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Grundsätzliches über Observationen

Begriffsklärung

Der Begriff »Observation« ist nicht so eindeutig, wie er auf den ersten Blick erscheint. Juristisch gesehen umfasst »Observation« viel mehr als im üblichen Sprachgebrauch.

Für die Polizei sind Strafprozessordnung (StPO) und Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) die rechtliche Grundlagen von Observationstätigkeiten. Der §163f StPO erlaubt eine »längerfristige Observation«, wenn die Aufklärung eines Sachverhalts auf anderem Wege nicht möglich oder erheblich erschwert sei. Eine »längerfristige Observation« wird meist von technischer Überwachung wie dem Abhören des Telefons, Foto- und Filmaufnahmen außerhalb der Wohnung gemäß §100 StPO begleitet. Maßnahmen im Rahmen der StPO werden von der Polizei nicht nach eigenem Gutdünken ergriffen, sondern ihr mit richterlichem Beschluss für einen gewissen Zeitraum gestattet. Die Polizei hat zwei Möglichkeiten. Entweder benötigt sie eine allgemeine Erlaubnis zum Observieren, dann werden in der Regel Beschlüsse für drei Monate erwirkt, die vom Gericht mehrfach verlängert werden können. Oder sie hat ein ganz bestimmtes Zeitfenster im Auge, bspw. eine Verabredung zwischen Verdächtigen, dann wird ein Beschluss nur für dieses Datum beantragt. Auch wenn die tatsächliche Observation nur zwei Stunden lang dauert, kann sie in diesem Sinne »längerfristig« sein. Normalerweise bedeutet aber »längerfristig« mehr als einen Tag lang. Die Observation kann auch mit kürzeren oder längeren Unterbrechungen über einen langen Zeitraum immer wieder aufgenommen werden.

Überwachungen nach §100 StPO werden meist sehr schnell nach dem richterlichen Beschluss umgesetzt. Insbesondere eine Telekommunikationsüberwachung (TKÜ), sie beinhaltet die Telefonüberwachung und alle Online-Aktivitäten wie E-Mail, Internet etc. lässt sich problemlos einrichten. Den meisten kommerziellen Providern genügt ein Fax, bei »Gefahr im Verzug« auch ein Anruf der Ermittlungsbehörde, um ihrer gesetzlichen Pflicht zur Schaltung einer Überwachung nachzukommen. Andere Bereiche des §100 StPO sind an tatsächliche Observationstätigkeit bzw. Personaleinsatz vor Ort gebunden, also vor allem den Videokameraeinsatz, Abhörvorrichtungen und GPS-Peilsender und in der Praxis meist im Zusammenhang mit §163-Maßnahmen zu sehen.

Im Falle eines allgemeinen Beschlusses über eine dreimonatige »längerfristige Observation« ist noch keineswegs gesagt, welche Maßnahmen tatsächlich durchgeführt werden. Das hängt von verschiedenen Faktoren ab: Wann es den Ermittlungsbehörden angemessen erscheint, wann Kapazitäten frei sind, wann notwendige Vorbereitungen abgeschlossen sind. Es kommt vor, dass eine Observation zwar beschlossen, aber überhaupt nicht durchgeführt wurde. Die Zielperson war dann zwar auf dem Papier von einer »längerfristigen Observation« betroffen, wurde aber tatsächlich nie beobachtet. Insbesondere der bei weitem größere Personalaufwand für eine Observation durch einen zu beauftragenden Trupp wirkt hier bremsend – während eine TKÜ von der ermittelnden Abteilung selbst bearbeitet und ausgewertet werden kann.

