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Face-ID und Touch-ID – darf mich die Polizei zwingen, mein iPhone zu entsperren?

Wenn die Polizei dein iPhone sichergestellt hat und dich jetzt um Mitwirkung bittet, das Gerät zu öffnen und auf dem Gerät Touch-ID oder Face-ID aktiviert ist, dann solltest du dir, bevor die Situation eingetreten ist, diesen Artikel durchlesen.

Das Wichtigste gleich vorab, wenn dein iPhone ausgeschaltet ist. Wenn man also eine Grundeingabe benötigt, um Touch-ID oder Face-ID erst zu aktivieren, dann empfehle ich dir dringend diesen Code nicht heraus zu geben. In diesem Zusammenhang wichtig zu wissen, der PIN-Code vom iPhone sollte nicht aus vier Stellen bestehen, sondern er sollte wesentlich länger sein und alphanumerisch sein, also Buchstaben und Zahlen umfassen.

von RA Maik Bunzel

Was aber, wenn du auf dem Telefon Face-ID oder Touch-ID aktiviert hast und das Telefon auch noch eingeschaltet ist, sodass man es mit Face ID oder Touch-ID entsperren. In der Praxis kommt es häufig vor, dass die Polizei entweder den Finger nimmt und auf das Touch-ID-Feld liegt oder bei Face ID das iPhone vors Gesicht des Beschuldigten hält in der Hoffnung, dass der Beschuldigte in die entsprechenden Sensoren reinschaut, das ist ja erforderlich und damit das Telefon öffnet. Hier stellt sich natürlich die Frage:

  • Ist das überhaupt erlaubt?
  • Wenn es denn erlaubt ist, aufgrund welcher Ermächtigungsnorm ist es denn erlaubt?

Übergerichtliche Rechtsprechung zu diesem Thema gibt es, soweit ersichtlich ist, nicht. Es gibt aber im sogenannten Schrifttum, also der Fachliteratur im Wesentlichen zwei Aufsätze, die sich damit befassen, was denn Rechtsgrundlage für dieses Vorgehen der Polizei, also für das Auflegen des Fingers auf den Sensor oder für das Vorhalten vor das Gesicht, um eben Face-ID zu nutzen sein könnte. Und hier ist die einhellige Meinung, das heißt die Meinung dieser zwei Autoren, die dann leider auch von sehr vielen Kommentaren zur Strafprozessordnung schlicht abgeschrieben worden sind. Die Ermächtigungsgrundlage hierfür sei die Vorschrift, die die erkennungsdienstliche Behandlung regelt.

Das ist der Paragraf 81 B der (StPO) Strafprozessordnung. Darin ist geregelt, dass Lichtbilder und Fingerabdrücke genommen werden dürfen. Zum Zwecke des Erkennungsdienstes, wo er offizielles Strafverfahrens hier ist natürlich die Frage, was der Gesetzgeber an dieser Stelle gemeint haben könnte. Die beiden erwähnten Aufsätze, die gehen völlig unproblematisch davon aus, dass man ja selbstverständlich für das Strafverfahren, also hier auch im Sinne der Strafverfolgung den Fingerabdruck oder das Lichtbild benötigt und deshalb auch selbstverständlich den Touch-ID-Sensor für den Fingerabdruck benutzen oder eben Face-ID für das Lichtbild nutzen dürfte.

Diese Ansicht greift meines Erachtens aber deutlich zu kurz. Es ist auch kein Wunder, dass diese Ansicht dort so vertreten wird und wenn man sich anschaut, wer die Autorin dieser beiden Aufsätze sind, stellt man fest, einer davon war ein Staatsanwalt in Bayern, der zu der Zeit, als er das geschrieben hat, ins Ministerium abgeordnet war und da natürlich sehr ergebnisorientiert geforscht hat und ähnlich verhält es sich auch bei einem anderen Aufsatz. Hier handelte es sich beim Autor um einen Mitarbeiter, der Cybercrime Stelle in Nordrhein-Westfalen. Beide Autoren sind also weder Wissenschaftler, also Hochschullehrer oder Vergleichbares und beide Autoren sind auch keine Strafverteidiger, haben also vom Ergebnis ausgedacht. Hier nach einer passend gemachten, Ermächtigungsgrundlage gesucht. So hat es jedenfalls für mich den Anschein.

Warum meine ich, dass diese Ermächtigungsgrundlage der 81 B hier nicht hinreicht? Ganz einfach, wenn man sagt, dass man Fingerabdruck nehmen kann, um damit das iPhone zu entsperren. Natürlich darf man das dann, sprich man kann den Fingerabdruck nehmen und hat dann einen Fingerabdruck, entweder in digitaler Form, wenn man es mit einem entsprechenden Gerät gemacht hat oder auf Papier, wenn man es mit Farbe gemacht hat. Wenn dann ein solcher herkömmlicher Fingerabdruck genommen wurde, kann man ja versuchen, mit diesem Fingerabdruck, also mit dem Bild des Fingerabdrucks Touch-ID zu benutzen. Es gibt einen Versuch vom (CCC) ChaosComputerClub, da wurde eine Fingerabdrucktatrappe gebastelt und diese Attrappe hat tatsächlich ein iPhone mit Touch-ID entsperren können. Trotzdem ist es natürlich so, dass je nachdem wie geschickt man beim Erstellen der Attrappe vorgeht, der Versuch, das iPhone zu entsperren, scheitern kann, denn wenn man eine gewisse Anzahl an Fehlversuchen mit der Fingerattrappe vorgenommen hat, fordert das iPhone irgendwann wieder den Pin-Code an und lässt sich gar nicht mehr, auch nicht mit dem richtigen Fingerabdruck sperren.

