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Gegenmaßnahmen

Allgemeine Überlegungen

Im folgenden geht es um Umgangsweisen mit Observationen im engeren Sinne. Mögliche Reaktionen im juristischen oder öffentlichen Bereich würden den Rahmen sprengen und sollten von den Betroffenen gesondert diskutiert werden.

Mögliche Umgangsweisen stehen in direkter Wechselwirkung mit den Observationsmethoden, sprich: gute Observanten sind auch gute Gegenobservanten und umgekehrt. Das heißt, dass effektive Schutzmaßnahmen gegen Observationen eigentlich nur erfolgversprechend sind, wenn man über praktische Erfahrungen in diesem Bereich verfügt, was auf die Zielpersonen von Observationen nur sehr selten zutrifft. Wer sehr motiviert ist – sei es aus politischen Gründen oder wegen des hohen eigenen Risikos – bzw., wer über gute finanzielle, technische oder personelle Ressourcen verfügt, kann sich am ehesten schützen. Das gilt vor allem für politische Gruppen, für die Führungsebene der organisierten Kriminalität und für geschulte Agenten.

Insgesamt gesehen sind die Zielpersonen aber sehr im Nachteil und haben Observationen meist wenig entgegenzusetzen.

Auch diejenigen, die der Meinung sind, einen »Riecher« zu haben, oder die veröffentlichten Texte zum Thema gelesen haben, schätzen in der akuten Situation die Lage überwiegend falsch ein, und das bedeutet in den meisten Fällen: weniger bedrohlich als sie wirklich ist. Grundsätzlich gilt, dass die Formen allgemeiner Überwachung und die daraus folgende individuelle Gefährdung überschätzt werden, wohingegen konkrete persönliche Gefährdungslagen unterschätzt werden. Viele fühlen sich durch Kameras in U-Bahnhöfen oder das Knacken im Telefon überwacht, erkennen aber selbst eine Observation durch einfachste Polizeikräfte nicht. Das ist psychologisch zu erklären, da die direkte persönliche Betroffenheit ungleich bedrohlicher ist als das Reden über allgemeine Gefahren und deshalb oft verdrängt oder schöngeredet wird. Die meisten Zielpersonen beurteilen ihre Gefährdungslage zu positiv, und zwar auch dann, wenn sie allgemein eher zu Verfolgungsängsten neigen. Da sie zu wenig Wissen über die praktischen Abläufe und meist keine passenden persönlichen Erfahrungen haben, fällt es ihnen schwer, zu entscheiden, welche eigenen Handlungen sie – und andere – gefährden könnten und welche nicht. Sie lassen sich von Gefühlen leiten, die nicht selten drängend sind, aber zu erheblichen Fehleinschätzungen führen können. Es ist bspw. ein gängiger Lehrsatz bei der Polizei, dass eine Wohnungsdurchsuchung auch dann sinnvoll ist, wenn die Zielperson vorher gewarnt wurde, weil sie nämlich den Informationsstand der Gegenseite nicht kennt und daher in vielen Fällen beim »Säubern« der Wohnung wichtige Details übersieht.

Das gleiche gilt sinngemäß für Observationslagen. Leichtsinn und Paranoia schließen sich keineswegs aus, sondern können sich leider durchaus ergänzen zu nicht durchdachten, von Aufregung und Angst bestimmten Handlungen. Die Sorge, verfolgt zu werden, verschafft einem erst einmal noch kein Wissen darüber, was die VerfolgerInnen sehen, wissen oder tun. Eigene Reaktionen werden daher stark von eigenen Vorstellungen, Ängsten und Wünschen über den Ablauf einer Observation bestimmt. Dabei spielt häufig das Vogel-Strauß-Syndrom eine Rolle: Der Wunsche, die Lage möge weniger ernst sein als sie ist. Nicht wenige Menschen beurteilen daher ihre Situation sogar dann noch besser als sie tatsächlich ist, wenn sie eine Observation bereits erkannt haben.

Oft beschäftigen Aktivisten sich auch mehr mit den möglichen späteren (nicht nur, aber auch juristischen) Folgen ihrer Handlungen als mit den akuten, in Echtzeit stattfindenden Auswirkungen. Sie kümmern sich darum, bei irgendeiner Handlung möglichst keine Spuren zu hinterlassen, die später gefunden, ausgewertet und gegen sie verwendet werden könnten, achten dabei aber nicht auf ihre unmittelbare Umgebung und übersehen so, dass sie bereits beobachtet werden.

Hier Rat zu geben, ist schwer. Selbstverständlich sind sowohl Leichtsinn als auch Paranoia fehl am Platze, doch was ist der richtige Mittelweg? Abgesehen von praktischer Erfahrung – die ja nicht gerade angestrebt werden sollte – helfen hier nur allgemeine Tugenden: Offenen Auges durch die Welt gehen und die eigene Umgebung bewusst wahrnehmen, die eigenen Fähigkeiten zu kritischer Analyse und Beobachtungsgabe entwikkeln, sich nicht von schematischem Denken und Tabus einengen lassen, Abstraktionsvermögen und das Durch-die-Augen-anderer-betrachten verbessern, gelassen bleiben und ruhig atmen, nicht vorschnell von einer Sichtweise überzeugt sein, sich nicht überschätzen…

Wer konkrete Erfahrungen mit Observationen und deren möglichen Folgen gemacht hat, wird daraus zwar in gewissem Sinne klug, wird sich aber schwer damit tun, diese Erfahrungen zu verallgemeinern bzw. veränderten Situationen anzupassen. Man erinnert sich an besondere Vorfälle, Gesichter oder Methoden, ohne aber das System zu kennen. Der Lernerfolg ist daher nur begrenzt. In den wenigen Fällen, in denen eine Zielperson von der Observation noch während deren Verlauf erfährt, ist dies meistens auf äußere Umstände zurückzuführen: Auf Fehler der Observanten, Zufälle oder Beobachtungen dritter Personen. Da die Observanten sehr bemüht sind, sich der Wahrnehmung der ZP zu entziehen, zeigen sie im Außenbereich der »Glocke« mitunter auffälliges Verhalten. Aus der Perspektive der ZP ist dies jedoch kaum oder gar nicht wahrzunehmen. Nur außergewöhnlich aufmerksame oder zu leichter Verfolgungsangst neigende Zielpersonen werden die Observation selbst erkennen.

Die Ausführungen in diesem Kapitel sind von allgemeinem Nutzen für »Laien« wie für »Profis« und sie zeigen auch den Observationskräften mögliche Schwachpunkte des eigenen Vorgehens. Es muss dringend davor gewarnt werden, mit dem »Lehrbuch« in der Tasche los zu ziehen und zu glauben, man könne nun eine Observation kontrollieren. Nicht nur die Umsetzung der praktischen Hinweise erfordert Übung. Auch die Erkenntnisse, die bei dieser praktischen Umsetzung gewonnen werden, sollten möglichst gemeinsam gründlich und objektiv ausgewertet werden. Um einer Observation durch Spezialeinheiten etwas entgegensetzen zu können, oder um selbst – auch ohne die technischen und finanziellen Mittel einer solchen Einheit – Observationen durchzuführen, bedarf es einer intensiven (Selbst)Schulung.

Erkennen einer Observation

Es gibt verschiedene Möglichkeiten und Situationen, eine Observation selbst erkennen zu können.

1. Am Zielobjekt selbst

Die normale A-Position

Bestandteil nahezu jeder Observation ist die Überwachung des Wohnorts – also in der Regel des Hauseingangs der Zielperson. Dafür gibt es drei Möglichkeiten: Eine A-Position mit Personen, ein getarntes Fahrzeug oder die meist videogestützte Überwachung aus einem Objekt heraus. Diese Varianten schließen sich nicht unbedingt aus. Insbesondere bei großen Observationen wird sowohl mit Videoüberwachung als auch mit A-Position gearbeitet.

Observationskräfte müssen sich möglichst nahe am Objekt aufhalten, um die Zielperson beim Betreten oder Verlassen des Hauses sicher identifizieren zu können und um möglichst wenig störende Einflüsse wie verdeckte Sicht durch Verkehr etc. zu haben. Sie werden aber andererseits bemüht sein, sich nicht in unmittelbarer Nähe zum Zielobjekt zu befinden, um außerhalb des Blickfeldes einer überraschend auftauchenden und möglicherweise aufmerksamen Zielperson zu bleiben. Selbstverständlich müssen sie sich aber auch an vorhandene Gegebenheiten anpassen – wenn es nur eine Position direkt neben dem Hauseingang gibt, muss eben die Tarnung entsprechend verbessert werden. Ideal ist eine Entfernung von ca. 30-50 m vom Zielobjekt, das gewährleistet ein Erkennen von Personen, ohne in deren unmittelbarem Blickfeld zu sein.

Beachte: Gute Observanten können auch mit dem Rückspiegel arbeiten.

Schwachpunkt der personengestützten A-Position ist, dass sie nötigenfalls über mehrere Stunden besetzt werden muss. Auch bei häufiger Ablösung lässt sich nicht vermeiden, dass sich über längere Zeit ununterbrochen Personen im Nahbereich des Zielobjekts aufhalten – sei es im Auto, auf einer Parkbank, in einem Café… Ob die A-Position allein oder zu zweit gemacht wird, mindestens eine Person muss dabei konzentriert das Ziel im Auge behalten, was eine veränderte Körpersprache mit sich bringt und die Aufmerksamkeit für Geschehnisse außerhalb des anvisierten Ziels deutlich verringert. Es entsteht ein Tunnelblick, der für Außenstehende erkennbar sein kann. Es ist nicht »normal«, dass eine Person über längere Zeit einfach nur dasitzt und in eine Richtung schaut. Jeder Mensch hat einen in frühester Kindheit erlernten Reflex, menschliche Gesichter als solche zu erkennen und zu beurteilen, ob diese ihn ansehen. Zur Identifizierung eines Bildes als »Gesicht« genügt bekanntlich schon ein Kreis mit zwei Punkten an der richtigen Stelle. Die Anordnung der Augen im Verhältnis zum Gesicht wird unbewusst in Sekundenbruchteilen eingeordnet – liegen die Augen zentriert im Gesicht, fühlen wir uns angeschaut. Und das zu recht, denn um den Blick zu fokussieren, bewegt man üblicherweise den Kopf und nicht die Augen selbst.

