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Hausdurchsuchung und Festnahme

Rechtsgrundlage für Hausdurchsuchungen sind die §§ 102 ff. StPO. Diese Vorschriften schränken das in Artikel 12 des Grundgesetzes garantierte Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung ein. Das Gesetz regelt ausführlich, wann und unter welchen genau beschriebenen Bedingungen in dieses grundsätzlich geschützte Rechtsgut eingedrungen werden darf:

  • Nur auf richterliche Anordnung. Lediglich bei Gefahr im Verzug auch auf Anordnung der Staatsanwaltschaft oder bestimmter Kriminalbeamter (§ 105 StPO);
  • Nachts darf dies nur bei Verfolgung auf frischer Tat oder bei Gefahr im Verzug angeordnet werden (§ 104 StPO);
  • Wenn kein Richter oder Staatsanwalt der Durchsuchung beiwohnt, so sind wenn möglich ein Gemeindebeamter oder zwei andere neutrale Zeugen zuzuziehen (9105 Abs. 2 StPO);
  • Eine Durchsicht der Papiere des von der Durchsuchung Betroffenen steht nur dem Richter zu, es sei denn, der Betroffene ist mit der Durchsicht durch andere einverstanden (§ 110 StPO).

Für den normalen Recht empfindenden Bürger, der keine einschlägigen Erfahrungen hat, liest sich das Gesetz wie ein Katalog von rechtsstaatlichen Garantien zur Wahrung seiner Wohn – und Lebenssphäre als Schutz vor polizeistaatlichen Eingriffen.

Bestimmte Gesetzestexte sind reine Justizpropaganda. Mit ihnen soll bei allen, die es lesen, der Glaube an die heile Justizwelt erhalten werden. Jeder der Erfahrungen mit Hausdurchsuchungen hat, weiß, dass die Praxis anders aussieht.

Die Ermittlungsbehörden bedienen sich dabei des Begriffes der “Gefahr im Verzug”. Was vom Gesetzestext her als Ausnahme formuliert ist, wird in der Praxis zur Regel. Ohne im Einzelnen näher zu begründen, woran die Gefahr zu sehen ist, wird unter Umgehung von Gericht und Gesetz in vielen Fällen so verfahren, als gäbe es weder Gesetz noch StPO.

Der Rechtsbegriff “Gefahr im Verzug” wird zur leeren Legitimationsfloskel für rechtswidrige Ermittlungsmethoden:

  • Beschwerde gegen die Hausdurchsuchung einzulegen ist sinnlos, weil sie keine aufschiebende Wirkung hat. Da aber das Gericht erst entscheidet, wenn die Beamten längst über alle Berge sind, ist die Beschwerde gegenstandslos. Eine beendete Maßnahme lässt sich nicht mehr verhindern.
  • Eine Strafanzeige gegen die verantwortlichen Beamten etwa wegen Hausfriedensbruch im Amt oder wegen Nötigung ist sinnlos. Die Anzeige wird von der Staatsanwaltschaft und der Kripo bearbeitet. Selbst wenn ein rechtlich denkender Staatsanwalt oder Kriminalbeamter diese Methoden für ungesetzlich halten sollte, so wird dieser doch nicht gegen seinen Chef, der wieder einen Chef hat, ein Verfahren durchsetzen können.
Beachte bitte das Kapitel: Hausdurchsuchungen

Erfahrungsprotokoll – Eine Hausdurchsuchung

Ich wache auf, weil jemand an der Tür rüttelt. Ich denke: Einbrecher! Dann ein kurzes Klingeln und ehe ich ganz wach bin und aufstehen kann, sind sie schon da. Ein Rollkommando der Polizei mit Maschinenpistolen im Anschlag stehen um mein Bett herum. Sofort fallen mir Zettel ein, Adressenlisten, Bücher, die verboten sein könnten. Immer dieses verdammte schlechte Gewissen. Sehe ich einen Polizisten auf mich zukommen, überlege ich sofort, ob ich irgend etwas falsch gemacht haben könnte. Vielleicht sind wieder Schriften von Zündel oder Walendy verboten worden – einen Moment scheint mir alles möglich. Dann komme ich wieder zu mir und frage, warum sie bei mir Hausdurchsuchung machen.