Die Nachrichtendienste arbeiten auf anderen gesetzlichen Grundlagen, im Prinzip aber ähnlich. Aktive Maßnahmen werden bspw. in den Verfassungsschutzgesetzen des Bundes und der Länder sowie im G10-Gesetz, das die Bestimmungen des Artikel 10 Grundgesetz für das Post- und Fernmeldegeheimnis aufhebt, geregelt. Die meisten der Maßnahmen, für die die Polizei einen richterlichen Beschluss braucht, kann der Verfassungsschutz nach eigenem Ermessen oder nach Zustimmung des jeweiligen Innenministeriums durchführen, lediglich akustische und optische Überwachung im »privaten Kernbereich«, also einer Wohnung, muss ein Richter anordnen. Ein Problem für den Verfassungsschutz sind parlamentarische Kontrollgremien wie die »G10-Kommission« des Bundestages und die Verfassungsschutz-Ausschüsse in den Ländern – allerdings nicht, weil die tatsächlich kontrollieren, dazu haben sie zu wenig Einblick, sondern weil zu befürchten ist, dass trotz Geheimhaltungspflicht Einzelheiten über Überwachungsmaßnahmen durchsickern.

In der Praxis sind die Grenzen der Nachrichtendiensten bei Observationen die eigenen personellen, technischen und finanziellen Mittel.

Wie schon in der Einleitung erwähnt, ähneln sich polizeiliche und nachrichtendienstliche Observationen. Allerdings benötigt der Verfassungsschutz weniger bürokratische Vorarbeit und ihm stehen etwas bessere Ressourcen zur Verfügung. Das sind vor allem etwas größere Trupps und schneller verfügbare technische Mittel und Daten wie die Standorte von Mobiltelefonen oder bei irgendwelchen Behörden registrierte Daten von Zielpersonen. In Sachen Professionalität gibt es seit Jahren keinen wesentlichen Unterschied mehr zwischen dem polizeilichen MEK und den Observations-Trupps der Abteilung »Beschaffung« beim Verfassungsschutz.

Andere Formen der Observation

Es gibt Observationsformen, die in diesem Text so gut wie keine Rolle spielen.

Erstens die »offene Observation«. Sie wird extrem selten eingesetzt, jedenfalls viel seltener, als es in Kreisen potentiell Betroffener vermutet wird, und fast nie von Spezialeinheiten durchgeführt. Die offene Observation ist etwas anderes als die persönlichen »Gefährder-Ansprachen« im Vorfeld einer Demonstration durch Staatsschutz oder PMS (Sondereinheit »Politisch motivierte Straßengewalt« beim Berliner LKA), sie wird vielmehr von mehreren Beamten durchgeführt, um eine Zielperson unter Druck zu setzen und zu Handlungen zu verleiten, die den Observanten Hinweise geben. Dafür müssen sich die Observanten zu erkennen geben, was kein Angehöriger einer Observationseinheit gerne macht. Zudem ist das Ergebnis eher ungewiss. Daher ist so eine »Observation« die absolute Ausnahme und dürfte in der Regel auf Erkenntnissen einer vorangegangenen »echten« Observation aufbauen.

Zweitens die nicht gegen eine bestimmte Zielperson gerichteten präventiven Observationen. Bei jedem größeren Polizeieinsatz observieren zivile Aufklärungskräfte, Umfeld und Gefahrenpotenziale einer Demonstration oder Fußballspiel etc., wobei auch einzelne »amtsbekannte« Personen beobachtet und mitunter länger verfolgt werden. Hier kooperieren verschiedene Abteilungen und kommunizieren mit besonderen Leitstellen, deren Erkenntnisse beim Führungsstab zusammenfließen. Bei Großeinsätzen wie dem 1. Mai können mehr als 100 zivile Fahrzeuge von polizeilichen Abschnitten über die Bereitschaftspolizei bis zum MEK im Observationseinsatz sein. Auch an polizeilich definierten »gefährlichen Orten«, an denen Zivilstreifen Anhaltspunkte für Kriminalität wie Drogenhandel suchen, gibt es präventive Observationen. Sie nutzen als Rechtsgrundlage das ASOG und werden nicht von einem Richter angeordnet.