Um diese Handicaps abzumildern, wird die A-Position möglicherweise ab und zu das Mobiltelefon benutzen, ein Buch oder eine Zeitung vor sich legen oder sich schlafend stelllen. Im Auto wird sie den Sitz möglichst tief stellen und nach unten rutschen, um eine weniger sichtbare Silhouette abzugeben. Bei normalem flüchtigen Blick in die Umgebung nehmen wir Autos nur dann als »besetzt« wahr, wenn der Kopf einer Person die Kopfstütze bzw. den hellen Hintergrund der Fenster verdeckt. Eine Zielperson braucht aber »nur« im Abstand von etwas mehr als einer Stunde zweimal aus dem Fenster zu sehen oder zu kurzen Erledigungen das Haus zu verlassen, um festzustellen, dass dasselbe besetzte Fahrzeug unverändert oder zwei besetzte Fahrzeuge abwechselnd an gleicher Stelle stehen, oder dass eine Parkbank schräg gegenüber dauernd belegt ist. Um ein besetztes Observationsfahrzeug und seine Insassen unauffällig genauer betrachten zu können, nähert man sich am besten von schräg hinten im toten Winkel, idealerweise auf dem Bürgersteig, denn der tote Winkel der Rückspiegel liegt im Bereich von ca. 5 m hinter dem parkenden Fahrzeug bis zur Höhe der hinteren Seitentüren.

Getarnte Fahrzeuge

Wenn eine derart ausgesetzte A-Position unmöglich oder zu gefährlich erscheint, werden die Observationskräfte ein getarntes Fahrzeug einsetzen. Über solche Fahrzeuge verfügen alle speziellen Observationseinheiten, es ist oft ein Kleinbus wie ein VW Bus, Mercedes Vito etc. oder eine Großraumlimousine wie ein Chrysler Voyager, Ford Galaxy etc., bei denen die hinteren Scheiben stark verdunkelt, manchmal auch mit Vorhängen verdeckt sind. Bei Tageslicht erschwert die normale Reflexion der Scheiben die Einsicht in den Innenraum zusätzlich. Dieser Schutz funktioniert aber nur, wenn die Verdunkelung tatsächlich komplett ist. Wie schon ausgeführt, ist vor allem das Hintergrundlicht von entscheidender Bedeutung: Der Innenraum eines Fahrzeugs ist um so weniger einsehbar, je weniger Licht von hinten oder seitlich – vom Betrachter aus gesehen – einfällt, während von vorne einfallendes Licht weniger ins Gewicht fällt. Diese komplette Verdunkelung ist bei vielen Fahrzeugen im üblichen Straßenverkehr nicht gegeben, sie haben oft nur einzelne getönte Scheiben, oder die Tönung ist so schwach, dass aus der Nähe hindurch gesehen werden kann. Mit Folien beklebte Scheiben sind im Straßenverkehr öfters zu sehen, wobei diese Beklebungen aber in den meisten Fällen fehlerhaft sind, es gibt Faltenwurf, Lücken, Löcher, Luftblasen. Solche fehlerhaften Beklebungen sind bei Observationsfahrzeugen kaum zu erwarten, da sie erstens das Fahrzeug auffälliger und leichter wiedererkennbar machen und zweitens Observationstechniker die nötigen Werkzeuge für ein akkurates verkleben der Folie haben. Verdunkelungsfolien lassen sich fest verkleben, aber auch durch statische Haftung ablösbar anbringen. Ein getarntes Observationsfahrzeug wird also tatsächlich so stark verdunkelt sein, dass das Innere auch aus großer Nähe und aus verschiedenen Richtungen nicht einsehbar ist. Da dies zwar im normalen Straßenbild vorkommt, aber doch alles andere als unauffällig ist, gilt auch für solche Fahrzeuge, dass sie nicht unmittelbar vor dem Zielobjekt stehen sollten, sondern in der erwähnten idealen Entfernung von 30-50 m.

Besonders gut ausgestattete Spezialeinheiten setzen auch besser getarnte Fahrzeuge ein: Wagen mit versteckter Kamera, deren Bild zu etwas weiter entfernt postierten Kräften übertragen wird. Solche Fahrzeuge zu erkennen ist extrem schwierig. Da der Einsatz von Teleobjektiven nicht erforderlich ist, solange es nur darum geht, eine Person beim Verlassen des Zielobjekts zu erkennen und sodann direkt persönlich weiter zu observieren, können Minikameras mit begrenzter Bildauflösung verwendet werden, deren Objektiv praktisch nicht mehr zu erkennen ist, außer bei sehr genauer Untersuchung aus großer Nähe, was natürlich den Observanten auffallen würde. Es kann sich um einen Pkw-Kombi handeln, dessen Laderaum mit verschiedenstem Kram vollgestopft ist, in dem sich irgendwo eine kleine Kamera verbirgt; es kann ein Pkw sein, der im Bereich der Sonnenblende oder der Rückspiegelhalterung eine Minikamera hat; es kann ein Motorroller mit einer verborgenen Kamera im Topcase sein; möglich ist auch ein Kleintransporter mit rundum geschlossenem Laderaum, bei dem durch das Sichtfenster zur Fahrerkabine oder durch eine Lüftungsöffnung gefilmt wird.

Moderne Fahrzeuge der oberen Mittelklasse haben bereits serienmäßig an der Innenspiegelhalterung Regensensoren, die sich von Minikameras nicht unterscheiden lassen. Der Einsatz von Mini-Frontkameras an gleicher Stelle, etwa zur Erkennung von gefährlichen Verkehrssituationen, wird in den nächsten Jahren stark zunehmen und bietet eine hervorragende Tarnung.

Aus einem Objekt heraus

Ebenfalls nur sehr schwer oder gar nicht zu erkennen sind Überwachungen aus einem Objekt heraus, meist aus einer »konspirativen Wohnung« (KW). Hier gibt es vielfältige Möglichkeiten der Tarnung einer Kamera, durch Jalousien, Vorhänge/Gardinen, Pflanzen, Regale, Textilien und es ist zudem in Deutschland allgemein üblich, den Einblick von außen in die Wohnung zu behindern, so dass Sichtblenden aller Art zum normalen Straßenbild gehören. Darüber hinaus kommen viel mehr Positionen in Frage: Während auf der Straße meist nur rund 40 Fahrzeug-Parkplätze im idealen Entfernungsbereich zu beachten sind, gibt es im selben Bereich in einer normalen städtischen Straße mit Mietshäusern mehrere hundert Fenster. Schließlich kann für die Überwachung aus einer Wohnung heraus auch aus größeren Entfernungen von bis zu einigen hundert Metern gearbeitet werden, solange nicht Bäume etc. das Blickfeld stören.

In den meisten Fällen wird eine KW, wenn überhaupt, dann eher durch die Bewegung der Observationskräfte beim Betreten und Verlassen des Objekts zu erkennen sein.

Durch das Erkennen einer stationären A-Position hat man zwar einen deutlichen Hinweis auf eine Observation im Nahbereich, aber noch keine Informationen dazu, wer/was das Ziel ist. Die Observation kann auch einem benachbarten Hauseingang, einem Nachbarn oder einem geparkten Fahrzeug oder nur dem erwarteten Eintreffen einer Zielperson aus anderer Richtung gelten. Um Sicherheit darüber zu gewinnen, ob man selbst Zielperson ist, muss man sich bewegen und die Observanten ihrerseits zur Bewegung zwingen.

2. Bewegung

Bewegung mit dem Auto

Das Fahren im Auto zwingt die Observationskräfte, auch Fahrzeuge zu benutzen (die Verwendung von GPS-Peilgeräten hier einmal außen vor gelassen) und sich damit wiedererkennbar zu machen. Um eine Observation festzustellen, ohne dass die Observationskräfte dies bemerken, ist die Bewegung in einem Auto am besten geeignet. Dies zum einen, wiederum, aufgrund der stark eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten aller Beteiligten, weshalb weniger Variablen und schwer interpretierbare Bewegungen zu beachten sind; zum zweiten, weil man im Auto einen gewissen Sichtschutz genießt. Wer sich zu Fuß, auf einem Fahrrad oder Motorrad bewegt, ist als Person die ganze Zeit im Sichtfeld der Observierenden, und dies oft aus relativ geringer Entfernung. Sie werden also bemerken, ob man sich umschaut, Notizen macht, Selbstgespräche führt, eine ungewöhnliche Körpersprache an den Tag legt. Observationskräfte entwickeln ein Gespür für »normale« Körpersprache, da sie den ganzen Tag über Menschen beobachten, die sich unbeobachtet glauben.

Im Auto steht mit dem Rückspiegel ein sehr wertvolles Hilfsmittel zur Verfügung. Als Fußgänger oder Fahrradfahrer muss man, um Bewegungen im eigenen Rücken zu kontrollieren, Legenden finden, um stehen zu bleiben, sich umzuschauen, in Schaufensterscheiben zu blicken etc.; dies kann man nur wenige Male machen, ohne aufzufallen. Der Blick in den Rückspiegel ist dagegen im Straßenverkehr Routine. Er sollte allerdings denn-noch vorsichtig gehandhabt werden, da er für den dahinter fahrenden Observanten erkennbar sein kann. Normalerweise versucht man, den eigenen Blick zu fokussieren, weshalb beim Blick in den Innenspiegel des Autos der Kopf unwillkürlich leicht nach rechts oben gedreht wird. Diese Bewegung ist von hinten sichtbar und sollte möglichst nur dann gemacht werden, wenn sie mit der Verkehrslage übereinstimmt, bei Spurwechsel, Abbiegen, ansonsten sollte »aus dem Augenwinkel« gearbeitet werden, denn wie beschrieben, werden Augenbewegungen und Fokussierung von aufmerksamen Menschen sehr sensibel wahrgenommen. Empfehlenswert ist auch eine Sonnenbrille, da über den Spiegel unbeabsichtigt Augenkontakt mit dem Fahrer im Fahrzeug dahinter entstehen kann. Um bei Dunkelheit die Gesichter von Personen im Fahrzeug hinter einem erkennen zu können, nutzt man am besten den Stopp an einer Ampel – das Bremslicht des eigenen Autos reicht normalerweise als Beleuchtung der Insassen im Wagen dahinter aus. Ein Hinweis auf eine Observation kann es sein, wenn im Wagen hinter einem eine Person alleine ist, aber offensichtlich immer dann spricht (Lippenbewegungen!), wenn im Verkehr etwas passiert: Ampel schaltet, Wagen fährt los, setzt den Blinker, etc. Dabei darf nicht vergessen werden, dass Observationsfahrzeuge als »vorgesetzte Reihenobservation« auch neben und vor einem fahren können und dass es den Observationskräften durchaus willkommen sein kann, wenn sie nicht direkt hinter dem Zielfahrzeug fahren, sondern ein zufälliges normales Auto sich dazwischen befindet und das Fahrzeug in der A-Position abschirmt.

Sollte es notwendig sein, unbeobachtet kleinere Handlungen vorzunehmen, ist dies im Auto eher möglich als zu Fuß. Dabei sollte aber nicht vergessen werden, dass neben einem ein Observationsfahrzeug stehen könnte. Im Straßenverkehr ist es üblich, den Fahrzeugen rechts und links von einem bspw. beim Ampel-Halt keine Beachtung zu schenken, also kann ein prüfender Blick zur Seite auffallen. Prinzipiell wird der Handlungsspielraum erweitert, wenn man nicht allein im Fahrzeug ist – es steigt aber auch die Versuchung, über das Thema zu sprechen, obwohl manAbhörgeräte im Fahrzeug befürchten muss.

