Wenn der Richter gegen dich einen Haftbefehl erlassen hat und du in das Untersuchungsgefängnis eingeliefert worden bist, findest du dich in einer völlig neuen Situation, in die du dich erst einmal reinfinden musst.
Inhaltsverzeichnis
Um auch hier den verunsichernden, entnervenden Überraschungseffekt zu mindern, informiere dich bei ehemals inhaftierten Kameraden eingehend über das Leben im Knast. Über deine Rechte auf Einkauf, Verkehr mit der Außenwelt, Verhältnisse zu Wärtern und Mitgefangenen und Beschäftigungsmöglichkeiten im Knast. Abgesehen davon, dass es zum politischen Wissen von Kameraden gehören muss, die Unterdrückungsmittel des Staates auch in ihrer praktischen Anwendung und Wirkung zu erkennen, hilft es bei der Bewahrung deines Selbstbewusstseins.
Besuche von Angehörigen und Freunden im Staatskerker bilden da keine Ausnahme. Es reicht nicht aus, dass Gespräche durch einen stets anwesenden Vollzugsbeamten “belauscht” werden, denn gerne bedient man sich auch technischer, akustischer Überwachung um Gespräche von Beschuldigten und deren Besuchern aufzuzeichnen.
Wie bekommst Du Kontakt zur Außenwelt?
Einer der Hauptquellen deiner Angst ist die Abschottung. Du hast keine Ahnung, wann Hilfe kommt und weißt nicht, wie lange die Prozedur dauert. Es gehört zu den Praktiken der Polizei, dir zunächst nicht zu sagen, wann du entlassen wirst. Sie lassen dich in dem glauben, dass du verhaftet werden sollst und dass du mindestens 14 Tage drinnen bleibst. Auch wenn sie dich noch am gleichen Tag entlassen. Wir wissen auch, dass man wegen einer Lappalie oder ohne, dass man etwas strafbares getan hat, verhaftet werden kann.
In dieser Situation heißt es Ruhe bewahren und sich auf den schlimmsten Fall einzustellen. Der schlimmste Fall ist zunächst die Vorführung vor einem Richter. Das muss in der BRD spätestens vor Auslauf des auf die Festnahme folgenden Tages geschehen. Obwohl eigentlich die Vorführung vor einen Richter unverzüglich zu erfolgen hat, nutzt die Polizei diese Frist voll aus. Du musst dich auf diese Frist einstellen.
Diese Zeit musst du nutzen. Schlafe und entspanne dich. Zwinge dich zum Abschalten. Denk darüber nach, was du deinen Anwalt sagen wirst. Lies, mach Denksportaufgaben oder sonst etwas, was dich ablenkt. Mach dich nicht fertig wegen möglicherweise gemachter Fehler.
Beobachte die Menschen in deiner Umgebung. Merke, was sie sprechen, wie sie heißen oder wie sie sich anreden. Achte genau auf ihr Äußeres und sag kein Wort. Wenn man dir Essen, Trinken oder eine Zigarette gibt, dann nimm sie und sag keinen Ton. Erst wenn sie dich zur Vernehmung holen, wenn du vor der Schreibmaschine sitzt, dann kannst du sagen, dass du einen Anwalt sprechen willst. Sag gleich welchen, damit sie nicht irgendeinen nehmen.
Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten
- Sie lassen dich mit einen Anwalt sprechen oder mit seinem Büro. Dann sag ihm deinen Namen, wo und unter welcher Begründung man dich festgenommen hat und wo du bist. Oft wird es so sein, dass der Anwalt im Moment nicht kommen kann. Dann sei nicht enttäuscht. In dieser Situation kann der dir ohnehin nicht helfen. Sie sind nicht einmal verpflichtet, ihn zu dir zu lassen. Dein Anruf hat aber den Wert, dass draußen jemand weiß, wo du bist. Er kann sich dann sofort um dich kümmern, wenn du verhaftet werden solltest.
- Wenn sie dich nicht mit ihm sprechen lassen oder wenn dein Anwalt in einer anderen Stadt wohnt, dann warte bis du dem Richter vorgeführt wirst.