Das Nehmen eines Fingerabdrucks ist also überhaupt nicht vergleichbar mit dem aktiven Bedienen einer biometrischen Sperrfunktion. Grundsatz, auf den man hier immer wieder zurückkommt, ist, dass der Beschuldigte selbst an seiner Überführung nicht mitwirken muss. Wenn man nun vertritt der Finger darf aufgelegt werden, dann wirkt der Beschuldigte allein dadurch, dass sein Finger aufliegt, mit dazu wird er gezwungen und das hat auch nichts mit einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu tun. Die erkennungsdienstliche Behandlung wurde, wie gesagt, nur ein Bild des Fingerabdrucks hervorbringen, ob es der Polizei dann gelingt, mit diesem Bild das iPhone zu entsperren, ist eine andere Frage, ob man aber den Finger benutzen darf, unter Anwendung unmittelbaren Zwangs ist damit nicht beantwortet.

Noch verrückter ist es bei Face-ID. Auch hier vertreten die angesprochenen Autoren in den Fachaufsätzen natürlich die Meinung, dass die Nutzung von Face-ID, also das Hineinschauen in das iPhone sei, letztlich vergleichbar mit dem Schauen und eine Kamera. Da könnte man ja auch das Gesicht des Beschuldigten immer, da ständig wegschaut, fixieren, damit man Lichtbilder von seinem Gesicht anfertigen kann. Jetzt ist es aber so, dass Face-ID mit einem Foto des Gesichts überhaupt nichts anfangen kann. Face-ID projiziert nämlich ein Raster aus Infrarotpunkten auf das Gesicht, tastet also sozusagen das Gesicht ab und vergleicht das mit der Abtastung, die bei der Einrichtung von Face-ID auf dem Gerät gespeichert worden ist. Eine solche Abtastung kann man mit einem ausgedruckten Bild oder mit einem Bild auf einen Computerbildschirm überhaupt nicht vornehmen und deshalb ist natürlich die Ermächtigungsgrundlage dafür, dass man Fotos vom Gesicht des Beschuldigten anfertigen darf, überhaupt nicht vergleichbar damit, den biometrischen Zugriff zu einem Gerät über den Zwang des Beschuldigten einerseits, die Infrarotabtastung durch sein Gerät zuzulassen und andererseits ja auch noch in das Gerät zu schauen, zu erzwingen.

Was hat man nun von dieser Erkenntnis, dass nach der wohl wichtigen Auffassung die Nutzung von Touch-ID und Face-ID zum biometrischen Entsperren eines iPhones nicht auf der Rechtsgrundlage der erkennungsdienstlichen Behandlung erzwungen werden darf? Zweierlei zum einen, wenn man davon ausgeht, dass auf dem eigenen iPhone Beweis erhebliche Daten gespeichert sind, die einen der Begehung einer Straftat überführen könnten, sollte man überlegen, ob man Face-ID und Touch-ID möglicherweise besser nicht benutzt, denn es kommt, wie gesagt, in der Praxis vor, dass die Polizei Face-ID und Touch-ID nutzt, um das Gerät zu entsperren und wie die obergerichtliche Rechtsprechung das irgendwann in der letzten Instanz bewerten wird, das wissen wir schlicht nicht. Wir können uns also nicht darauf verlassen, dass man dort meiner Auffassung folgen wird, dass sogar recht wahrscheinlich, dass man je nachdem wo man hingerät, auf Richter trifft, die eher der einer Verwertbarkeit befürwortenden Meinung folgen. Diese Frage aber dort überhaupt prüfen lassen zu können, setzt voraus, dass man nicht beispielsweise durch die Herausgabe des Pin-Codes von vornherein dafür sorgt, dass die Polizei Zugriff auf das Gerät hat, denn dann kommt es auf diese Frage im weiteren Verfahren sowieso nicht mehr an.

Wenn man auf Touch-ID oder Face-ID nicht verzichten möchte, dann kann man oder rein praktisch folgendes tun. Es gibt ein iPhone die Möglichkeit einen Notruf abzusetzen durch eine Tastenkombination. Diese Möglichkeit sollte man aktivieren. Wenn man dann die Chance hat, das Telefon nochmal in der Hand zu halten, wenn die Polizei kommt, zum Beispiel, weil es grad klingelt oder weil jemand ruft “Machen sie auf, Polizei” und das Handy liegt neben einem, kann man diese Tastenkombination gedrückt halten, dann den Vorgang des Notrufes abbrechen und ab diesem Moment muss man wieder den Code eingeben, um Touch-ID oder Face-ID nutzen zu können.

Ansonsten gibt es auch noch den sogenannten Blockierungsmodus im iPhone. Ihr müsst euch dann aber damit anfreunden, dass die normal gewohnten Funktionen des iPhones doch recht stark beschnitten werden, wenn man diesen Blockierungsmodus nutzen will.

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