Bei einer Testfahrt sind Routen zu vermeiden, die lange geradeaus führen und/oder normale Durchgangsrouten für Transitverkehr bzw. Berufsverkehr sind, um ausschließen zu können, dass einen ein harmloses Auto zufällig über längere Zeit begleitet. Man sollte aber auch ständiges Abbiegen oder unmotiviertes Anhalten vermeiden, da es als »Schütteln« interpretiert werden könnte, was die Observanten warnt und sie dazu bringen könnte, die Observation an diesem Punkt abzubrechen – was wiederum dazu führen würde, dass man in der Folgezeit keine Observationskräfte sieht und fälschlich annimmt, keine Zielperson zu sein. Im Normalfall wird das observierende Fahrzeug in A-Position höchstens ein bis zwei Abbiegevorgänge mitmachen und dann abgelöst werden. Bei einer Observation durch große Einheiten mit bis zu zehn Fahrzeugen dauert es also eine ganze Weile, bis das erste Fahrzeug wieder an der Reihe ist, und bis dahin hat es möglicherweise auch sein Kennzeichen gewechselt. Es ist daher ungewiss, darauf zu hoffen, dass man ein und dasselbe Fahrzeug zweimal hinter sich hat, um eine Observation zu erkennnen.

Man kommt nicht umhin, sich mehrere Fahrzeuge zu merken und das Verkehrsbild an mehreren Stellen zu vergleichen. Dieser Vergleich findet in zwei Formen statt: Konkret anhand einzelner Autos und allgemein anhand des Verkehrsaufkommens. Geeignet sind dafür vor allem Straßen mit Durchgangsfunktion, aber geringem Normalverkehr, der durch die zahlreichen Observationskräfte spürbar verstärkt wird. Handelt es sich um isolierte Bereiche bspw. verkehrsberuhigte Zonen, Sackgassen, werden die Observationskräfte dies vielleicht rechtzeitig bemerken und nicht in voller Stärke in den Bereich hineinfahren. Um den Verkehr zu betrachten, hält man an oder wendet, beides sollte für die Observationskräfte überraschend kommen, aber bei näherer Betrachtung nicht unerklärlich bleiben: Zigaretten an einem Kiosk kaufen, einen Briefkasten benutzen, etwas in einen Mülleimer werfen, bzw. nach dem Wendemanöver eine Route fahren, die das Manöver logischer erscheinen lässt, etwa rechts abbiegen in eine Straße, in die es aus anderer Richtung keine Abbiegemöglichkeit gab. Wichtig ist dabei, dass auf der vorher gefahrenen Strecke keine spontanen Anhalte-, Ausweich- und Abbiegemöglichkeiten bestehen, die es den Observanten erlauben, am Straßenrand zu warten oder sich aus dem Sichtfeld zu verdrücken. Gut geeignet sind auch Autobahnausfahrten, die auf Kreuzungen mit verschiedenen Richtungsoptionen führen und die ObservantInnen zwingen, sofort nach zu kommen, statt auf der Standspur der Autobahn erst einmal abzuwarten, was weiter passsiert. Durch das Anhalten oder Wenden sollen alle Observanten dazu gebracht werden, am Zielfahrzeug vorbeizufahren. Man versucht dann folgende Fragen zu beantworten: Sind mir Kennzeichen bzw. Fahrzeuge schon früher aufgefallen? Entsprechen auffällig viele Fahrzeuge bzw. deren InsassInnen dem typischen Erscheinungsbild von Observationsfahrzeugen? Kann ich einige oder gar alle Fahrzeuge von der Liste der Verdächtigen streichen (siehe unten, Ausschlusskriterien)? Wirkte der Verkehr hinter mir dichter als sonst bzw. in den Minuten danach auf dieser Straße?

Diese Testfahrt sollte man möglichst in Gegenden und auf Routen durchführen, die man einigermaßen gut kennt, auch, um nicht von schwierigen Verkehrssituationen abgelenkt zu werden. Sie muss idealerweise mehr als einmal durchgeführt werden, denn es ist ja auch vorstellbar, dass die Observationskräfte das Zielfahrzeug kurz zuvor verloren oder die Observation aus anderen Gründen abgebrochen haben.

Bewegung mit dem Fahrrad

Im Prinzip lässt sich all das auch mit einem Fahrrad machen. Das Fahrrad hat wie oben erwähnt den erheblichen Nachteil, dass normalerweise kein Rückspiegel zur Verfügung steht; außerdem können Beobachtungen nur sehr schwer unbemerkt aufgeschrieben oder anderweitig festgehalten werden. Dafür ist das Fahrrad in seiner Bewegung im Verkehr das flexibelste Fortbewegungsmittel, man kann einfach anhalten, wenden, auf der selben Straßenseite auf dem Bürgersteig zurückfahren etc.; auch das Tempo und Fahrverhalten der Observationskräfte kann man auf dem Fahrrad mitbestimmen: Fährt man regelkonform und hält an roten Ampeln, zwingt man sie durch die eigene Langsamkeit zu häufigeren Überhol- oder Anhaltemanövern, während man durch das bekanntlich weit verbreitete und daher nicht unbedingt auffällige Überfahren roter Ampeln näher an das Durchschnittstempo des Autoverkehrs heranrückt und somit eine flüssigere Observation durch Autos ermöglicht. Beim Fahrradfahren empfiehlt sich der Halt an roten Ampeln auch, weil dies ein Umschauen auf den folgenden Verkehr inkl. andere Radfahrer erlaubt – besonders gut geeignet ist dabei das Abbiegen nach links unter Verwendung der Fußgängerampel.

Ein Vorteil des Fahrrades ist auch die etwas erhöhte Sitzposition, die einen besseren Überblick über den Gesamtverkehr erlaubt als aus einem Auto heraus.

Bewegung zu Fuß

Wer zu Fuß unterwegs ist, hat vor allem mit dem Problem zu kämpfen, dass es im normalen Fußgängerverkehr absolut unüblich ist, stehen zu bleiben und hinter sich zu schauen. Ein solches Verhalten ist für alle Observierenden ein sofortiges Alarmsignal. Man braucht also Legenden, die den Blick nach hinten erklären. Eine Möglichkeit ist ein Telefonat mit dem Mobiltelefon, bei dem man stehen bleiben, hin- und hergehen und auch in andere Richtungen schauen kann.

Aber Vorsicht: Ob jemand nur so tut als ob er/sie telefonierte, kann anhand der TKÜ später überprüft werden. Außerdem kennen Observanten diesen Trick, weil sie ihn selbst ständig anwenden.

Andere bekannte Mittel wie die Spiegelung einer Schaufensterscheibe zu nutzen oder sich zu bücken, um die Schuhe zuzubinden, erlauben nur sehr kurze Momentaufnahmen und haben eigentlich nur Sinn, wenn man bereits einen konkreten Verdacht bzw. eine Person im Visier hat, die man genauer betrachten will. Hier kann es sogar sinnvoller sein, einfach nur zu verlangsamen oder anzuhalten, um die Person zum Überholen zu zwingen und sie dann wenigstens von hinten genauer anschauen zu können: Auffälliges Verhalten, Nervosität, Ohrhörer, typische Observanten-Erscheinung? Das Betreten eines Objektes, bspw. eines Geschäfts, bringt nicht unbedingt etwas. Erstens muss man damit rechnen, unmittelbar verfolgt zu werden, kann also nicht einfach hinter der Scheibe stehen bleiben und Ausschau halten, da das auffallen würde. Zweitens begibt man sich in weitere Handlungszwänge, mit denen man sich jetzt befassen muss: Kaufe ich etwas, wohin wende ich mich, welche Produkte interessieren mich, muss ich mit Verkäufern sprechen, etc. – all das lenkt ab vom Ziel, Observationskräfte zu erkennen. Oft wird man keine Legende zum Stehenbleiben finden, dann bleibt nicht viel anderes übrig als tatsächlich zurück zu gehen nach dem Motto »Oh, ich habe etwas vergessen« oder »Was, schon so spät, da muss ich aber schnell…« Das kann selbstverständlich nur ein, höchstens zweimal gemacht werden, ohne Verdacht zu erregen.

Wer zu Fuß ist, wird Observationskräfte am ehesten erkennen können auf nächtlichen bzw. frühmorgendlichen menschenleeren Straßen oder tagsüber in ruhigen Gegenden wie Seitenstraßen oder Parkanlagen. Nachts müssen die Observierenden zu Fuß relativ dicht folgen, um die ZP nicht aus den Augen zu verlieren. Tagsüber werden sie eher auf Abstand bleiben oder gar von vornherein die andere Straßenseite benutzen. Wenn die ZP in einem Park spazieren geht und sich bspw. nach bellenden Hunden umdreht, wird sie möglicherweise sehen, wie sportliche Männer anstatt zu joggen plötzlich Deckung hinter Büschen suchen…

Typische verräterische Fehler von Observanten sind das unwillkürliche Reagieren auf Funksprüche bzw. auf Handlungen der ZP. Dazu gehört bspw. die Bewegung der Hand zum Ohr, um besser zu hören oder zum Mikrofon beim Sprechen; der plötzliche Wechsel der Blick- und/oder Bewegungsrichtung; eine sichtbare Diskrepanz zwischen Handlung und Blickrichtung, sich also beim Überqueren einer Straße nicht auf den Verkehr, sondern auf ein entfernteres Ziel zu konzentrieren, eine unangepasste Körpersprache wie müßiges Herumstehen, aber gleichzeitig Aufmerksamkeit zeigen; direkte Reaktion auf die ZP, bspw. mit dem Blick und damit verbundener Kopfbewegung der ZP zu folgen; unlogische Verhaltensweisen wie die Hand vor den Mund halten, plötzlich hinter einen Baum treten, erst sehr schnell und dann auf einmal ganz langsam gehen, »Zufallsgespräche« mit anderen Passanten ohne vorherige Begrüßung… Manche dieser Verhaltensweisen sind übrigens auch bei Personen mit kriminellen Absichten wie etwa Drogendealern oder Taschendieben zu beobachten. Selbstverständlich wird bei Schulungen auf diese klassischen Fehler hingewiesen, aber begangen werden sie dennoch.

Allgemein gilt…

Für alle Bewegungen im öffentlichen Raum gilt: Wer sich »defensiv«, also mit moderater Geschwindigkeit und unter Einhaltung der Verkehrsregeln fortbewegt, kann mehr beobachten. Dies gilt besonders für Fahrräder und Motorräder, bei denen besonders viel Konzentration auf den Verkehr zur Vermeidung von Unfällen erforderlich ist.