Der Richter muss ein Protokoll aufnehmen, auch wenn du keine Aussage machst. In dieses Protokoll lass folgendes aufnehmen:
- Ich beauftrage Rechtsanwalt xyz, Ort, Straße mit meiner Verteidigung. Ich beantrage für diesen Anwalt:
- einen Sprechschein
- eine Abschrift dieses Haftbefehls (falls einer ergeht)
- eine Abschrift dieses Vorführungsprotokolles zuzusenden.
Das hat zur Folge, dass der so benachrichtigte Anwalt dich schnell besuchen kann und dass er weiß, um welchen Sachverhalt es sich ungefähr handelt. Er kann aufgrund der in das Protokoll diktierten Vollmacht sich als dein Verteidiger legitimieren. Falls er verhindert ist, kann er gleich in die Wege leiten, dass dich ein anderer Anwalt besucht, zu dem du gleich Vertrauen haben kannst. Aber auch wenn der nicht gleich kommt, nachdem deine Post ihn erreicht haben müsste, gerate nicht in Panik. Manchmal lässt sich das nicht so schnell einrichten. Manchmal ist der Anwalt verhindert oder verreist. Dann schreib nochmals. Dränge ihn dir wenigstens schriftlich zu antworten. Das klappt meistens. Lass dich nicht von der Umgebung im Knast oder in der Polizeizelle fertig machen. Das alles ist geeignet, dich in Panik zu versetzen. Es stinkt und es ist kalt. Du hast Hunger und Durst. Neben dir schnarchen Betrunkene, andere stöhnen oder schreien. Im diesem Moment hilft nur: Abschalten, Schafen oder genaues Beobachten. Achte auf jedes Detail deiner Umgebung. Das lenkt dich ab, und es kann sich später als nützlich erwiesen. Versuche immer eine eiserne Reserve von Geld bei dir zu haben. Fünf Euro, um wenigstens nur zwei Tage Zigaretten zu haben. Zigaretten sind Knastwährung. Du kannst dafür Briefpapier, Bleistift und Briefmarken erhalten, die du nur an deinen Verteidiger brauchst. Besser ist allerdings, du bist gar nicht erst von Zigaretten, Alkohol oder sonstigen Mitteln abhängig.
Nutze die Wartezeit für Planungen: Was ist draußen zu regeln? Am Arbeitsplatz, in der Wohnung oder in der Schule? Müssen die Kinder versorgt werden? Welche Verwandten müssen beruhigt und welcher Chef muss benachrichtigt werden? Solche Sachen kannst du auch aufschreiben. Nur nichts, was mit deiner Verhaftung zu tun hat.
Erfahrungsbericht: In der Zelle
Sie führen dich einen Gang entlang, links eine Eisentür, rechts eine Wand, schließen eine Tür auf, gehen mit dir rein – so, da sind wir und dann gehen sie wieder raus und schließen die Tür hinter dir zu. Ein Tisch, ein Stuhl, ein Bett, ein Schrank, ein Waschbecken und ein Klo. Du stehst da und denkst nichts weiter als, “Ich will hier raus!”. Von draußen trennen dich drei verschlossene Eisentüren, die Wände sind dick, und das Fenster ist vergittert. Wie komme ich nun hier wieder raus. Du steigst auf einen Stuhl, schaust dir das Gitter an und merkst, dass es fest sitzt. Nun schaust du in den Hof – Mauern, keine Menschenseele. Kein Mensch, mit dem du reden könntest, nur Feinde. Wärter und Aufpasser. Sie lauern hinter der Tür und beobachten dich durch den Spion. Sie herrschen dich an: du solltest von dem Stuhl herunterkommen, das sei verboten. Jetzt haben sie dich in ihrer Gewalt und das lassen sie dich spüren. Sie können kommen, wann sie wollen: Ob du beim Essen bist, beim Zähneputzen oder auf dem Klo. Wer weiß, was sie noch alles mit dir vorhaben. Du gehst auf und ab und gerätst langsam in Panik. Dir fallen von Leuten Geschichten ein, die verprügelt wurden, und von Leuten, die wahnsinnig wurden. Jedes Mal, wenn du draußen die Schlüssel scheppern hörst, zuckst du zusammen. Und dann die schreckliche Enge. Dauernd stößt du dich an irgendeiner Ecke vom Tisch, vom Waschbecken oder vom Bett.