“Hier sind wir es, die Fragen stellen, das werden sie schon früh genug erfahren.”

Nun möchte ich den Durchsuchungsbefehl sehen. “Durchsuchungsbefehl?”, sagt einer höhnisch, “den brauchen wir nicht, Gefahr im Verzug.” Einer bewacht das Telefon, und als ich verlange mit meinem Anwalt zu telefonieren, heißt es “das könne ich später tun”. Sie benehmen sich so, als ob ich froh sein müsste, von ihnen überhaupt eine Antwort zu erhalten.

Jeder einzelne von ihnen ein kleiner Machthaber. Aber wahrscheinlich haben sie selber Angst, vermuten ein Waffenlager oder so etwas, fühlen sich in Feindesland. Als würden sie erwarten, dass ihnen jeden Augenblick ein Partisan in den Rücken springt. Sie holen alle Bücher aus den Regalen herunter, wühlen in Zeitschriften, in Archiven, alten Fotomappen, persönlichen Briefen. Der Herr in Zivil, wohl der Staatsanwalt, will wissen, wer denn das auf dem Bild sei, von wem ich denn so viele Briefe bekomme. Als er keine Antwort bekommt, zeigt er auf die Tür eines etwas abgelegenen Zimmers, in dem eine Freundin wohnt, deren Namensschild auch an der Tür hängt. Er fragt, wessen Zimmer das sei. Ob er darauf eine Antwort erwartete weiß ich nicht. Jedenfalls wollen sie mir jetzt wohl zeigen, was eine Harke ist. Sie brechen auch dieses Zimmer auf, reissen überall die Laken aus den Betten, heben die Matratzen hoch, zerren die Platten aus den Hüllen, in der Küche das ganze Geschirr aus den Regalen, das Besteck dazu und kippen zur Krönung noch Marmelade drüber. Sie stampfen durch die Wohnung, als wären sie hier zu Hause und machen einen Lärm, dass mir Angst und Bange wird. Die Nachbarn könnten sich aufregen und der Hauswirt uns kündigen. Endlich sind sie fertig. Ich bestehe darauf, dass ein Protokoll gemacht wird und bin froh, als sie wieder weg sind.

Was sagt uns dieser Bericht?

Die Polizei stürmt deine Wohnung bei Tag und Nacht, wie und wann sie will. Gefahr im Verzug ist immer. Zeugen sind “leider” nie erreichbar. Anwalt? Was wollen sie denn mit dem? Hilft nur noch eins: Die ganze Aktion wie einen Heuschreckenschwarm über sich ergehen lassen, damit der Schaden möglichst gering bleibt. Das kostet Nerven. Diesen Aufwand an Angst und Nervenkraft kannst du gering halten, wenn du folgendes berücksichtigst:

Es gehört zur Taktik der Polizei, Durchsuchungen zu einer Zeit durchzuführen, in der du am wenigsten damit rechnest und am wenigsten widerstandsfähig bist