Das hier beschriebene Vorgehen stellt hohe Anforderungen an Erinnerungsvermögen, Beobachtungs- und Auffassungsgabe. Genaue Beobachtung und deren exakte Wiedergabe ist sowohl für Observation als auch für Gegenobservation von allergrößter Wichtigkeit. Ungenaue Beobachtung, deren ungenaue Erinnerung und noch ungenauere Wiedergabe sind aber leider der Normalfall selbst bei Menschen mit viel Lebenserfahrung und Sensibilität für das Thema. Wer polizeiliche Observationsprotokolle liest, wird im ersten Moment vielleicht verwundert sein über die teilweise umständlichen, detailreichen und sich wiederholenden Beschreibungen. Diese erfüllen aber durchaus ihren Zweck, das Beobachtete auch für andere nachvollziehbar zu machen.

Die Gefahr, dass die Observanten erkennen, was vor sich geht oder zumindest ein verdächtiges Manöver vermuten, ist relativ groß. Man sollte solch ein selbstständiges Gegenobservieren daher nur dann versuchen, wenn man die Folgen eines »Verbrennens« für kalkulierbar und nicht allzu schlimm hält. Wer hingegen ganz sicher sein will, dass etwaige Observationskräfte sich als Herren der Lage fühlen und sich nicht verbrannt wähnen, sollte so etwas nicht probieren und stattdessen auf die Hilfe anderer Personen zurückgreifen.

3. Technische Mittel

Das Erkennen technischer Observationsmittel wurde schon im ersten Abschnitt des Kapitels angeschnitten (Video-Fahrzeuge), ein Überblick über »Technische Mittel« findet sich im vorhergehenden Kapitel.

Eine TKÜ ist nicht von selbst zu erkennen, das berühmte »Knacken in der Telefonleitung« gehört der Vergangenheit an. Es gibt hin und wieder technische oder administrative Fehler, die zur Aufdeckung von TKÜ führen, bspw. kam es vor, dass Weiterleitungen zur Polizei versehentlich auf der Telefonrechnung einer Zielperson aufgeführt wurden. Faktisch gibt es nur eine indirekte Methode, eine TKÜ zu erkennen: Wer als Zielperson einer Observation erkannt wurde, ist mit Sicherheit auch Ziel einer TKÜ.

Hochentwickelte Überwachungstechnik wie bspw. Wanzen und Videokameras ist in der Theorie entweder optisch durch Absuche oder technisch anhand der ausgestrahlten Signale zu entdecken. In der Praxis ist beides mit erheblichem Aufwand verbunden und für die allermeisten Betroffenen nicht wirklich umzusetzen – ganz abgesehen von passiven High-Tech-Methoden wie dem Auffangen »kompromittierender Abstrahlung« von Computern, Laser-Abtastung von Fensterscheiben, »Körperschall«-Auswertung von Wand- und Heizkörperschwingungen etc., »Überkopplung« von Leitungen und so weiter, die nicht aktiv zu detektieren, sondern nur zu unterbinden sind.

Wanzensuche

Bei der Absuche ergibt sich das Problem, dass die Überwachungstechnik wie bei Videokameras entweder außerhalb der eigenen Zugriffsmöglichkeiten liegt oder aber sehr klein und gut getarnt ist wie bei Wanzen. Die räumlichen Möglichkeiten für Verstecke sind sehr vielfältig, insbesondere bei Wanzen mit autarker Stromversorgung. Steckdosen, Lichtschalter, Telefone und andere Objekte mit direkter Stromversorgung als »klassische« Verstecke für Wanzen ohne eigene Batterie sind zwar relativ schnell überprüfbar, doch bereits hier ergeben sich die ersten Probleme bei modernen elektronischen Geräte, deren innere Bauteile meist schlecht zugänglich sind und oft nicht so genau bekannt sind, dass man manipulierte bzw. fremde Teile selbst sicher erkennen könnte. Um so schwieriger ist es bei Wanzen mit autarker Stromversorgung. Schon oft haben Leute elektronische Kleingeräte oder Bauteile bei sich gefunden, die sie für Wanzen hielten, die sich aber später als harmlos erwiesen. Darüber hinaus ist normalerweise nicht genau bekannt, worauf die Überwachung abzielt, wann sie begonnen hat und wie lange sie dauern soll. Und selbst bei einer sehr gründlichen Absuche wird man am Ende nicht sicher sein können, wirklich jeden möglichen Ort überprüft zu haben, und sich sicherheitshalber doch so verhalten, als ob die Wohnung abgehört würde.

Nicht viel besser sieht es mit den abgestrahlten Signalen aus. Wanzen, die sich mit normalen »Frequenzzählern« und davon abgeleiteten Geräten, wie sie im Internet vielfach angeboten werden, sicher finden lassen, sind auf dem technischen Stand der 1980er Jahre, stammen also vielleicht vom übelwollenden Nachbarn, aber nicht von staatlichen Sicherheitsbehörden. Zumindest in Großstädten gibt es rund um die Uhr ein breites Spektrum von elektromagnetische Signalen, die nicht ohne weiteres zu identifizieren, geschweige denn inhaltlich auszuwerten sind. Die meisten sind in irgendeiner Weise codiert oder verschlüsselt. Darüber hinaus gibt es verschiedene technische Möglichkeiten der Signaltarnung, von »Spread-Spectrum«-Technik bis zur Übertragung in kurzen Signalimpulsen. Um einschätzen zu können, mit welchem technischen Standard man konfrontiert sein könnte und wie dieser technisch zu erkennen ist, ist Expertenwissen und -ausrüstung nötig. Allein die technische Ausstattung zur professionellen Wanzensuche kostet einige tausend Euro und erfordert zur sinnvollen Nutzung Fachkenntnisse, die normalerweise nur bei Sicherheitsbehörden oder -unternehmen vorhanden sind.

Mobiltelefone

Im Prinzip ist »verräterische« Strahlung nur im Bereich der Mobiltelefonie ein möglicher Abwehrpunkt für Betroffene. Ein manipuliertes Mobiltelefon oder ein GPS-Peilsender werden in den allermeisten Fällen ihre Signale in gewissen Abständen über das normale GSM-Mobilfunknetz versenden, genauso werden verdeckte »Pings« auf ein Handy selbstverständlich auch über dieses Netz geschickt. Die gute Nachricht ist, dass das die häufigsten Methoden im Observationsalltag sind.

Es gibt im Handel verschiedene Mobilfunkdetektoren, von einfachen Schlüsselanhängern für zwei Euro bis hin zu kleinen Scannern für ein paar hundert Euro. Damit kann Sendeaktivität im Dualband, also dem D- und E-Netz im Nahbereich festgestellt werden. Ein Handy im Nahbereich von maximal ca. 1 m eines Lautsprechers produziert dort Störgeräusche, wenn es aktiv wird – die billigste Form des Detektors. Allerdings gibt es gerade in diesem Netz rund um die Uhr zahlreiche Aktivitäten, deren Ursprung und Anlass selten klar zu identifizieren sind – sie können vom eigenen Handy, dem in der Nachbarwohnung oder einer weiter entfernten, starken Sendequelle stammen. Selbst wenn sich regelmäßige Muster verfolgen lassen, ist daraus noch nicht mit hinreichender Sicherheit abzulesen, ob es sich um automatisierte »Ping«-Abfragen oder Signale im Rahmen »normaler« Aktivitäten des Mobilfunknetzes handelt. Jedes eingeschaltete Mobiltelefon sendet bspw. als »Periodic Location Update« (PLU) regelmäßig ein Lebenszeichen an die Basisstation, wobei die Abstände aber von Provider zu Provider unterschiedlich sind und immer mal wieder geändert werden. 2010 betrug der Rhythmus bei Vodafone eine Stunde, bei o2 vier Stunden, bei D1-Telekom sechs Stunden. Dabei entstehen keine Verbindungsdaten im eigentlichen Sinne, da diese Aktivität nicht wie ein Telefonat oder eine SMS gespeichert wird – auch wenn das bei einer gezielten Überwachung möglicherweise technisch machbar wäre.

Nur unter bestimmten Bedingungen lassen sich klare Aussagen treffen, am besten außerhalb der Großstadt, dort gibt es weniger Strahlungsquellen. Im Umkreis von wenigstens zwanzig Metern sollte sich kein fremdes Mobiltelefon befinden. Das Überwachungsgerät muss dort dazu veranlasst werden, seinem Zweck entsprechend aktiv zu werden, also bspw. Geräusche aufzuzeichnen oder Bewegungen zu registrieren. Dann wird nach einer gewissen Zeit Sendeaktivität im GSM-Bereich einsetzen, die sich feststellen lässt. Solange nicht bekannt ist, in welchen Intervallen die Aussendung erfolgt, solllte der Test mehrere Stunden lang durchgeführt werden. Nicht zu vergessen ist, dass ein aufwändig fest eingebautes Gerät auch ferngesteuert an- und abgeschaltet werden kann, möglicherweise also zum Zeitpunkt des Tests aus welchem Grund auch immer inaktiv war.

GPS-Peiler

Wer bereits eine Observation erkannt hat, kann durch einen praktischen Test feststellen, ob das eigene Auto mit einem GPS-Peiler ausgestattet ist, vorausgesetzt die Observation läuft nicht rund um die Uhr: Man wartet ab, bis die Observanten Feierabend gemacht haben, bzw. sucht sich eine Zeit, zu der sie vermutlich nicht da sein werden, bspw. den ganz frühen Morgen, und fährt dann – natürlich ohne ein Handy mitzunehmen – in eine völlig andere Gegend, in der sie keinen Anlass haben einen zu suchen und wartet dort längere Zeit. Wenn sie in den folgenden Stunden dennoch dort auftauchen, haben sie das Auto angepeilt. Wenn sie nicht auftauchen, ist man allerdings so schlau wie zuvor, denn es kann verschiedenste Gründe dafür geben.

4. Gegenobservation

Durch Personen des Vertrauens lässt sich eine Gegenobservation organisieren. Dazu werden mindestens zwei Personen benötigt, bei denen davon auszugehen ist, dass sie nicht selbst Zielpersonen sind. Wenn sie zum sozialen Umfeld der Zielperson gehören, müssen sie aber damit rechnen, als Kontaktpersonen in der »Lichtbildmappe« enthalten zu sein, die den Observationskräften zur Verfügung steht; sie sollten also darauf achten, nicht ins Blickfeld der ObservantInnen zu geraten. Sollte die Möglichkeit, dass die Gegenobservanten auch Zielpersonen sind, nicht auszuschließen sein, muss der ganze Vorgang noch genauer geplant und der Aufenthalt der betreffenden Personen an den betreffenden Örtlichkeiten legendiert werden, bspw. als Verabredung mit Dritten in einem Café oder als Einkaufsbummel. Manchmal kann es sinnvoll sein, wenn die Gegenobservation von Personen durchgeführt wird, die die vermutete Zielperson gar nicht persönlich kennen.

Die Gegenobservanten benötigen nicht mehr als Stift, Papier und eine gute Beobachtungsgabe. Besonders günstig ist es, wenn sie Automarken und -modelle gut unterscheiden können.