Du kannst dich nicht bewegen, kannst nicht schnell mal in die Küche gehen und dir einen Kaffee machen oder schnell mal an die Ecke und dir eine Zeitung holen. Du hast nichts zu tun. Du sitzt und wartest.
Was sagt uns dieser Bericht?
Auch als Untersuchungsgefangener hast du in der BRD nach dem Wortlaut der Gesetze – Grundgesetze, Strafprozessordnung, Untersuchungshaftvollzugsordnung – eine Anzahl von Rechten.
Nach dem Gesetz dürfen diese nur insoweit eingeschränkt werden, wie es die Durchführung der U-Haft oder die “Sicherheit und Ordnung der Anstalt” erfordern. Auch das ist Propaganda. In Wirklichkeit werden deine Rechte unter allen möglichen Vorwänden von den Gerichten, aber auch von der Anstaltsbürokratie ständig und auf verschiedenste weise eingeschränkt. Merke dir, Sicherheit und Ordnung gehen über alles. Zuerst kommt die Haftanstalt und dann erst der Gefangene.
Die Ordnung und Sicherheit der Anstalt wird unter anderem gefährdet durch:
- Sprechen mit anderen Gefangenen
- Annahme und Abgabe eines Päckchen Tabak
- ein eigenes Radio (weil irgend jemand aufgebracht hat, man könne aus jedem UKW-Teil sofort und ohne Zusatz einen Sender bauen)
- einen eigenen Fernseher (weil man mit der hohen Stromspannung die Wärter unter Strom setzen könnte)
- zu viele Bücher oder Zeitungen in der Zelle (weil es dann unübersichtlich wäre)
- eine Uhr (weil man dann die Flucht verabreden könne)
- eigene Unterwäsche (weil man nur einem Flüchtling in Anwaltswäsche ansieht, dass er geflohen ist)
- und nicht mehr als einmal vierzehntägig Besuch (weil sonst die Anstalt überlaufen würde)
Die Begründungen in den Klammern stammen von deutschen Gerichten oder Haftanstalten!
Dein Briefverkehr wird häufig auf zwei zweiseitige Briefe pro Woche eingeschränkt. Der Grund dafür ist meist, dass die Richter der Auffassung sind, es sei nicht ihre Aufgabe, den unbehinderten Kontakt des Gefangenen zur Außenwelt zu gewährleisten und durchzusetzen. Sie empfinden diese Pflicht als lästig und entledigen sich ihrer durch einen halbseitigen Beschluss.
Untersuchungshaft ist schlimm. In vielen Fällen bedeutet sie für den politischen Gefangenen ein staatlich legitimiertes Verbrechen an seiner Persönlichkeit, seiner seelischen und kärperlichen Gesundheit und der sozialen Existenz. Der Staat praktiziert seine Macht am Beispiel vieler Einzelner, damit das Volk Angst vor dieser Macht hat. Es soll die Unterdrückung draußen, immer noch der Qual drinnen vorziehen und nicht auf “dumme” Gedanken kommen. Wir wissen also: Der Zweck der Untersuchungshaft (Beugehaft) ist nicht nur der, der in den Gesetzen steht. Vielmehr soll jeder so starke Angst vor der totalen Unterdrückung seiner Persönlichkeit, seiner sozialen Kontakte und der Zerstörung seiner Existenz haben, dass er die Finger von allem lässt, was nach Knast riecht. Gleichzeitig soll ihm Wut und Lust vergehen, sich irgendwie den Anstaltszwängen zu widersetzen, die ihm seine verbrieften Rechte nehmen. Auch hier ist unsere Angst der Verbündete der Gegenseite. Da man Angst nicht einfach abschalten kann, muss man Techniken entwickeln, ihrer Herr zu werden.
- Vergewissere dich über deine Rechte und Möglichkeiten, sobald du im Knast angekommen bist.
Frage nach den Möglichkeiten, Zeitungen zu abonnieren und Bücher zu bestellen.
Häufig kann man dies nur an bestimmten Tagen in der Woche.