Auf diese Weise erhofft man sich Angstreaktionen von dir, die als Ermittlungshinweise für die Polizei wertvoll sein könnten. Also kommt man am frühen Morgen vor dem Aufstehen. Es klingelt oder klopft an der Tür zu einer Zeit, in der nur gute Bekannte zu dir wollen. Die Beamten stürzen schwer bewaffnet in unbegreiflichen Mengen an dir vorbei und besetzen alle Räume in der Wohnung. Du siehst Uniformen neben deinem Bett, Maschinenpistolen in der Küche, und wenn du aufs Klo willst, musst du erst einen Beamten verscheuchen. Deine Wut wird durch deine Ohnmacht gesteigert. Deine Hilflosigkeit macht dir Angst. All diese Reaktionen stärken die Gegenseite. Mach dich von deinem inneren Zwang frei, indem du Widerstand leistest. Äussere Empörung über Zweck und Recht der Aktion. Auch hier gilt: Nichts sagen! Auch wenn man die Aktion dadurch verlängert, du bist rechtlich nicht verpflichtet zu helfen. Am besten ist, wenn du dir in einer ruhigen Stunde mal überlegst, wie du im Falle einer Durchsuchung reagierst. Dann bist du mindestens gedanklich darauf vorbereitet und kannst dich zu einer angemessenen Reaktion zwingen, da du nicht lange nachzudenken brauchst. Versuche so zu reagieren, als geschehe das jeden Tag. Gib den Beamten nicht die Gelegenheit, sich daran zu weiden, wie du dich vor ihnen in deinem Bett oder Nachtgewand schämst. Wenn sie schweinische Bemerkungen machen, so gehe nicht darauf ein. In diesem Sadismus legen sie es oftmals gerade darauf an, dich zu provozieren. Gib ihnen nicht die Ehre, in diesem provozierenden Spiel ihr Partner zu sein. Betrachte sie wie geschlechtslose Wesen, vor denen sich zu schämen überflüssig wäre. Womöglich ist es gerade ihre Angst vor dieser Geschlechtslosigkeit, die sie mit ihren Provokationen töten wollen. Du bist der Überlegene, wenn du dich nicht darauf einlässt. Geh in die Küche und koche dir einen Kaffee. Versuch nicht etwas “zu retten”. Das geht meistens schief. Auf solche Reaktionen ist die Polizei vorbereitet. Darin hat sie Erfahrung. Das lernt sie bereits auf der Polizeischule. Nach zwei Stunden spätestens sind sie wieder weg. Dann ist der Spuk vorbei und du bist eine Erfahrung reicher.

Allerdings ist für deine persönliche Ruhe einiges zu beachten:

  • Verliere nie den Überblick über Sachen, die in deiner Wohnung sind.
  • Bewahre keine Sachen auf, die nicht unbedingt für dich von Bedeutung sind.
  • Lege keine Korrespondenzarchive an.
  • Mach dich frei von Souvenir- und Dokumentenfetischismus.

Es gibt Kameraden, die schon jetzt dafür arbeiten, dass die spätere Geschichtsforschung möglichst lückenlos Material über unsere Aktivitäten erhält. Wer Adressen, Waffen usw. in seiner Wohnung aufbewahrt, zeigt damit, dass er nur noch in einer Hinsicht ernst zu nehmen ist:

Als Gefahr für seine Kameraden und sich selbst.

Hausdurchsuchungen kommen plötzlich. Sie kündigen sich nicht durch Sternzeichen und andere geheimnisvolle Zeichen an. Lass dich nicht überreden, für Unbekannte oder “gute Freunde” Sachen in deiner Wohnung unterzustellen, von denen du nicht beurteilen kannst, wozu sie gut sind oder woher sie stammen. Nicht selten folgt solchen Provokationen die “fündige Hausdurchsuchung” auf dem Fuße. Das ganze klingt, als sei das Ertragen einer Hausdurchsuchung ein Kinderspiel. Das ist es ganz bestimmt nicht. Kaltschnäuzigkeit und besonnen zu bleiben kostet eine Menge Energie. Es ist nicht einfach, wenn du zusehen musst, wie die Beamten mit zynischen Bemerkungen deine Sachen durchschnüffeln, oder wie sie Sachen behandeln, die dir wertvoll sind. Sie werfen deine Bücher auf die Erde und schütteln sie, dass die Seiten fliegen. Es ist vorgekommen, dass sie Lebensmittel auf den Fußboden ausschütten. Wer sich später dagegen erfolgreich zur Wehr setzen will, ist meist in Beweisschwierigkeiten. Sieh zu, dass es Leute gibt, die wissen in welchem Zustand deine Wohnung sich gewöhnlich befindet und wie aufgeräumt sie ist.

Wenn Du Kinder hast, überlege dir jetzt schon einmal, was du mit ihnen tust, falls die Polizei kommt. Die Angst, in so einem Fall allein zu sein oder nicht zu wissen wohin, stärkt die Gegenseite gewaltig.