Es kann unter Umständen hilfreich sein, ein anderes Verkehrsmittel zu benutzen als die Zielperson, vor allem wenn die Gegenobservation in einem kleinen, übersichtlichen Bereich stattfindet, da erfahrungsgemäß die Konzentration der Observationskräfte beeinflusst wird durch den Charakter des Zielfahrzeugs und die Aufmerksamkeit für andere Verkehrsmittel dabei nachlässt. Allgemein gilt: Wer Auto fährt, achtet vorwiegend auf andere Autos, wer zu Fuß geht, schaut mehr auf Personen. Das heißt konkret, wenn die Zielperson bspw. Fahrrad fährt, sollten die GegenobservantInnen während ihrer Tätigkeit besser nicht mit dem Fahrrad unterwegs sein.

Es wird eine Route festgelegt, die die (vermeintliche) Zielperson zu einer bestimmten Zeit mit einem Fahrzeug zurückzulegen hat. Das kann auch ein Fahrrad sein, denn auch in diesem Fall werden die Observationskräfte ihre Autos benutzen. Es versteht sich, dass die Route einigermaßen in das typische Bewegungsbild der Zielperson passen muss, um nicht aufzufallen. Sie muss weder besonders lang noch besonders kompliziert sein, am besten ist es ein alltäglicher Weg, den die Zielperson schon früher gefahren ist. Er sollte lediglich folgende Bedingungen erfüllen: Die Route soll das Zusammentreffen mit zufällig in gleicher Richtung fahrenden Fahrzeugen vermeiden, daher sollte sie nicht während des Berufsverkehrs gefahren werden und nicht innerhalb eines kleineren Stadtquartiers verbleiben, außerdem sollte sie durch zwei verkehrsmäßig deutlich unterscheidbare Gebiete führen, bspw. einen Fluss oder eine Hauptverkehrsstraße überqueren. Sie sollte nicht völlig eindeutig ein bestimmtes Ziel ansteuern und wenig Gelegenheiten für Abkürzungen und Parallelfahrten bieten, um sicher zu stellen, dass die Observationsfahrzeuge auch wirklich dieselbe Route wie die Zielperson nehmen und nicht etwa vorziehen zum vermuteten Zielort oder sich unterwegs verteilen. Idealerweise sollte sie nicht in stark observationsbelasteten Gebieten stattfinden, d. h. nicht an Kriminalitätsschwerpunkten oder in Straßen, in denen viele mögliche Zielpersonen wohnen, um Verwechslungen mit anderen laufenden Observationen auszuschließen. Es gab schon die unglaublichsten Zufälle von sich gleichzeitig bewegenden Zielpersonen verschiedener Behörden im selben Bereich, wo selbst die Observationskräfte nicht mehr wussten, woran sie waren. Schließlich sollte es sich nicht um eine mehrspurige Straße handeln, damit die Gegenobservanten nicht den Überblick verlieren. Die Zielperson fährt diese Route pünktlich zur vereinbarten Zeit in aller Ruhe und ohne irgendwelche Handlungen, die Verdacht erwecken könnten. Die Pünktlichkeit ist vor allem dann sehr wichtig, wenn die Gegenobservanten das Aussehen der vermuteten Zielperson nicht genau kennen oder sie sie aus anderen Gründen nicht direkt beim Vorbeifahren sehen können – sie müssen sich dann auf den Zeitplan minutengenau verlassen können!

Die Beobachtungspositionen der Gegenobservanten liegen möglichst nicht allzu weit auseinander, um hinterher einen schnellen Informationsaustausch zu gewährleisten, also ca. 1-2 km. Die Gegenobservanten sollten sich schon etwas früher am Beobachtungspunkt befinden, um einen Eindruck vom dortigen Verkehr zu bekommen und bereits jetzt etwaige auffällige Fahrzeuge wahrzunehmen, die nicht zur Observation gehören. Wenn die Zielperson den Beobachtungspunkt passiert, notieren die Gegenobservanten die Fahrzeuge hinter der Zielperson mit Uhrzeit, Modell, Farbe und Kennzeichen, wobei das korrekt abgelesene Kennzeichen das wichtigste Kriterium ist. Sie haben dabei folgende Möglichkeiten zu beachten: Bei einer klassischen Observation, die nach Plan läuft, wird mindestens ein Fahrzeug dicht hinter der Zielperson fahren, während die anderen relativ zügig in gewissem Abstand folgen. In diesem Fall sind nach ein bis zwei Minuten alle Observationsfahrzeuge am Beobachtungspunkt vorbeigekommen – es kann ein, zwei Nachzügler geben, die den Anschluss verloren haben. Sollte hingegen die A-Position den Kontakt zum Zielfahrzeug verloren haben, werden relativ kurz nach der Zielperson, aber ohne Sichtkontakt, ein oder mehrere Fahrzeuge mit auffällig hoher Geschwindigkeit folgen. Die dritte Möglichkeit ist eine mit Peilsender unterstützte Observation. In diesem Fall wird von den Observanten meist »locker« auf Sicht gefahren bzw. »lange Leine« gelassen und ein kurzzeitiges Abreißen des Sichtkontaktes in Kauf genommen. Die Observationsfahrzeuge werden also erst mit Abstand von einigen Sekunden bis zu ein paar Minuten folgen. In jedem Fall kann nach spätestens fünf Minuten die Gegenobservation beendet werden. Fünf Minuten sind im Straßenverkehr eine relativ lange Zeitspanne!

Sollte es tatsächlich eine Observation gegeben haben, ist es sehr wahrscheinlich, dass sie zumindest an einem der Beobachtungspunkte unmittelbar erkannt wurde. Wenn nicht, hilft der Vergleich der notierten Fahrzeuge. Es versteht sich, dass ungenaue Angaben wie »schwarzer Kleinwagen, Berliner Kennzeichen« und »dunkler Fiat, hinten mit – C 345« nicht sinnvoll vergleichbar sind, Genauigkeit also Grundbedingung für den Erfolg ist. Sollten Unsicherheiten zurückbleiben, kann es hilfreich sein, dieselben Beobachtungspunkte am folgenden Tag noch einmal zu besetzen, ohne dass die Zielperson die Route fährt. Auf diese Weise können Zufallsbeobachtungen überprüft und zu Unrecht verdächtigte Fahrzeuge ausgesiebt werden.

Durch so eine Gegenobservation lässt sich selbstverständlich nur eine Aussage über den aktuellen Moment treffen – die Observation kann auch zufällig eine Stunde vorher für diesen Tag beendet worden sein, oder sie beginnt erst eine Stunde später. Insofern ist nur ein positiver Befund wirklich aussagekräftig und verwertbar als Ausgangspunkt für weitergehende Maßnahmen, also bspw. die Absuche des Wohnumfelds nach getarnten Beobachtungspositionen, Absuche von Auto und Wohnung nach Abhöreinrichtungen.

Noch eine Anmerkung: In einem im Mai 2011 veröffentlichten kurzen Text aus Bremen mit dem Titel »Wenn dir bei Tag und Nacht ein Schatten folgt« – der ansonsten lesenwert ist – werden einige Tipps zur Gegenobservation gegeben, denen zu widersprechen ist.

So wird empfohlen, die gewählte Route solle »verschiedene Verkehrssituationen« enthalten, »z. B. unbelebte Straßen, belebte Straßen, einige Stationen mit der Straßenbahn, Kaufhaus oder so was in der Art«, denn dies zwinge »mögliche Verfolger sich immer wieder umzugruppieren«, wodurch sie leichter wahrnehmbar seien. Von einem solchen Vorgehen ist unbedingt abzuraten! In der Praxis sind die Observationskräfte sehr viel erfahrener im raschen »Umgruppieren« als die sie Beobachtenden darin, so etwas zu erkennen. Je mehr Details und verschieden interpretierbare Ereignisse beobachtet und ausgewertet werden müssen, desto eher werden die Gegenobservanten überfordert sein und durcheinander kommen. Je weniger Ereignisse und wechselnde Situationen zu überwachen sind, desto einfacher und zuverlässiger ist die spätere Auswertung.

Empfohlen werden auch »unregelmäßige Stopps an geeigneten Plätzen (»check points«), an denen ihr mindestens 15 bis 20 Minuten verbleibt und eurerseits beobachtet.« Wer nicht bereits ein außergewöhnliches gutes Auge für Observationskräfte hat, wird bei einem so langen Aufenthalt mit großer Wahrscheinlichkeit gar nichts wahrnehmen, da die Observanten sich in sicherer Entfernung im Umkreis aufstellen und abwarten, was weiter passiert – höchstens ab und zu wird ein Wagen aus Neugier vorbeifahren, aber man sollte nicht darauf rechnen, dass derselbe mehrmals erscheint.

5. Ausschlusskriterien

Von großer Bedeutung sind Merkmale, die Fahrzeuge, Personen oder Objekte als nicht relevant für Observationen auszeichnen. Dieser Negativ-Katalog wird von den meisten vernachlässigt, die sich mit Observationen beschäftigen, hilft aber bei genauer Beachtung sehr dabei, nicht den Überblick zu verlieren.

Für Observationsfahrzeuge im bewegten Einsatz, also nicht die getarnten Video-Wagen, gilt: Da diese im allgemeinen relativ neue, gepflegte, viertürige, PS-starke Modelle ohne besondere Auffälligkeiten sind, lassen sich diverse Ausschlusskriterien beschreiben. Auszuschließen sind Fahrzeuge, die älter als 20 Jahre sind. Das betrifft im Jahr 2011 bspw. Audi 80/100, BMW 3er/5er der zweiten Bauserie, Mercedes 124er-Serie, Ford Escort/Sierra, Opel Kadett/Ascona/Rekord, VW Golf und Passat der Serien I und II, Trabant. Das gilt umso mehr, da gut ausgestattete Observationseinheiten zunehmend Fahrzeuge leasen, was wegen einem häufigeren Wechsel der Autos der Tarnung nützt, aber alte Modelle noch seltener macht. Sondermodelle wie Cabriolets und Hardtops, Pickups, Zweisitzer scheiden aus. Geschlossene Kastenwagen und Transporter mit rundum geschlossenem Laderaum werden ebenfalls nicht verwendet, ebenso wenig seltene bzw. sehr teure Marken wie Porsche, Jaguar, Ferrari und exotische Importmarken.

Ausschlusskriterien im Erscheinungsbild sind Rost, ältere Unfallschäden, ungepflegter Gesamteindruck, Tuning, Tieferlegung, Spoiler, Niederquerschnittreifen, Sonderfelgen, besondere Lackierungen, Bemalungen, Aufschriften auf Lack oder Scheiben, gewerbliche Nutzung, also Aufschriften mit Telefonnummer (hier gibt es neuerdings seltene Ausnahmen), unveränderliche Ausstattungen wie feste Ein- oder Ausbauten, die eine Obs-Nutzung behindern, bspw. fehlende Sitze, lackierte Fenster, Werbeanbringungen; dauerhafte private Ausgestaltung des Innenraums wie besondere Sitzbezüge, fest angebrachte Beschriftungen oder Accessoires, ein ungepflegter/verschmutzter Innenraum, deutliche Beschädigungen im Innenraum; stark verbeulte/verschmutzte Kennzeichen, abgelaufene TÜV-Plakette, auffällige Kennzeichen-Kombinationen wie vier gleiche Zahlen. Einzelne seltene Ausnahmen sind möglich, so verwendet das BKA-MEK hin und wieder »sportliche« Fahrzeugversionen mit Sonderfelgen und farbige Sitzbezüge kommen in Einzelfällen vor.