Nicht offen ermittelnde Beamte (NoeB)

Hieran schließt eine gewisse Grauzone an, wo sich polizeiliches und nachrichtendienstliches Handeln berühren. Gerade polizeiliche Spezialeinheiten wie das LKA 64 (siehe unten) stellen seit Ende der 1980er Jahre vergleichsweise hohe Anforderungen an die Qualifikation ihrer Beamten und Beamtinnen: Sie sollen sich im Milieu ihrer Zielgruppen auskennen, um dort bei Bedarf unauffällig agieren zu können und schnell zu Lageeinschätzungen zu kommen. Das erfordert als praktische Übung bspw. den gelegentlichen abendlichen Besuch von Szene-Kneipen. In der Lücke zwischen solchen taktisch getarnten Ermittlern und echten »Verdeckten Ermittlern« (VE, Männer und Frauen mit einer falscher Identität ) erscheinen hier »nicht offen ermittelnde Beamte« und Beamtinnen (NoeB), gelegentlich auch »nicht offen ermittelnde Polizeibeamte« (NoeP) genannt, die ins Milieu eindringen und dabei Ansätze einer Legende verwenden, ohne dies konsequent weiterzuführen. So ein Vorgehen schützt vor einer Enttarnung durch misstrauische Gegner und umgeht zugleich die strengen rechtlichen Anforderungen an den Einsatz eines VE. 1994 wurden zwei solche NoeB des MEK in der Berliner linken Szene enttarnt, die sich gegenseitig gedeckt hatten und immer wieder Kollegen als »Freunde« mitgebracht hatten, um sie in die Szene einzuschleusen – alle mussten nach der Enttarnung allerdings sicherheitshalber abgezogen werden. Danach wurde das Berliner MEK etwas vorsichtiger mit solchen Einsätzen und setzte vermehrt auf offensivere Aufklärungskonzepte wie etwa die PMS, was aber nicht bedeutet, dass es keine NoeB mehr gäbe.

Bei jedem dieser polizeilichen Vorgehen fallen Erkenntnisse, auch zufällige, an, die in Vermerken für das allgemeine Lagebild niedergelegt werden. Die politischen Abteilungen von LKA und BKA führen interne Akten, in denen sie vermutete Entwicklungen und Erkenntnisse zu Personen und Gruppen fortschreiben, die (noch) nicht reif für ein Ermittlungsverfahren wirken. Diese »Erkenntnisse« können sich zu Thesenpapieren oder gar staatsanwaltschaftlichen »Strukturverfahren« verdichten.

Es existiert jenseits der oben beschriebenen juristisch klar umrissenen Beobachtungsformen ein diffuser Bereich, in dem zwar Observationserkenntnisse aller Art verwertet werden, aber ohne dass die Polizei über einen qualifizierten Auswertungsapparat wie ein Nachrichtendienst verfügt. Die gesammelten Erkenntnisse werden demnach nicht systematisch verarbeitet, sondern verbleiben in einer Abteilung oder im Gedächtnis altgedienter Sachbearbeiter für eine eventuelle spätere Nutzung. Wenn eine andere Abteilung einen ähnlichen Fall übernimmt, führt sie möglicherweise die selben Ermittlungen noch einmal durch. Man könnte sagen, die Polizei weiß mehr, als die Polizei erlaubt – aber sie weiß selbst nicht so genau, wie viel sie weiß.

Die verschiedenen Behörden

Polizei

Die Polizei teilt sich in Schutzpolizei und Kriminalpolizei. Abteilungen der Schutzpolizei sind nur selten bei Observationen beteiligt, und wenn, dann meist im Rahmen des ASOG, bspw. als zivile Aufklärer der Bereitschaftspolizei bei Demonstrationen. Einzelne Angehörige der Schutzpolizei sind aber durchaus in Sondereinheiten tätig, die formal zur Kriminalpolizei gehören, wie bspw. der PMS. Der Normalfall sind aber Observationen der Kriminalpolizei. Sie ist in lokale Referate und das Landeskriminalamt aufgeteilt, bei dem sowohl Ermittlungsabteilungen für bestimmte Delikte wie auch die Sondereinheiten angesiedelt sind.

Am unteren Ende der Observationsskala stehen die lokale Kriminalpolizei der örtlichen Polizeidirektionen und kleinere FAO-Einheiten verschiedener Abteilungen, etwa auch der Bereitschaftspolizei. Ihnen stehen oft nur zwei oder drei Fahrzeuge zur Verfügung, mit denen einige Beamte oder Beamtinnen Observationen durchführen, die den Anforderungen des Lehrbuchs schon mangels Masse nicht genügen können. Die Darstellungen von Observationen in den Medien überschreiten fast nie diese unterste Ebene. Es kommt vor, dass solche Kräfte bei größeren Fällen zusammenarbeiten.