Es ist ärgerlich, aus Nachlässigkeit acht Tage auf Hilfe Anderer angewiesen zu sein, die oft selbst nicht viel haben. - Vergewissere dich, wie du an einen Arzt kommst oder an eine warme Decke.
- Wie du Diätkost oder Zusatznahrung bekommst.
Sieh dir den Pfarrer oder Fürsorger an.
Du brauchst sie ja nicht gleich in dein Herz zu schließen, aber es ist gut zu wissen, wie sie aussehen.
Den Knast studieren
Verschaffe dir alle erreichbaren Kenntnisse über die Knastorganisation, die soziale und psychische Zusammensetzung und die Lage der Insassen und Beamten. Betrachte ihn als dein Studienprojekt, als wärst du auf einer Expedition.
Das ermöglicht dir, fundierte Kenntnisse über die Funktion und Wirkung eines der wichtigsten Herrschaftsinstrumente zu erwerben und hilft dir, dich selbst richtig zu verhalten. Du wirst dabei auch lernen, welche Taktik andere Gefangene im Laufe ihres Lebens für ihr Überleben im Knast anwenden.
Im Knast studieren
Lerne Dinge, die du bisher draußen nicht gelernt hast. Wenn dich Physik und Chemie nicht reizen können, so kannst du versuchen, Sprachen zu lernen.
Halte dich körperlich fit
Du hast pro Tag eine dreiviertel Stunde lang Bewegung im Ferien. Das hat zur Folge, dass du Fett ansetzt und dein Kreislauf schwach wird. Zwinge dich vier oder fünf Mal am Tag zu Übungen, die regelmäßig deinen Kreislauf und deine Muskulatur belasten. Du weißt noch vom Sportunterricht, was hierfür in Frage kommt: Liegestütz, Kniebeuge, Bauchmuskeltraining und Übung, für die Rückenmuskulatur.
Bestell dir aus dem Buchhandel entsprechende Literatur
Wenn du dich beschäftigen kannst, dann bekommst du auch nicht das Gefühl, die Zeit, in der du eingesperrt bist, sei verlorene Zeit. Sie ist es nicht. Wer drinnen ist, wird dir sagen, dass dort das Leben weitergeht. Zwar unter vielen Entbehrungen und Demütigungen, aber letztlich nicht so schlimm, wie alle, die draußen sind, es befürchten.
Dein Verhalten zu Mitgefangenen, wenn du mit ihnen in Berührung kommst, ist von zweierlei geprägt: Der gemeinsamen Situation im Knast und der unter Umständen vorhandenen, oft verborgenen Interessenlage zwischen dir und den Anderen.
Der Knast ist in vieler Hinsicht ein Abbild der Gesellschaft draußen, mit allen Widersprüchen und Verhaltensweisen. Die Gemeinsamkeit der Situation als Gefangener bedingt, dass man sich gegenseitig die Entbehrungen und Unterdrückungen erträglich macht. Das geschieht durch Gespräche, Begegnungen und materielle Hilfe. Wer hat, gibt dem, der nichts hat. Man tauscht Zeitungen und Bücher. Man kann auch von seinem “Eigengeldkonto” Geld auf das von anderen äberweisen oder seinen Anwalt auffordern, sich um einen Mithäftling zu kümmern. Diese allgemeine Hilfsbereitschaft darf aber nicht nach dem “Gießkannenprinzip” praktiziert werden.
Auch im Knast gibt es typische Hierarchien – Reiche und Arme, Dealer und Zuhälter, die meist von draußen her über viel Geld verfügen und Mittellose, die nie einen Einkauf machen können oder Besuch haben.
Auch im Knast lebt mancher auf Kosten Anderer.
Andererseits versucht auch die Anstalt, die Gefangenen zu spalten und Gerüchte zu verbreiten. Verhalte dich – den dortigen Umständen angepasst – so wie draußen, wo du auch nicht jeden vertraust, auch nicht jedem deiner Gegner siehst. Auch für die politische Solidarität gilt – mit einigen Abweichungen – drinnen das Gleiche wie draußen. Es gilt aber einige besondere Gesichtspunkte, die man beachten muss. Obwohl man dicht aufeinander hockt, weiß man vom Anderen nur das, was er selbst erzählt. Die Gleichartigkeit der äußeren Situation, aber auch das Aufeinanderangewiesensein bewirkt häufig, dass man sein eigenes, vieleicht berechtigtes Misstrauen wie Verrat empfindet. Wenn er gut ist, kannst du mit ihm reden oder er versteht es auch so. Wenn nicht, ist Misstrauen jedenfalls nicht verkehrt.