Ausschlusskriterien für die Autoinsassen sind: Kinder und Jugendliche, Senioren über 65 Jahre, Migranten – deren Anteil bei Obs-Trupps liegt nahe bei Null, sehr dicke Menschen, vor allem übergewichtige Frauen, auffällig stark geschminkte Frauen, sehr fein und teuer »overdressed« gekleidete Personen, ein kulturell von der deutschen Norm stark abweichendes Aussehen, bspw. Rauschebart, Turban, Gesichtstätowierung, Sonnenbrille in Herzchenform, lila Perücke, fast immer auch Kopftuch.

Verhalten als Zielperson und Abwehrmöglichkeiten

Umgang mit der Observation

Für »Laien« ist es schwer, angemessene Antworten und Reaktionen auf festgestellte Observationen zu entwickeln, ohne dass die Observationskräfte diese bemerken und sich darauf einstellen können. Der klassische Fehler ist es, beim Erkennen einer Observation zu versuchen, die Observanten sofort »abzuschütteln«: Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit wird dies nicht gelingen, mindestens aber von den Observanten erkannt werden.

Die allererste Grundregel lautet daher, beim Erkennen einer Observation auf keinen Fall eine sofortige Reaktion zu zeigen – es sei denn, es droht unmittelbare Gefahr. Das ist nicht so leicht, wie es klingt. Denn, wenn man nicht weiß, wie lange die Observation bereits dauert und über welche Informationen die Observationskräfte verfügen, kann man auch nicht wissen, welche Verhaltensweisen sie als normal oder im Gegenteil als auffällig betrachten. Das Bemerken einer Observation löst aber bei der Zielperson unmittelbar Bedrohungsgefühle und starken Handlungsdruck aus, die nur schwer zu unterdrücken sind. Ein unmittelbares Reagieren liefert den Observationskräften indessen möglicherweise wichtige Hinweise: Zum einen dafür, wie es zum Erkennen der Observation kam. Zum Beispiel: Die Zielperson hat ein Telefonat und fängt direkt danach an, sich auffällig zu verhalten – also wurde sie vielleicht telefonisch gewarnt – also ist der Gesprächspartner am Telefon für die Observanten ab sofort eine »relevante« Person; zum anderen dafür, was für Handlungen, Objekte und Personen die Zielperson für »relevant« hält. Zum Beispiel: Die Zielperson hatte öfters zu jemandem Kontakt und bricht diesen plötzlich ohne nachvollziehbaren Grund ab, wobei sie nun erkennbar aufmerksamer als vorher ist dadurch wird diese »Kontaktperson« interessanter für die observierende Behörde.

Erste Maßnahmen

Wer eine Observation erkennt und nicht gerade unterwegs zu einer verbotenen Handlung ist, kann in den allermeisten Fällen davon ausgehen, dass nicht mit einer unmittelbaren Festnahme zu rechnen ist, sondern genug Zeit bleibt, um nachzudenken, sich mit anderen zu beraten und Schlüsse zu ziehen. Mit großer Wahrscheinlichkeit müsssen die ersten, spontan und emotional entstandenen Überlegungen bei genauerer Betrachtung und beim Zusammentragen weiterer Informationen korrigiert werden, und nicht selten wird sich herausstellen, dass manche Reaktionen, die zu Anfang sinnvoll und zwingend erschienen, unsinnig oder sogar genau die falschen gewesen wären.

Daher ist es sehr wichtig, eine Gefährdungsanalyse mit kühlem Kopf, objektiv und ohne Vorurteile durchzuführen, wozu man oft allein nicht in der Lage ist. Das heißt aber nicht, sich mit beliebig vielen Menschen zu besprechen, denn dadurch entstehen im eigenen sozialen Umfeld Gerüchte und Spekulationen, die letztlich mehr Schaden als Nutzen anrichten: Die Gegenseite kann darüber unerwünschte Informationen gewinnen, und man kann selbst in gefährliche Handlungs- und Erklärungszwänge gegenüber Dritten geraten. Sinnvoll ist es, sich mit einigen wenigen ausgesuchten Personen des Vertrauens zu besprechen und diesen Kreis bei Bedarf auch über einen längeren Zeitraum beizubehalten. Als Zielperson ist man emotional beteiligt und wird manches nicht so objektiv beurteilen wie Dritte. Zu einer gründlichen Gefährdungsanalyse gehören folgende Punkte: Was könnte der Grund für die Observation sein? Was kann die Zielperson in der jüngeren Vergangenheit interessant gemacht haben für die Sicherheitsbehörden – sei es durch eigene Handlungen, sei es durch Kontakte zu »relevanten« Personen? Dabei darf nicht übersehen werden, dass die Behörden oft völlig falsch liegen mit ihrem Verdacht oder zumindest falsche Schlüsse aufgrund fehlerhafter Informationen ziehen, was die Analyse ihres Vorgehens erschwert. Welches Bild haben Ermittlungsbehörden von der Zielperson? Dieses Bild richtet sich nach Aktenlagen und Erkenntnissen und weicht möglicherweise stark von der Realität ab, wie die Zielperson selbst sie sieht! Wann hat die Observation vermutlich begonnen? Welche Informationen können die Observationskräfte bereits gewonnen haben, unter Einbeziehung der Annahme, dass eine Telefonüberwachung bereits deutlich vorher begonnen hat? Wo besteht objektiv unmittelbarer Handlungsbedarf, bspw. um Schaden für andere abzuwenden? Welche Kontaktpersonen sind möglicherweise. gefährdet? Welche Kontakte zu welchen Personen sollten abgebrochen, ausgedünnt, legendiert oder im Gegenteil unverändert belassen werden? Mit welchen Personen ist die Zielperson in den vergangenen Jahren durch gemeinsame Festnahmen, Ermittlungsverfahren, Meldeanschriften etc. aktenkundig geworden, sodass diese als mögliche Mitbetroffene in Betracht zu ziehen sind?

(Gegen)Auswertung

Sinnvoll ist es weiterhin, die bekannten Informationen und Beobachtungen zu strukturieren und schriftlich festzuhalten, wobei diese Aufzeichnungen selbstverständlich sicher aufzubewahren sind, d. h. verschlüsselt und/oder nicht im Haus der Zielperson oder bei deren wichtigsten bekannten Kontaktpersonen: Beim Erlass von Durchsuchungsbeschlüssen wird stets berücksichtigt, ob es andere bekannte Aufenthalts- oder Verwahrungsorte der Zielperson gibt, an denen eine Durchsuchung sich lohnen könnte, etwa die Wohnanschrift eines Beziehungspartners oder der Eltern. Je genauer man sich mit der Situation befassst, desto wichtiger werden Details, die beim ersten Mal unwichtig erschienen – nicht umsonst legen Kriminalisten eine »Ermittlungsakte« an, die oft kleinste und scheinbar unbedeutende Nebensächlichkeiten genau beschreibt. So ist es bspw. wichtig, genaue Datumsangaben und Uhrzeiten festzuhalten, um Bewegungen der vermuteten Zielperson und der beobachteten Observationskräfte sinnvoll vergleichen zu können. Allzu oft kommt es vor, dass Angaben wie »ich glaube, es war Donnerstag oder Freitag im Laufe des Tages« und »es war mittags, und es war nicht am Mittwoch« sich gegenüberstehen, was so gut wie nicht verwertbar ist. Ebenso wichtig ist die genaue Beschreibung von ObservantInnen. Wenn beim ersten Mal »ein schwarzer Mittelklassewagen fuhr dauernd hinter mir« ausreichend ist, genügt das schon einen Tag später nicht mehr, wenn zu klären ist, ob derselbe Wagen ein zweites Mal aufgefallen ist: Dann werden genaue und richtige(!) Angaben zu Modell, Farbe und Kennzeichen benötigt. Auch das ist in der Praxis schwieriger, als es klingt, muss aber wegen seiner Wichtigkeit noch einmal betont werden: Autos sind zentraler Bestandteil jeder Observationstätigkeit und gleichzeitig ein guter Angriffspunkt, da sie sich genau anhand von Marke, Modell, Farbe und amtlichem Kennzeichen beschreiben lassen und aufgrund der Verkehrsregeln einen eingeschränkten Bewegungsspielraum haben.

Sehr zu empfehlen ist das zeitnahe, unbeobachtete Notieren von Beobachtungen, da dem Kurzzeitgedächtnis gerade in den alltäglichen Bewegungen auf der Straße oft wichtige Details rasch wieder verloren gehen.

Ideal ist das versteckte Fotografieren von Observationskräften, was aber nur in den allerwenigsten Fällen gelingen wird, ohne die eigene Sicherheit erheblich zu gefährden. Insbesondere Personen lassen sich anhand bloßer Beschreibungen nur schwer zuverlässig vergleichen, solange sie keine hervorstechenden Eigenschaften aufweisen, sind aber selbst auf schlechten Fotos meistens mit ausreichender Sicherheit identifizierbar bzw. vergleichbar. Für die Zielperson ist es aber praktisch unmöglich, Aufnahmen zu machen, ohne dabei erkannt zu werden. Denn selbst wenn man der Meinung ist, die observierende Person in der »A-Position« erkannt und unter Kontrolle zu haben, kann man nicht sicher sein, ob nicht noch weitere ObservantInnen einen ihrerseits im Blickfeld haben. Observanten betrachten jede Handlung der ZP mit Misstrauen und bemühen sich, ihren bereits bestehenden Verdacht gegen die ZP zu erhärten. Wer als ZP nicht bekanntermaßen sowieso viel fotografiert, wird daher sofort negativ auffallen, wenn er oder sie mit Kamera in der Hand gesehen wird. Am ehesten ist eine Mobiltelefon-Kamera einsetzbar, wozu aber auch einige Übung gehört.

Persönliches Verhalten

Die beste und einfachste Reaktion auf eine erkannte Observation ist gar keine. Selbstverständlich ist es empfehlenswert, während einer erkannten Observation bestimmmte Handlungen zu unterlassen, die den Observierenden Hinweise liefern könnten. Dies ist allerdings dadurch erschwert, dass in vielen Fällen der Grund für die Observation nicht bekannt ist oder nur vermutet wird und dass das vorhandene Hintergrundwissen der Observationskräfte nur sehr begrenzt kalkulierbar ist.