Beim LKA gibt es etwas mehr Mittel für die Personenfahndung oder für eigenständige LKA-Ermittlungen wie die Drogenfahndung und Organisierte Kriminalität (OK). In solchen Fällen sind 4-5 Fahrzeuge mit 6-8 Beamten normal. Fünf Autos klingt zwar nicht nach viel, sie sind aber auf der Straße eine schon schwer überschaubare Anzahl! Ähnliches gilt für die Observationseinheit des LKA 56 (Staatsschutz), die mehr als andere Abteilungen befürchten muss, dass ihre Zielpersonen mit polizeilicher Beobachtung rechnen, weshalb ein größerer Aufwand erforderlich ist. LKA 56 verfügt über insgesamt etwa 40 Fahrzeuge und kann für größere Observationen durchaus mit acht Fahrzeugen ausrücken.

Mobiles Einsatzkommando (MEK)

Das obere Ende der polizeilichen Skala bilden die großen Sondereinheiten, die in Berlin im LKA 6 »Operative Dienste« zusammengefasst sind: Mobiles Einsatzkommando (MEK), (LKA 62), Spezialeinsatzkommando (SEK) und Präzisionsschützenkommando (PSK) (LKA 63) sowie die als LKA 64 zusammengefassten Aufklärungsgruppen PMS und »Verdeckte Aufklärung«. LKA 64 nimmt arbeitsteilig die oben beschriebenen Aufgaben der »präventiven Observation« wahr: PMS mehr oder weniger offen und am Rande des Geschehens, wenn auch meist in ziviler Kleidung; die Kollegen von der »Verdeckten Aufklärung« gut getarnt aus dem Inneren von Demonstrationen und aus älteren, unauffälligeren Fahrzeugen heraus. Für Observationen im engeren Sinne spielt LKA 64 keine große Rolle, bei Observationen mit politischem Bezug werden aber gelegentlich sachkundige Beamte dieser Abteilung mit eingebunden. Auch das SEK/PSK ist nur in Ausnahmefällen an »längerfristigen Observationen« beteiligt, speziell zum Zweck von Festnahmen.

Im Bereich der Observation bilden die Gruppen der »Erkennenden Fahndung« den Kern des MEK. Es gibt aktuell sieben »Mobile Einsatzgruppen« des MEK mit je ca. 15 Beamten, insgesamt also rund 100, denen ein Fuhrpark von mehr als 80 Fahrzeugen zur Verfügung steht, hinzu kommt eine Gruppe zur technischen Unterstützung und Observationsschulung.

Observationen des MEK haben im Allgemeinen eine Stärke von ca. 6 und maximal 12 Fahrzeugen.

Anzumerken zum LKA 6 ist noch, dass es gerade im Bereich der Sondereinheiten alle paar Jahre Umgruppierungen gibt, so dass die hier gemachten Angaben ggf. auf ihre Aktualität hin zu überprüfen sind. Gegründet wurde das Berliner MEK ursprünglich 1969 als »intelligente« Polizei-Abteilung, deren Beamte sich argumentativ mit protestierenden Studenten auseinandersetzen können sollten. Doch bereits 1971 wurden die qualifizierten Beamten für Observationen des Staatsschutzes eingesetzt. Seitdem ist dieses Referat mit jeder Umgruppierung größer geworden.

In Berlin gibt es insgesamt rund 2.300 Polizeifahrzeuge, davon sind etwa 200 »getarnte« Observationsfahrzeuge mit wechselnden Kennzeichen und weitere rund 550 »neutrale« Fahrzeuge für Zivilstreifen. Letztere sind üblicherweise nur an kleineren lokalen Observationen beteiligt.

Bundesbehörden und Verfassungsschutz

Das Bundeskriminalamt (BKA) verfügt über ein eigenes MEK, das in Größe und Ausstattung mit dem LKA-MEK verglichen werden kann und mit mehreren Einsatzgruppen bei der Abteilung »Zentrale Dienste« (ZD 35) in Meckenheim bei Bonn angesiedelt ist. Bei Observationen werden bis zu 15 Fahrzeuge eingesetzt.