Es passiert immer wieder, dass Inhaftierte sehr schnell auf andere Gefangene hereinfallen, weil sie auf deren politische Sprüche und Verbalradikalismus hereinfallen. Wer beim Hofgang “Deutschland Er.” schreit, ist noch nicht unbedingt ein Kamerad. Vielleicht will er “nur”, dass du ihm etwas von deiner Ration abgibst oder ihm einen Anwalt besorgst. Das kannst du ruhig tun. Aber bedenke, dass er vielleicht einen Tag später bei einem Anderen “Rotfront” ruft. Dieses Misstrauen quält einen und gehört zu den schwierigsten Problemen im Knast. Einerseits kommt man sich dabei sehr blöde vor, andererseits muss man sich im Klaren sein, dass der Mitgefangene ein Spitzel sein kann, der sich durch Verrat die Aussetzung seiner Resthaftstrafe erschleichen will. Es bleibt uns nicht anderes übrig, als uns mit der Problematik von Verrätertum, Verräter und Provokateuren allgemein zu beschäftigen.
All diese Erscheinungen sind nicht auf den Knast beschränkt:
Dein Verhalten gegenüber den Beamten
Der Knast ist ein hierarchisch organisiertes Behördengebilde. Ganz oben ist der Anstaltsleiter, der über sich noch den Präsidenten eines Justizvollzugsamtes und darüber das Ministerium hat. Dann geht es über etwa acht bis zehn Dienstgrade nach unten bis zu den Beamten, die den uniformierten Dienst an der Zellentür und im Flur tun.
Der Knast funktioniert heute in der Regel, weil jeder vor jedem Angst hat. Jeder Beamte vor seinem Vorgesetzen. Aber auch vor seinem Kollegen, weil er ihm den Rang um die spärlich gestreuten Beförderungsstellen ablaufen kann.
Alle zusammen haben sie Angst vor der Öffentlichkeit, insbesondere vor der Presse, weil in jedem Knast so viele Ungerechtigkeiten und skandalöse Dinge passieren, dass man einen erheblichen Aufwand an Abschirmung und Verschleierung betreiben muss.
Die Angst, ständig etwas falsch zu machen, ständig von oben angeschissen werden zu können, erzeugt innerhalb des Gefängnisses eine Atomsphäre von Gereiztheit und Aggressivität, unabhängig vom Verhalten der Gefangenen. Erfahrungsgemäß legen die Beamten sich nicht mit denjenigen an, von denen sie abhängig sind, sondern sie lassen ihren Unmut an denen aus, die ihnen unterlegen sind. Das schafft ein gereiztes, feindliches Verhältnis zwischen Gefangenen und Beamten. Das kommt letztlich wieder denjenigen zugute, deren Interesse mit Hilfe des Knastes durchgesetzt werden soll.
Da aber auch Beamte ihren Dienst möglich reibungslos und kraftsparend erledigen wollen, sind sie darauf angewiesen, das Verhältnis zu den Gefangenen nicht sehr zu strapazieren. Es kommt also zu einer Art Waffenstillstand. Dieser ist erzwungen durch die Tatsache, dass einerseits die Beamten ihren Dienst nicht ohne gewisse Kooperation der Gefangenen ableisten können und dass andererseits die Gefangenen die Leidtragenden ständiger Schikane und Maßregeln wären. Dieser Waffenstillstand ist sehr zerbrechlich, weil jede Veränderung des Gleichgewichtes, etwa durch Einschränkung der Rechte der Häftling oder Verschärfung der Dienstpflichten der Beamten, zu gemeinschaftlichen Aktionen der einen wie der anderen Seite führen können. Diese gefährdet letztlich einen Strafvollzug wie er von den Herrschenden gewünscht wird.
