Wichtig ist es, sich trotzdem von den offenbar „Im Namen des Wahnsinns“ gesprochenen Urteilen nicht einschüchtern zu lassen.

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