Die Bundespolizei mit ihrer »Mobilen Fahndungseinheit« (MFE) und das Zollfahndungsamt verfügen über eigene operative Abteilungen mit begrenzten Kapazitäten, die Observationen im Zuständigkeitsbereich ihrer Behörde durchführen und unterstützend für andere Kriminalpolizeien tätig sind.

Bei der Polizei insgesamt ist es üblich, Observationsfahrzeuge mit zwei Beamten zu besetzen.

Der Verfassungsschutz ist im Gesamten ein viel kleinerer Apparat als die Polizei, wobei seine Observationsabteilungen als Untergruppe des Bereichs »Beschaffung« im Verhältnis zur gesamten Behörde aber relativ groß ausfallen. Das Berliner Landesamt für Verfassungsschutz hat eine Personalstärke von rund 180 Beamten, von denen ca. 50 dem operativen Bereich zuzurechnen sind. Bei Observationen ist mit 10 bis maximal 20 Fahrzeugen zu rechnen.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) mit Hauptsitz in Köln hält mehrere Observationstrupps zu je 15-20 Beamten bereit. Auch hier werden bei Observationen 10 bis maximal 20 Fahrzeuge eingesetzt. Entgegen dem öffentlich gepflegten Bild einer »Schreibtisch-Behörde«, die vor allem Auswertung von Quellen und Informationen der Landesämter betreibt, ist das BfV höchst aktiv im Observationseinsatz, auch wenn die Abteilung »Auswertung« im Verhältnis zur »Beschaffung« deutlich größer ist als bei den Landesämtern.

Observationsfahrzeuge des Verfassungsschutzes sind meistens mit nur einer Person besetzt.

Observationstrupps des Verfassungsschutzes rekrutieren sich überwiegend aus dem mittleren Dienst (»Meister«) der Schutzpolizei, besonders aus der Bereitschaftspolizei und Bundespolizei. Die Gehaltsstufe der Observationsbeamten liegt im Grenzbereich zwischen mittlerem Dienst und gehobenem Dienst, der Besoldungsgruppen A7-A10, was den Job trotz Sicherheitszulage und Schulungen für höher qualifizierte Beamte finanziell nicht attraktiv macht, ganz zu schweigen von den unregelmäßigen Arbeitszeiten. 2010 wurde übrigens in einer Gerichtsentscheidung in Rheinland-Pfalz festgestellt, dass einem Observanten des Verfassungsschutzes eine weniger hohe Gefährdungszulage zusteht als einem MEK-Polizisten, da er ja keine Festnahmen durchführen müsse.

Gut ausgestattete Sondereinheiten, also im wesentlichen die der Bundesbehörden und MEKs, bemühen sich, ein Verhältnis von etwa 1:1 zwischen Observationspersonal und Fuhrpark zu erreichen.

Unterschiede zwischen nachrichtendienstlichen und polizeilichen Observationen

Unterschiede zwischen nachrichtendienstlichen und polizeilichen Observationen machen sich weniger im Verlauf als bei den Folgen bemerkbar. Nachrichtendienstliche Observationen werden meist mit mehr Personal betrieben, es werden sehr viel mehr Videoüberwachungen aus angemieteten Standorten oder aus getarnten Fahrzeugen heraus und eine begleitende TKÜ durchgeführt.

Wesentliche Unterschiede liegen im Ermittlungsinteresse und in der politischen und kriminalistischen Dimension der bearbeiteten Fälle. Daher weisen BKA-Observationen nicht selten Aspekte beider Behördenarten auf, da das BKA sowohl Polizei als auch politische Behörde ist.