Die Tatsache, dass ein solcher Waffenstillstand im Allgemeinen besteht, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass im Kleinen die Gefangenen täglich mit allen möglichen Schikanen und unzulässigen Maßnahmen bedacht werden. Für den einzelnen Gefangen bedeutet das, dass er sich im Verkehr mit den Beamten unauffällig korrekt verhalten sollte, solange dies der Beamte auch tut. Sobald du denkst, dass ein Beamter auf einen Privatkonflikt mit dir aus ist, musst du dich wehren. Du hast dann Anspruch auf die Mitsolidarität deiner Mitgefangenen, deines Anwaltes und anderer, die dir zu deinem Recht verhelfen können. Das gleiche gilt, wenn du siehst, wie andere schikaniert werden.
Sei dir aber immer im klaren über den Adressaten deiner Maßnahmen. Wenn der Beamte Anordnungen ausführt, die er nicht gewollt oder nicht zu verantworten hat, ist er meist nicht in der Lage, sich mit dir gegen den Anordnenden zu verbünden. Er kann schließlich aber seinen Dienst pingelig genau nehmen oder auch mal fünfe gerade sein lassen.
Wenn er sich aber mit einer Schikane gegen dich, die von oben kommt, identifiziert, dann ist die Grenzlinie klar gezogen. Der Knast funktioniert meistens so, dass derjenige, der eine besondere Anordnung trifft, etwa die Überwachung bei Nacht, Lichteinschaltung etc., diese nicht selbst ausgeführt. Der betreffende Gefangene kommt nur noch mit dem Überbringer und Ausführenden in Berührung.
Das hat zur Folge, dass sich die ganze Empörung aggressiv auf den Beamten entlädt, der eigentlich nicht verantwortlich ist. Meist ist der Beamte aber nicht mutig genug, sich offen mit dem Gefangenen zu solidarisieren oder seine Empörung zu teilen. Er steht in einem Rollenkonflikt, in dem er mit dir sympathisieren will, aber nicht darf, weil er die Anforderung ausführen muss. Sein Mut wird nicht zur Gehorsamsverweigerung reichen, aber es wäre schädlich, durch unkontrollierte Aggressivität gegen den Beamten ihm den politisch emotionalen Zugang zu dir zu verbauen.
Zeige ihm, dass du den Mut gegenüber seinen Vorgesetzten hast, den er nicht hat, obwohl ihm weniger passieren würde. Die Beamten identifizieren sich oft mit dem Stärkeren. Wenn es ihr Chef ist, mit ihm, wenn du es bist, mit dir.
Es ist klar, dass diese Darstellung sehr schematisch ist und der “gute” Beamte zumindest in der heutigen Zeit die Ausnahme darstellt. Wenn man sich jedoch über diese Strukturen innerhalb des staatlichen Herrschaftsapparates nicht klar ist, vergibt man ein wichtiges Operationsfeld und schwächt seine eigene Position.
Du sollst kein Mitleid mit ihm haben, sondern seine Reaktion dir gegenüber realistisch auf Ursachen hin deuten, damit du dich ihm gegenüber richtig verhältst.
Welcher Anwalt
Nimm nicht einen Anwalt, der mal die eine Seite, mal die andere vertritt, der meint, bei Gericht betonen zu müssen, er sei nicht der politischen Ansicht seiner Mandanten.
Ein solcher Anwalt empfiehlt sich nicht für dich. Bei ihm besteht die Gefahr, dass er sich insgeheim, bewusst oder unbewusst, mehr mit deinem Gegner identifiziert als mit dir. Ein Anwalt, der darauf angewiesen ist, häufiger von einem Gericht als Pflichtverteidiger beigeordnet zu werden, wird nicht riskieren, die Rechte seines Mandanten auch dann voll wahrzunehmen, wenn es für das Gericht lästig ist. Ein solcher Anwalt ist, selbst wenn er diesen Vorwurf mit vielen Worten weit von sich weisen wird, käuflich. Gerade in politischen Verfahren wird der Anwalt häufig mit seinen Mandanten identifiziert. Er wird gerne von der Presse und Staatsanwaltschaft zu seinem Komplizen gestempelt. Der Anwalt weiß oder ahnt das und wird sich in irgendeiner Weise z.B. durch Erklärungen, durch sein Verhalten oder auch durch Bemerkungen in der Gerichtskantine, von dir zu distanzieren versuchen. Auch er ist politisch gesehen käuflich.