Die Polizei kommt manchmal mehrmals hintereinander, weil sie denkt, man sei so blöd und hole nach überstandener Gefahr jetzt all die gesuchten Sachen hervor. Auch das ist Routine und darf dich nicht aus der Fassung bringen

Die Festnahme

Bei Festnahmen erscheint meist ein Polizeiaufgebot in einer Stärke und Bewaffnung, die die Aktion für dich unübersehbar und undurchschaubar macht. Das soll dir den Eindruck vermitteln, man hätte derart viele Erkenntnisse über Deine Gefährlichkeit, dass man dich eigentlich auf der Stelle erschießen könnte. Mancher hat sogar die Beobachtung gemacht, dass die Beamten provozierend am Abzug der Waffe spielten. Dir fällt dann ein, dass du ja nicht der erste wärst, der bei so einer Situation auf der Straße stirbt. Die Angst, die du dann hast, ist wohl berechtigt, aber von den Anderen genau einkalkuliert.

Ein Polizist, der seine Finger am Abzug nicht beherrschen kann, wird erfahrungsgemäß nach aussen hin abgeschirmt. Die Pressepolitik der Polizei ist geschickt genug, um mit einigen in Kauf genommenen kritischen Abstichen ungeschoren aus einem solchen Fall hervorzugehen. Der Beamte selbst hat aber in der Folge eine solche Fülle von Scherereien, dass er schon sehr abgebrüht sein muss, um auf einen noch so wichtigen Festgenommenen zu schießen. Die Beamten haben einen Haufen von Vorgesetzten, die sich alle nach oben reinwaschen. Verfehlungen werden nach unten weitergegeben.

Sie kennen keine Kameradschaft, sondern nur Kumpanei. Jeder von ihnen will befördert werden. Jeder weiß, dass die Stellen begrenzt sind. Also konkurrieren sie. Sie wünschen dem Kollegen Niederlagen. Sie gönnen den Vorgesetzten den Anschiss von seinem Chef. Sie arbeiten unter Stress und wissen doch oder fühlen zumindest, dass eine Polizei mit ihrem Apparat noch lange keine Gewähr gegen eine nationale Revolution bietet.

Das soll natürlich nicht heißen, dass du nun “Verständnis” oder gar Mitleid für die Lage der Polizeibeamten haben oder dich gar aufgrund einer gemeinsamen “Gesellschaftssituation” mit ihnen verbrüdern sollst.

Das soll dir nur zeigen, dass die Polizeibeamten von Erfolgszwang und Existenzängsten getrieben sind und daß du in der Konfrontation keineswegs der Schwächere bist. Das wollen sie dir nur glauben machen. Deshalb müssen sie ihre Stärke mimen. Sie wollen dich kleinkriegen. Solange du nicht klein bist, sind sie es, in den Augen ihrer Vorgesetzten und in ihren eigenen.

Erkennungsdienstliche Maßnahmen

Erkennungsdienstliche Maßnahmen (Fingerabdrücke, Lichtbilder, Speichelprobe und ähnliches z.B. “Ganzkörpernacktaufnahme”) dürfen nach §81b StPO nur gegen Beschuldigte, nicht gegen Zeugen getroffen werden.

Sie müssen für die Ermittlungen notwendig und zu den vermuteten Straftaten verhältnismäßig sein.

  • Verlange, sofort deinen Anwalt telefonisch sprechen zu können.
  • Lege gegen die erkennungsdienstliche Behandlung sofort Widerspruch ein und beantrage die sofortige Aussetzung des Vollzugs.

Verlange (notfalls gerichtlich) die unverzügliche Vernichtung der erkennungsdienstlichen Unterlagen, wenn sie für die Ermittlungen nicht notwendig und zu den vermuteten Straftaten unverhältnismäßig sind. Dies kann gleichzeitig mit der Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den/die handelnden Beamten geschehen (zu richten an die vorgesetzte Behörde, z.B. das Polizeipräsidium).

Die Einschüchterungstaktiken der Polizisten

Die Strategie, dich kleinzukriegen, setzt bereits beim ersten Zugriff der Polizei oder sonstigen Ermittlungsbehörden ein. Es treffen hier oftmals verschiedene Interessen zusammen: Sadistisch- erotische Neigungen der einzelnen Beamten, politische Interessen, der Wunsch, den Kollegen zu imponieren und schließlich das konkrete Ermittlungsinteresse.