Polizeiliche Observationen

Das Ermittlungsinteresse einer Behörde wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst: Neben den unmittelbaren Interessen der sachbearbeitenden Abteilung gibt es makrostrukturelle Einflüsse innerhalb der Behörde sowie Einflussnahmen von Justizbehörden und Innenministerien. Die »politische Ebene« ist vermutlich den meisten Sachbearbeitern ein Gräuel, lässt sich aber bei Ermittlungen im weit gefassten Bereich »Terrorismus« sowie Ermittlungen mit internationalen Bezügen, bspw. Organisierte Kriminalität, Spionage, Drogenschmuggel nicht einfach ignorieren. Politische Einflussnahmen auf polizeiliche Ermittlungen zielen meist nicht darauf, Straftaten unverfolgt zu lassen, sondern Ermittlungen zu führen, obwohl es keinen ausreichenden Tatverdacht gibt. Solche Ermittlungen werden von Innenministerien oder dem Verfassungsschutz »angeschoben«, nicht selten vermittelt über die Generalbundesanwaltschaft. Das übergeordnete Interesse hinter solchen Ermittlungen, also öffentlichkeitswirksame »Exekutivmaßnahmen«, die Einschüchterung oder Lähmung einer Szene, oder das Gewinnen von Informationen für ganz andere Zwecke, die etwa dem Bundesamt für Verfassungsschutz nützen, nicht aber der Polizei, muss dann mit dem kriminalistischen Ansatz der Polizei in Einklang gebracht werden, was nicht immer reibungslos geht. Die Polizei hat hier einen gewissen Schutz vor direkter Beeinflussung, da die Staatsanwaltschaft zwischengeschaltet ist; zudem zwingt das »Legalitätsprinzip« zur Beachtung einiger Regeln, etwa der weitgehenden Vermeidung eigener Straftaten bei den Ermittlungen und ein Einschreiten, wenn im Verlauf einer Observation erkennbar wird, dass schwere Straftaten begangen werden. Andererseits ist die Polizei aber auch durchaus bereit, am Rande der Legalität zu operieren. Die Formulierung »aus taktischen Gründen« ist der Deckmantel für allerlei kleine Gaunereien wie Irreführungen und Lügen. So ist es es aus »taktischen Gründen« übliche Praxis, beim Anmieten eines Beobachtungspostens in politischen Observationen den Eindruck zu erwecken, es handele sich um die Observation eines Drogenhändlers – das erhöht die Unterstützungsbereitschaft der jeweiligen Wohnungsgebern.

Letztlich ist das grundsätzliche Ziel einer polizeilichen Observation die Überführung von Straftätern und die Verurteilung der Zielperson durch ein Gericht. Wenn das von vornherein unwahrscheinlich erscheint, kann es zu Spannungen zwischen den beteiligten Behörden kommen, die sich negativ auf die Motivation der observierenden Polizei auswirken können.

Nachrichtendienstliche Observationen

Bei nachrichtendienstlichen Observationen gibt es andere Ermittlungsinteressen. Meistens zielen sie auf die Aufdeckung von Strukturen und Beziehungen ab. Sie basieren nicht selten auf früheren Observationen anderer Personen und haben spätere Observationen wieder anderer Personen zur Folge, so entsteht ein Geflecht von Informationen, die auszuwerten sind und immer wieder aktualisiert werden. Manche Zielpersonen werden über Jahre hinweg immer wieder eine Zeit lang beobachtet. Während die Polizei durch die Erwartungshaltung von Staatsanwaltschaft und Gericht sowie durch die ständige Präsenz massenhafter Kriminalität in den Medien unter starkem Erfolgsdruck steht, ist der Erfolg nachrichtendienstlicher Operationen weniger exakt zu definieren, und viele Observationen haben überhaupt kein messbares Ergebnis. Einige Observationen dienen nur der Vorbereitung von »Ansprachen«, sind also vergleichbar mit polizeilichen Vorfeldobservationen zur Erstellung eines Bewegungsbildes der Zielperson. Es folgt die Kontaktaufnahme eines Verfassungsschützers oder einer Verfassungsschützerin mit der Zielperson – um sie als V-Person anzuwerben oder um eine Reaktion zu provozieren, die dem Verfassungsschutz neue Erkenntnisse liefert, oder auch als taktisches Mittel, um in einem Milieu eine Information zu platzieren, etwas öffentlich werden zu lassen bzw. politischen Einfluss zu nehmen.