Wenn du es dir finanziell leisten kann, dann nimm dir einen Staranwalt. Er ist so groß, dass er aus der Bekanntheit deines Falles Nutzen für sich ziehen kann. Außerdem ist er reich und so über jeden Verdacht erhaben, zumindest finanziell abhängig zu sein. Man wird ihn auf Cocktail – Parties auf deinen Fall ansprechen. Aber er wird viel für dich tun. Er ist seinem Ruf etwas schuldig. Er will sich nicht blamieren und genau deshalb kann er unter Umständen nützlich sein.
Viele sagen, der Anwalt sollte möglichst politischer Gesinnungsgenosse sein. Für viele ist die Frage, wer wirklich Kamerad ist, nicht leicht zu beantworten. Angesichts der vielen Fraktionen, Organisationen und Meinungen im nationalen Lager ist das ein schwammiges Kriterium. Wichtig ist, dass der Anwalt deine Interessen vertritt, Deine Rechte wahrt und dich verteidigt. Du musst prüfen, ob er das tut, weil er reich werden will oder weil er Durchblick hat. Wenn er Durchblick hat, dann will er nicht reich werden. Dann ist er engagiert auf der Seite derjenigen, denen ihre Rechte genommen werden, nur weil ihr Einsatz dem Volk und Land gilt. Er vertritt nicht die Klienten, die ihn gut bezahlen, sondern die, auf deren Seite er steht. Er arbeitet, so gesehen, nicht für Geld.
Vergewissere dich rechtzeitig bei deinen Kameraden oder bei Gefangenenhilfsorganisationen, ob in deiner Umgebung, in deiner Stadt oder in der Nähe solch ein Anwalt ist. Es ist ratsam, sich mit dieser Frage nicht erst zu befassen, wenn man in der Klemme sitzt. Meist drängt dann die Zeit. Du kannst eine Menge Energie und Nerven sparen, wenn du vorher schon weißt, wer dir helfen kann.
Viele meinen, man dürfe Anwälte nicht mit “unwichtigen” oder gar “unpolitischen Sachen” des täglichen Lebens von den wichtigen, großen Fällen abhalten. Wenn der Anwalt Durchblick hat, dann weiß er, dass Unterdrückung und Umerziehung in allen Bereichen aktiv ist.
Unterdrückung funktioniert im Wesentlichen dadurch, dass die eigenen Leute Niederlagen haben, weil sie sich schwach fühlen.
Kosten für den Anwalt
Versuche mit dem Anwalt ein Gestgeld auszuhandeln. Sage ihm wie viel Geld du zur Verfügung hast und bitte ihn darum, dich für einen Festbetrag zu verteidigen. Schlage vor für die Rechtszüge z.B. 1000 Euro zu veranschlagen. Die meisten Anwälte gehen darauf ein. Schnell könnten die Kosten immens steigen und Du bekommst nach deiner Freilassung eine sehr hohe Rechnung. Mit dem Festbetrag kann dir das nicht passieren.
Solltest du sehr knapp bei Kasse sein, versuche ob du die Kosten auf den Staat abwälzen kannst. Du oder dein Anwalt können Prozesskostenbeihilfe (PKH) beantragen. Wenn du kein Einkommen hast, Arbeitslos oder von Sozialhilfe lebst, solltest du unbedingt PKH beantragen. Ein Formblatt ausfüllen, bei Gericht beantragen und der Staat übernimmt einen Prozentsatz deiner Anwaltskosten. Oftmals sogar fast 70 bis 90 %. Dann brauchst du dir keine Sorgen um das finanzielle machen, und du klagst gegen den Staat mit seinem eigenem Geld. Dann kann auch dein Anwalt die Kosten voll ausnutzen und arbeitet motivierter an deiner Freilassung.