Du wirst also bereits von Anfang an auf verschiedenen Ebenen in die Zange genommen, ohne dich in angemessener Weise wehren zu können. Sie schüchtern dich mit ihrem Aufwand an Waffen und Beamten ein. Sie versuchen dir mit Hilfe von besonderen Polizeigriffen Schmerzen zuzufügen. Sie drehen dir die Arme bis “zum Anschlag” um, so dass du fürchtest, sie werden sie dir brechen. Anschließend wirst du in ein Polizeiauto geworfen. Dort erwarten dich dann Beamte, die dich mit Redensarten eindecken. Diese Redensarten sollen dir zeigen, dass du völlig in ihrer Gewalt bist. Du weißt, dass du später keinen für irgend etwas zur Verantwortung ziehen kannst, denn falls du Anzeige erstattest, hat keiner der Beamten etwas gehört oder gesehen. Vor allem, wenn du eine Frau oder ein Mädchen bist, lassen sie ihren Reden und Phantasien oftmals freien Lauf. Sie diskutieren in deiner Gegenwart eingehend dein Äußeres, deine Fehler und Vorzüge. Sie bedrängen dich hart mit ihren Worten und Redensarten.

Wenn du ein Junge oder ein Mann bist, werden sie vor deinen Ohren das ganze Arsenal von Gewalttätigkeiten abspulen, dessen ihre Phantasie und wohl auch ihr Praxis fähig ist.

Erfahrungsbericht: Allein auf dem Revier

Auf dem Revier haben sie mir wieder die Handschellen abgenommen. Ich musste meine Taschen ausleeren und meine Personalien angeben. Dann kann ich wieder warten.

Die Festnahme geht mir wie ein Film durch den Kopf. Der Polizeiwagen, der plötzlich hinter mir ist. Dann noch einer, der mich überholt und sich querstellt. Sie springen mit gezogenen Pistolen heraus und zerren mich aus dem Auto. Eine Antwort auf die Frage, was das ganze denn soll, kriege ich nicht. Sie haben hier die Macht, und nur sie haben das Recht, Fragen zu stellen. Sie sind aufgeregt und warten nur darauf, dass ich irgend etwas sage oder wütend werde, damit sie mich verprügeln können. Ganz schön kaputt diese Typen.

Dann in Handschellen aufs Revier. Und nun sitz ich hier.

Erst haben sie mich behandelt wie einen Hochexplosivstoff und nun tun sie so, als wäre ich gar nicht da. Sie gehen raus und rein, telefonieren, reichen sich Akten zu und flüstern, man hat das Gefühl, dass sie dir ein ganz dickes Ding anhängen wollen. Und dann diese Warterei und Ungewissheit. Warum haben sie dir die Wohnungsschlüssel abgenommen? Du sitzt, wartest und machst dir immer verrücktere Gedanken.

Endlich kommt einer und führt dich in einen anderen Raum. Er fragt nochmals nach meinen Personalien und will dann wissen, wo ich vorher gewesen bin. In diesem Moment bin ich fast so weit, dass ich meinen Vorsatz, nur vor dem Richter auszusagen, aufgebe. Nur um hier schnell wegzukommen. Und das ist ja wirklich eine Kleinigkeit zu sagen, wo ich gewesen bin. Aber dabei wird es natürlich nicht bleiben. Die nächsten Fragen wären: “Wo waren sie vorher, mit wem und wen kennen Sie da.”

Also will ich doch erst einmal wissen, was mir vorgeworfen wird. Ich verlange meinen Anwalt zu sprechen. Nun muss ich wieder warten. Am besten, ich schlafe ein bisschen.

Schlimmstenfalls kriege ich einen Haftbefehl, dann werde ich eben das Gefängnis mal von innen kennenlernen. Schließlich hat die Warterei ein Ende.

“Kommen Sie mit”, sagt einer und einen Moment lang hoffe ich, nach Hause gehen zu können. Draußen wartet aber schon ein Wagen und ich muss einsteigen. Wohin es geht wird mir nicht gesagt. Die Sitzzelle im Auto ist wirklich winzig, keine Luft und eine Fahrt ins Ungewisse. Man wird hin und her geschaukelt. Das Auto hält und die Minizelle wird aufgeschlossen. Ich bin auf einer ganz normalen Straße.

Ein Schild: Gerichtsmedizinisches Institut.