Dabei steht der Verfassungsschutz aber wie schon erwähnt der Polizei relativ nahe: Seine Observanten behalten den Blick der Polizisten, die sie vorher waren, und verfügen oft nicht über den politischen Horizont, ihr Gegenüber jenseits von Strafgesetzen zu beurteilen. Die Ideologie des Verfassungsschutzes ist mehr die einer Geheimpolizei als die eines Nachrichtendienstes, denn das feindliche Gegenüber – Staatsfeinde, Agenten etc. – wird eher in Kategorien der Ordnungs- und Strafgesetze betrachtet als in denen einer politischen Auseinandersetzung. Da der Staat und seine Beamten ja vorgeblich neutral sind, wird dies nicht als Problem empfunden.

Während die Polizei durch die technische und personelle Aufrüstung der Sondereinheiten in die Nähe des Nachrichtendienstes rückt, nähert sich der Nachrichtendienst durch sein Selbstbild der Polizei an.

Wie in der Einleitung beschrieben, hat sich mit dem Wegfall des politischen Ost-West-Konflikts die Arbeit der Nachrichtendienste international »verpolizeilicht«. Zu dieser Entwicklung ist in Deutschland auch das Verschwinden der bewaffneten Gruppen zu zählen, deren hoher Organisationsgrad alle beteiligten Behörden gezwungen hatte, auf sehr hohem Niveau zu observieren und gelegentlich die nachrichtendienstliche vor die polizeiliche Logik zu stellen. Aktuell werden nur noch einzelne organisierte Kerne des »Extremismus« wegen ihrer Motivation und teilweise hohen intellektuellen Kompetenz und die gut organisierte Kriminalität aufgrund ihrer großen finanziellen und materielllen Ressourcen von Polizei und Nachrichtendiensten als Gegner »auf Augenhöhe« angesehen.

Themenfelder von Observationen

Polizeiliche Observationen haben nicht unbedingt das Ziel, Straftäter auf frischer Tat zu erwischen. Sie werden vielfach gemacht, um Straftaten aufzuklären, etwa um Informationen über Verdächtige zu sammeln oder diese »beweissicher« festnehmen zu können. Die direkte Festnahme bei der Tat ist ein eher seltener Höhepunkt für die Observanten.

Die meisten Observationen richten sich gegen Drogenkriminalität und Eigentumsdelikte. Eine deutliche Mehrheit der Zielpersonen ist dabei nicht-deutscher Herkunft.

Politische Observationen zur Strafverfolgung werden, wenn es sich nicht um präventive Beobachtungen handelt, etwa wegen »Aktionstagen« der linkskriminellen Szene mit nächtlichen Brandanschlägen, fast immer aufgrund von Ermittlungen wegen §129/a/b StGB oder damit verbundenen Straftaten durchgeführt. Dabei gibt es drei Schwerpunkte: Islamistische Gruppen, linke türkisch/kurdische Gruppen und deutsche Linksradikale. Diese Observationen werden in Berlin im allgemeinen von LKA 56 oder vom MEK verantwortet und je mehr die Generalbundesanwaltschaft involviert ist, desto häufiger ist auch das BKA-MEK mit von der Partie. In den vergangenen Jahren kam es hier zu zahlreichen Behördenkooperationen. So waren bspw. die beiden großen politischen Verfahren der Jahre 2005 bis 2007, die »militante Kampagne gegen den G8-Gipfel« und die »militante gruppe (mg)« so personalintensiv, dass verschiedenste Behörden unterstützend einspringen mussten, vom BfV über den Berliner Verfassungsschutz bis zum LKA Sachsen.

Wer wissen möchte, wen der Verfassungsschutz observiert, kann sich darüber mehr oder weniger im jährlichen Verfassungsschutzbericht informieren. Dort werden die Themenfelder umrissen, wo die Bundes- und Landesämter überwiegend ihre Zielpersonen finden: Islamistische Gruppen, linke türkisch/kurdische Gruppen, deutsche Linksradikale und die nationale Opposition. Selbstverständlich können nicht alle genannten Gruppen, Strömungen und Personen überwacht werden, und beileibe nicht alle werden observiert. Nationale Gruppen wrden deutlich stärker durch V-Leute und TKÜ überwacht als durch Observationen.

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