Im Normalfall dauert eine intensive Observation nicht länger als zwei Wochen, allein schon aufgrund der begrenzten Ressourcen der Gegenseite. Da es immer eine gewisse Zeit dauert, bis die Observation erkannt wurde, kann es also durchaus geschehen, dass man nur noch ihre letzten Tage miterlebt und sich über das plötzliche Ende wundert.

Das bedeutet aber nicht ein Ende der Ermittlungen. Die Observation kann später wieder aufgenommen werden, kann sich in derselben Sache auf andere Personen aus dem sozialen Umfeld erstrecken oder aufgrund konkreter Indizien wie abgehörter Telefonate zu speziellen Zeiten an speziellen Orten konzentriert werden.

In einzelnen Fällen, vor allem »Terrorismus«-Observationen, können Observationen sich über viele Monate, im Extremfall auch mal über mehrere Jahre erstrecken. Bei solch langen Zeiträumen ist der Ratschlag »Füße stillhalten« kaum realisierbar, und durch die Fülle an Einzelbeobachtungen werden die Observanten ganz unvermeidlich ein sehr umfassendes Bild über Bewegungen, Kontakte und soziales Umfeld der Zielperson(en) gewinnen. Dagegen hilft nur ein langer Urlaub in der Südsee oder eine wohlüberlegte Anpassung des Alltags an die unerwünschten Begleiteren. Wie das im Einzelfall aussehen kann, ist von den jeweiligen persönlichen und sozialen Gegebenheiten abhängig und kann hier nicht allgemeingültig empfohlen werden.

Eine juristische Beratung ist sinnvoll, man sollte sich davon aber nicht zu viel versprechen. RechtsanwältInnen kennen sich im Strafrecht aus und können einem über mögliche Folgen wie Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen, DNA-Proben, Erkennungsdienstliche Behandlungen, Strafprozesse etc. einiges sagen. Über Observationen wissen sie aber normalerweise nicht viel. Observationsprotokolle spielen in Ermittlungsakten keine herausragende Rolle, sind manchmal gar nicht oder nur verkürzt enthalten, und über den tatsächlichen Ablauf einer Observation verraten sie so gut wie nichts. Auch in Strafprozessen wird darüber kaum gesprochen. In Bezug auf Observationen kann der Rat von RechtsanwältInnen vor allem dabei helfen, die Perspektive der Gegenseite nachzuvollziehen und sich besser darauf einzustellen.

Schutz vor technischer Überwachung

Gegen technische Überwachungseinrichtungen lässt sich nur in Grenzen ein Schutz erreichen. Die gute alte Methode, in gefährdeten Räumen/Fahrzeugen keine sensiblen Gespräche zu führen und die Fenster mit Vorhängen zu versehen, ist nach wie vor der beste Schutz. Ansonsten gibt es zum Thema Überwachung von Räumen, Computern etc. bereits einige Veröffentlichungen und eine lebhafte öffentliche Diskussion, auf die hiermit verwiesen sei.

Die akustische oder optische Überwachung von Räumen ist aber wie erwähnt weitaus seltener als die Verwendung von GPS-Peilsendern an Fahrzeugen und das Orten von Mobiltelefonen per »Ping«. Und gegen diese Methoden gibt es Abwehrmöglichkeiten.

Mobiltelefone und Peilsender blockieren

Bei einem Mobiltelefon kann natürlich einfach der Akku entnommen werden, was manchmal umständlich ist, aber dem Gerät nicht schadet. Wird das Handy vorher ausgeschaltet, sendet es in diesem Moment noch einmal Standortdaten an die Basisstation, die sich theoretisch auswerten lassen. Wird der Akku unmittelbar entnommen, entstehen solche Daten nicht. Diese Methode ist aber nicht immer erwünscht: Bei manchen Mobiltelefonen werden dadurch Einstellungen gelöscht, die später erneuert werden müssen. Manchmal ist das Entnehmen des Akkus auch sehr aufwändig und/oder nicht unauffällig zu bewerkstelligen. Außerdem bucht sich das Mobiltelefon beim späteren Wiedereinschalten in einer Funkzelle ein, wodurch wiederum Geodaten anfallen, die schlimmstenfalls überwacht werden könnten. Zur vorübergehenden Abschirmung eines eingeschalteten Mobiltelefons wird ein »Faradayscher Käfig« verwendet, der aufgrund der sehr geringen Wellenlänge des GSM-Frequenzbereiches sehr engmaschig sein muss, um wirklich keine Signale durch zu lassen. Das kann bspw. eine Metalldose bzw. eine mit starker Alu-Folie lückenlos ausgelegte Schachtel sein. Im Handel erhältlich sind auch kleine Handy-Täschchen mit eingearbeitetem Drahtgewebe, die jedoch nicht immer dicht schließen und genau auf ihre Qualität hin geprüft werden sollten. Es ist wichtig, dass der Deckel dicht schließt und keine noch so kleine Öffnung lässt. Das ist in der Praxis schwieriger umzusetzen, als man meinen könnte. Ein Mobiltelefon, das Netzkontakt sucht, verstärkt kurzfristig seine Sendeleistung erheblich, und heutzutage ist selbst in Aufzügen innerhalb von Stahlbeton-Gebäuden oft keine völlige Netzabschirmung gegeben. Dazu kommt, dass es schwierig ist, nachzuprüfen, ob die Abschirmung funktioniert, weil dafür das Mobiltelefon betrachtet und die Abschirmung also kurzzeitig geöffnet werden muss. Wer sicher sein will, dass die Abschirmung zuverlässig funktioniert, kommt nicht um gründliche Tests herum.

Eine andere mögliche Variante ist das aktive Stören bzw. Blockieren eines bekannten oder vermuteten Peilsenders. Hierzu muss entweder das eingehende Signal der GPS-Satelliten gestört werden oder die Übermittlung der Daten – in der Regel per GSM-Mobiltelefonmodul – an die Observationskräfte. Der Angriff auf das GPS-Signal ist technisch recht schwierig, zumal GPS etwas komplexer aufgebaut ist als man es sich gemeinhin vorstellt. Es kursieren zwar im Internet Baupläne für »GPS-Jammer«, die sind aber oft fehlerhaft oder enthalten nur schwer zu beschaffende Einzelteile. Da das GPS-Signal extrem schwach ist, sind die entsprechenden Empfangsantennen sehr empfindlich und in der Lage, auch aus gestörten Signalen Informationen zu gewinnen. Außerdem gibt es keinen legalen Markt für GPS-Störgeräte und mit der zunehmenden Wichtigkeit der Satellitenortung in verschiedensten Lebensbereichen wird auch die Illegalisierung solcher Störtechniken in den kommenden Jahren eher zunehmen. Das Blockieren von Mobilfunk ist hingegen durchaus auch kommerziell von Interesse, bspw. für sensible Krankenhaus-Bereiche oder Knäste und wird im Handel angeboten. Der Vorteil einer Störung des GSM-Signals ist außerdem, dass dadurch gleichzeitig die Übertragung von GPS-Daten, die Peilung mittels »Triangulationsverfahren« und die Ortung des Handy durch »Pings« unterbunden wird. Wichtig ist, dass die Reichweite eines solchen Blockers groß genug ist, um die Signale des Peilgerätes zu stören, aber nicht so groß, dass die Geräte anderer Verkehrsteilnehmer empfindlich beeinträchtigt werden. Die Reichweite eines handelsüblichen mobilen GSM-Blockers beträgt ca. 5-10 m.

Mit der Einführung des digitalen »TETRA«-Funks ist es vorstellbar, dass Daten von Peilanlagen nicht mehr über das GSM-Netz übermittelt werden, sondern innerhalb des »TETRA«-Netzes, also abhörsicher und ohne Zusatzkosten für eine SIM-Karte. Eine optimale Blockade von Peilanlagen müsste also in Zukunft eigentlich eine Störung des »TETRA«-Bandes im Nahbereich beinhalten.

Nebeneffekt eines solchen Vorgehens ist, dass für die Observationskräfte zunächst unklar bleibt, weshalb sie kein Signal empfangen. Bei der Datenübertragung kommt es öfters zu Störungen und Ausfällen, so dass ein Abreißen der Verbindung nicht zwingend auf aktive Gegenmaßnahmen hindeutet. Spätestens wenn der Kontakt länger als einen Tag abreißt, werden die Observationskräfte aber eine absichtliche Störung vermuten.

Peilsender finden

Ein GPS-Peilsender kann auch aktiv gesucht werden. Er wird, wie bereits beschrieben, hauptsächlich in zwei Formen angebracht: Als batteriebetriebenes Gerät in einem Hohlraum des Zielfahrzeugs oder fest montiert im Innenraum mit Stromversorgung durch die Autoelektrik. Das Trackingmodul wird angebracht, ohne das Zielfahrzeug zu bewegen, was enge physikalische Grenzen setzt – immerhin muss man teilweise unter das Auto kriechen und den Arm in Hohlräume zwängen. Spätestens bei einer gründlichen Absuche auf einer Hebebühne stehen die Chancen sehr gut, ein solches Peilgerät zu entdecken. Manche sind sofort als Fremdkörper zu erkennen, da bspw. mit schwarzem Klebeband umwickelt, andere sind in Farbe, Design und Material besser an gängige Autoteile angepasst, bspw. in einem mattschwarzen Plastikgehäuse verpackt.

Das fest eingebaute »kombinierte Gerät zur Sprach- und Spurfolgeaufzeichnung« ist als Fremdkörper prinzipiell auch durch Absuche zu finden. Dazu ist allerdings eine Werkstattausrüstung und Zeit erforderlich, genau wie beim Einbau der Technik. Um die Überwachungstechnik einzubauen, muss das Auto über mehrere Stunden in einer Werkstatt stehen, es muss also normalerweise von den Observationskräften »entführt« werden. Das ist in der Praxis oft schwierig und mit hohem Entdeckungsrisiko verbunden und es erfordert einige Kreativität. Deshalb wird das nur in besonders wichtigen Fällen gemacht. Eine solche Manipulation kann deutlich erschwert werden durch empfindliche Alarmanlagen, Wegfahrsperren, Lenkradkrallen, das Parken des Fahrzeugs auf gesicherten Parkplätzen oder direkt vor der Haustür etc. – all das verhindert zwar nicht, dass entschlossene Profis das Fahrzeug mitnehmen, macht es für sie aber viel aufwändiger und damit unattraktiver. Darüber hinaus kann man sich Mittel und Wege überlegen, eine Entfernung und Bewegung des Fahrzeugs durch Fremde im Nachhinein zu erkennen – bspw. durch versteckte Markierungen.