Mir wird Blut abgezapft. Dann wieder ins Auto. Diesmal dauert die Fahrt etwas länger: Ein Krankenhaus, in dem eine Urinuntersuchung vorgenommen wird. Die Tür zur Toilette bleibt offen, damit ich nicht entwischen kann. Dann ist auch das überstanden und ich komme zur Gothaer Straße – Polizeigefängnis – und wieder warten.

Wovor haben die Polizeibeamten und die Herrschenden Angst?

Das System, das diesen Apparat gegen dich mobilisiert, hat doppelte Angst. Sie wissen, dass ihre Tage gezählt sind, wenn du zu stark wirst. Ihre Stärke basiert auf Gewalt und auf der Demonstration von Gewalt. Dadurch wollen sie ihre Angst vor dir und deiner Idee verringern

Dazu kommt die Angst derjenigen, die Helfer der Herrschenden sind: Die Beamten. Du wirst sie auch in Verhören immer wieder beobachten können. Sie wollen das treffen und vernichten, was sie für deinen Stolz halten. Es gehört zu den traditionellen Praktiken der Verfolgungsorgane, zunächst zu versuchen, den Festgenommenen oder Gefangenen in seiner Persönlichkeit, seinem Stolz und seiner Menschenwürde zu vernichten. Er soll in eine Situation gebracht werden, in der er sich selbst nicht mehr achten kann. Er soll weinen, schreien oder um Gnade bitten. Er soll einen Begriff von totaler Macht – und Hoffnungslosigkeit bekommen.

Du musst dich darin üben, deinen Stolz auf eine andere Grundlage zu stellen

Überlege dir genau, woran es liegt, dass dich Beamte, deren Funktion du rational genau einschätzen kannst, überhaupt beleidigen können. Du weißt, dass es eigentlich überhaupt keine Bedeutung für dich haben kann, was ein Polizist in einer solchen Situation zu dir sagt. Tatsächlich sind in uns aber eine ganze Reihe von Denk- und Verhaltensweisen lebendig, die sich nicht vom Verstand her wie durch einen Knopfdruck abschalten lassen.

Im Lauf der letzten Jahre hat es sich gezeigt, dass gerade diejenigen Leute am wenigsten gegen derartige Angriffe gewappnet waren, die meinten, ihre akademische “Überlegenheit” von Bildung und Herkunft, ihr politisches Bewusstsein und die Freizügigkeit ihrer Lebensweisen machten sie dagegen immun. Diese Leute haben lernen müssen, dass in den Festnahmesituationen gerade diese “Überlegenheit” nicht zählt, sondern völlig unwirksam ist.

Deine Schwäche ist Deine Stärke

Du musst dir die Zweigleisigkeit dieser Situation bewusst machen. Du bist auf der eben geschilderten Ebene der Schwächere. Die Polizei ist in der Überzahl und in einer Gruppe, in der sie sich nach außen sicher fühlt. Dennoch muss etwas an dir sein, was sie zu Äußerungen reizt, mit deren Hilfe sie sich selber bestätigen müssen. Wenn du tatsächlich das “Würstchen” wärest, verlören sie kein Wort über dich. Sie würden sich mit dir dann bestimmt nicht auseinandersetzen.

Aber du reizt sie. Sie wissen oder spüren, dass ihre Überlegenheit nur so lange vorhält, wie sie dich im Wagen oder in der Zelle haben.

Du repräsentierst für sie eine Kraft, die sie politisch fürchten. Du repräsentierst ihre Zweifel an diesem System, ihre eigene Unterworfenheit, die sie ständig verdrängen und durch Kraftmeierei zu überspielen suchen. Du demonstrierst allein durch dein Dasein und deine Praxis Stärke, die ihnen ihre eigene Schwäche bewusst werden lässt. Diese Schwäche können sie nicht ertragen.

Deshalb demonstrieren sie Stärke, wie jemand, der seine Angst durch lautes Pfeifen verdecken will. Die Verhaltensforschung nennt das bei Tieren Imponiergehabe.

Imponiergehabe hat nur der Schwächere nötig. Also steige nicht auf diese Ebene der Konfrontation ein. Du bist nicht der Schwächere. Du bist der Stärkere, den sie erst kleinkriegen wollen

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