Versuche mit dem Anwalt alle Fehler aufzudecken die Beamte bei der Festnahme, Durchsuchung usw. gemacht haben. Viele Kameraden sind aus der Haft wieder entlassen worden, weil übereifrige Polizeibeamte und Staatsanwälte “Formfehler” gemacht haben und somit rechtswidrig eine Inhaftierung angeordnet haben. Wenn ihr die Fehler dem Richter glaubhaft darlegt wird er schnell seinen Haftbefehl fallen lassen und ihr werdet aus der Haft entlassen.
Der Fehler der oftmals von Behörden gemacht wird ist, dass du zu übereifrig bei einem Verhör in die Mangel genommen wurdest und unter psychischem Druck zur Aussage “gezwungen wurdest”. Kannst du das beweisen bist du so gut wie frei. Bedenke dass du alle Aussagen, mit einem guten Grund, widerrufen kannst. Als Gründe könntest du Psychodruck oder Alkoholeinfluss nennen.
Handlungsabläufe skizziert
Der Umgang mit der BRD – Exekutive wird in mehreren Schriften ausreichend beschrieben. Die Praxis ist jedoch, dass scheinbar unproblematische Handlungsabläufe gar nicht so unproblematisch sind – vor allem dann, wenn man unter Zeitdruck handeln muss.
Die nachfolgenden Informationen sollen den Handlungsablauf folgender Situation skizzieren:
“Kamerad Mäxchen Treuherz wird morgens unsanft geweckt. Vor seinem Bett stehen mehrere Beamte des BRD – Systems, verhaften ihn, durchsuchen seine Wohnung. Während der Fahrt zum Revier erfährt Mäxchen was ihm vorgeworfen wird. Zum Glück kann er noch eine Nachricht an seine Freundin Julia senden …”
Welche Informationen braucht Julia von Mäxchen?
- Wo wird Mäxchen festgehalten?
- Was wird Mäxchen vorgeworfen?
- Wann wurde Mäxchen verhaftet?
- Möchte Mäxchen einen Anwalt einschalten?
- Wann soll Mäxchen dem Haftrichter vorgeführt werden?
Nachdem Julia die nötigen Informationen von Mäxchen erhalten hat sucht sie die Anwalt – Notrufnummern für Strafrecht aus ihrem Notizbuch. Sie wählt die erste Nummer – Telefon aus. Gut das sie sich mehrere Anwalt – Notrufnummern aufgeschrieben hat. Die zweite Nummer – es geht jemand ran, leider ist er gerade unterwegs und schafft es aufgrund der Entfernung nicht mehr rechtzeitig zu Winston zu kommen. Die dritte Nummer – endlich, Julia bekommt Hilfe.
Was sollte Julia beim Gespräch mit dem Anwalt beachten?
Julia weiss nicht weswegen, sondern nur was Mäxchen vorgeworfen wird. Sie erinnert sich das Mäxchens Aktionen durchgeführt hat welche unter diesen Strafbestend fallen. Sie weiss jedoch nicht ob er wegen dieser Aktionen verhaftet wurde. Da sie aus dem privaten Umfeld von Mäxchen kommt muss Julia damit rechnen das ihr Telefon angezapft wird. Deshalb erzählt sie dem Anwalt nichts von der Aktion! Ohnehin währe es nur einer Vermutung.
Welche Informationen braucht der Anwalt?
- Wo wird Mäxchen festgehalten?
- Den Namen von Mäxchen.
- Die Adresse von Mäxchen.
- Das Geburtsdatum von Mäxchen.
- Das Revier in dem Mäxchen festgehalten wird.
- Der Vorwurf der Mäxchen gemacht wird.
- Wann Mäxchen verhaftet wurde.
- Wann Mäxchen dem Haftrichter vorgeführt werden soll.
- Den Namen von Julia (bzw. der Eltern von Mäxchen).
- Die Telefonnummer von Julia (bzw. der Eltern von Mäxchen).
Spätestens nach dem Gespräch mit dem Anwalt sollte Julia den engen Kameradenkreis von Mäxchen informieren damit sie ggf. ihre Wohnung auf einen Besuch vorbeireiten können. Julia sollte die Zeit natürlich auch nicht ungenutzt vergehen lassen.
Kommentar hinzufügen