Abzusuchen sind alle Bereiche, die Kontakt zum elektrischen System haben und die mit geeignetem Werkzeug gut zu öffnen und wieder zu verschließen sind. Dazu gehören vor allem Innenbeleuchtung, Armaturenbrett/Mittelkonsole, Türen und seitliche Abdeckungen. Bereiche wie der »Himmel« und andere hoch gelegene Teile und die Sitze lassen sich nur relativ aufwändig öffnen, ohne Spuren zu hinterlassen, und sind daher wenig wahrscheinliche Verstecke. Nicht selten ist bereits am Zustand von Schrauben und anderen Verschlüssen erkennbar, ob diese in jüngerer Vergangenheit geöffnet worden sein könnten oder nicht: Verschmutzung, Rost, Staub. Da der Schwachpunkt dieser Überwachungstechnik aufgrund der vielen Nebengeräusche die Verständlichkeit des gesprochenen Wortes ist, müssen sich die Mikrofone möglichst nahe der Fahrerposition bzw. der vermuteten Sitzposition der Haupt-Zielperson befinden, dafür kommen bspw. Lüftungsöffnungen in Frage; denkbar ist auch, dass Mikrofone in den »Himmel« eingeschoben werden und die Kabel hinter den Randdichtungen des Türholms geführt werden. Vorstellbar ist auch der Einbau eines manipulierten Autoradios.

Reaktion der Observationskräfte

All diese aktiven Gegenmaßnahmen können oder werden den Observationskräften auffallen, was nicht ohne Folgen bleibt. Erkannte Gegenmaßnahmen wirken sich auf die Ermittlungen und Observationstätigkeiten selbst aus. Die Observanten fühlen sich zunächst einmal bestätigt in ihrer Vermutung, die Zielperson sei von Relevanz, da sie ja aus Sicht der Observanten durch ihre Gegenmaßnahmen »konspiratives Verhalten« zeigt. Da »konspiratives Verhalten« von vornherein erwartet und unterstellt wird, werden die Observationskräfte ohnehin dazu neigen, es auch dort zu sehen, wo es eigentlich gar nicht stattfindet. Umso interessanter finden sie es demnach, wenn es unzweifelhaft zu beobachten ist. Die Fortsetzung und Verlängerung von Observationsmaßnahmen wird dadurch wahrscheinlicher. In ganz besonderen Ausnahmefällen wurde zur Observation besonders »sensibler« bzw. gewarnter Zielpersonen dann auf höchst unkonventionelle Mittel zurückgegriffen, etwa den Einsatz von Privatwagen inkl. Ehefrauen, Kinder und Hunde der Beamten, was das Erkennen weiter erschwert.

Darüber hinaus wird das Verhalten der Zielperson im Zusammenhang mit den Abwehrmaßnahmen einer Analyse unterzogen: Hat sie ihr Bewegungs- und Kommunikationsverhalten gegenüber vorher verändert? Mit wem hat sie kurz vor und nach dem Vorfall Kontakt aufgenommen? Hat sie einen Peilsender entfernt, dies aber niemandem oder nur einzelnen Vertrauenspersonen mitgeteilt, was auf ein »Schuldbewusstsein« und eventuelle Mittäter hindeuten könnte? Ergeben sich auffällige Abweichungen zwischen »öffentlichen« und privaten Reaktionen der Zielperson?

Abschütteln von Observanten

Es braucht wohl nicht noch einmal im Detail ausgeführt zu werden, dass das erfolgreiche Abschütteln von Observationskräften schwierig und riskant ist und nur versucht werden sollte, wenn es unbedingt nötig ist.

Die Schwierigkeiten beim Abschütteln

Es gibt bestimmte Formen des »vorbeugenden« Abschüttelns, die vielfach empfohlen und praktiziert werden, aber nicht ohne Risiko sind: Sehr lange Wege, die teils mehr als einen Tag in Anspruch nehmen, plötzliche Wechsel des Verkehrsmittels, Routen durch völlig menschenleere Gegenden usw. Dieses Vorgehen hat mehrere Nachteile. Es ist sehr aufwändig, denn es erfordert eine genaue Planung, finanzielle Mittel bspw. für Bahnfahrten und viel Zeit. Die Planung kann möglicherweise nur von dritten Personen gemacht werden, bspw. überraschende Umsteigemöglichkeiten auf Realisierbarkeit prüfen. Schließlich ist die Methode »viel hilft viel« nicht oder kaum geeignet, eine Observation tatsächlich zu erkennen – man geht einfach davon aus, es gebe eine, und hofft, dass die eigenen Gegenmaßnahmen funktionieren. Solange man aber die Ressourcen und die Motivation der Gegenseite nicht wirklich kennt, bleiben große Restunsicherheiten. Es ist auch schon vorgekommen, dass jemand auf dem Weg zu einem brisanten Treffen einen halben Tag damit verbracht hat, die ganze Stadt zu durchqueren, von der U-Bahn ins Taxi und wieder in den Bus, um etwaige Verfolger abzuhängen – und diese Verfolger all diese Bewegungen akribisch mitprotokolliert haben, dabei natürlich immer gespannter auf das folgende Treffen und die dortige Kontaktperson wurden, die sie dann auch prompt fotografieren und identifizieren konnten.

Im Prinzip ist ein erfolgreiches Abschütteln von Observationskräften zumindest in der Stadt mit viel weniger Aufwand möglich. Das entscheidende Problem dabei ist nicht, an einer bestimmten Stelle dem Blick der A-Position zu entwischen und »außer Kontrolle« zu geraten, sondern vielmehr, das auch zu bleiben. Denn man muss ja auch aus dem Bereich hinaus gelangen, der jetzt vom Observationstrupp abgesucht bzw. umstellt wird, und zu einem anderen Ort gelangen – der hoffentlich nicht bereits beobachtet wird. Wer Observationskräfte abschütteln will, benötigt also eine Vorstellung vom Absetzen und von der Bewegung danach. Es genügt nicht, in einem Kaufhaus die Rolltreppe hinauf und gleich daneben wieder hinab zu fahren, denn die Observanten stehen auch an den Ausgängen. Und wenn sie nicht an allen stehen können: Woher will die ZP wissen, an welchen sie nicht stehen? Wer mit dem Fahrrad in eine Sackgasse hineinfährt, die einen Fußweg frei lässt, kann zwar die verfolgenden Autos optimal abschütteln – muss sich aber vorher überlegen, wohin die Fahrt danach gehen soll. Sonst trifft man sich leider an der nächsten Kreuzung wieder.

Tipps zum Abschütteln

Zum Abschütteln ist ein Fahrrad tatsächlich am besten geeignet, denn es gibt in jeder Stadt Strecken, die weder von verfolgenden Autos noch von schnell herausspringenden Fuß-Observanten gemeistert werden können und auch unübersichtlich genug sind, um nicht zumindest optisch verfolgt werden zu können. Der Bereich, in den diese Strecken münden, muss aber von dem Bereich, aus dem man kommt, wirklich schwer bzw. mit spürbarem Zeitverlust erreichbar sein. Man muss also vorher wissen, auf welchem Weg ein Auto das Hindernis umfahren kann und wie lange es dafür ungefähr brauchen wird. Geeignet dafür sind bspw. Parkanlagen und verkehrsberuhigte Bereiche mit Sperren gegen unerwünschten Durchgangsverkehr. Wenn man diese Absetzstrecke hinter sich gebracht hat, empfiehlt es sich, das Verkehrsmittel zu wechseln, und ohne dass das abgestellte Fahrrad von den Observationskräften gesehen werden kann in ÖPNV, Auto bzw. Taxi umzusteigen; oder man hat einen sicheren Ort, an dem man ein paar Stunden abwarten kann, bis sie die Suche aufgegeben haben. Lokale und andere öffentlich zugängliche Orte sind nicht sicher. Wer dieses Vorgehen einmal gründlich theoretisch durchspielt, wird feststellen, dass der wichtige zweite Teil – wie weiter nach dem Absetzen? – gar nicht so einfach ist und als spontane Handlung nach einer gerade erst bemerkten Observation nur geringe Erfolgsaussichten hat.

Wer im Auto unterwegs ist, kann versuchen, die Verfolger offensiv abzuschütteln: Durch hohes Tempo und Überfahren gelber oder roter Ampeln – sie werden dann früher oder später die Observation abbrechen und vermerken, dass die ZP sich hochgradig konspirativ verhalten hat. Solange mit einem Peilsender am Auto gerechnet werden muss, reicht dieses Manöver nicht aus, das Auto muss außerdem noch sicher geparkt und verlassen werden. Immerhin kann einem dies Luft verschaffen für eventuelle dringend nötige Tätigkeiten, bei denen eine Begleitung durch Observationskräfte unerwünscht ist.

Grundsätzlich gilt, dass ein Wechseln des Verkehrsmittels oft notwendig für erfolgreiches Absetzen ist, andererseits aber auch ein Alarmsignal für die Observationskräfte ist, weil so etwas normalerweise kaum jemand macht. Dieses Wechseln sollte für die Observierenden also nicht erkennbar sein, für sie sollte die ZP einfach »verschwinden«.

Weiterhin gilt: Wer meint, aus wichtigen Gründen Observationskräfte unbedingt abschüttteln zu müssen, sollte sich vorher auch überlegen, wie nach dem Abschütteln Gewissheit darüber erlangt werden kann, dass das Manöver erfolgreich war!

Fazit

Wie ersichtlich, gibt es zahlreiche Möglichkeiten, mit vermuteten oder erkannten Observationen umzugehen. Es muss aber hier noch einmal betont werden, dass erfolgreiche Gegenmaßnahmen in der Realität die absolute Ausnahme darstellen. Die weitaus meisten Observationen werden von den Zielpersonen nicht bemerkt. Wenn sie doch bemerkt werden, sind die Betroffenen oft nicht in der Lage, sich darauf einzustellen – sie verfallen in Aufregung oder Realitätsverleugnung, folgen falschen Ratschlägen oder eigenen falschen Vermutungen und Lageeinschätzungen, ihnen fehlt das Hintergrundwissen über den Ablauf von Ermittlungen und Observationen. Dies gilt vor allem für die bei weitem größte Gruppe von Zielpersonen, nämlich junge Männer zwischen 18 und 25 Jahren, deren Handlungsdrang und Risikobereitschaft viel größer sind als ihre Lebenserfahrung. Aber auch erfahrene Personen mit jahrelanger Praxis in »konspirativem« Verhalten sind, wie erwähnt, meist schlechter vorbereitet als es die Gegenseite oder sie selbst vermuten würden.

In den wenigen Fällen, in denen die Observationskräfte es mit »professionellem« Schutzverhalten der ZP zu tun haben, handelt es sich meist um hochkarätige Observationen, die also mit großem Personal-, Material- und Zeitaufwand durchgeführt werden, so dass die Observation trotz der Gegenmaßnahmen allein durch ihre Intensität und Dauer den Ermittleren viele wertvolle Erkenntnisse liefert.

Durch die ausführlichen Beschreibungen von Observationstechniken und Gegenmitteln in diesem Text wird sich diese Situation – leider – voraussichtlich nicht grundsätzlich verändern. Dennoch ist zu hoffen, dass es gelingt, ein wenig Sand ins Getriebe der Observationsmaschinerie zu streuen und bei den möglichen Betroffenen das Bewusstsein für die eigenen Möglichkeiten und Verantwortlichkeiten zu stärken.

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