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80. Prozesstag gegen das Aktionsbüro Mittelrhein

Im Folgenden berichten wir über die Verhandlungstage im AB-Mittelrhein-Prozess. Gegen 26 Angeklagte wird wegen Mitgliedschaft bzw. Unterstützung einer kriminellen Vereinigung (Aktionsbüro Mittelrhein) ein politischer Prozess, der seines Gleichen in der BRD sucht, vor dem Koblenzer Landgericht geführt. Noch immer befinden sich 7 Angeklagte seit mehr als einem Jahr in Untersuchungshaft.

von ABM Prozess

27. August 2013 – 80. Prozesstag

Beginn der Verhandlung gegen 10:20 Uhr.

Der Tag begann mit aufwendigen Sicherheitsmaßnahmen, gleich am Eingang des Landgerichts wurden Taschenkontrollen und Personenkontrollen durchgeführt. Damit aber noch nicht genug. Nach dem Motto, doppelt hält besser, wurde im ersten Stockwerk die Kontrolle vom Eingangsbereich noch einmal durchgeführt. Ob man damit etwa Misstrauen gegenüber der ersten Kontrolle zum Ausdruck bringen wollte oder ob es sich um eine Beschäftigungsmaßnahme, kurz ABM genannt, handelte konnte nicht geklärt werden. Nachdem der Saal dann mit den 26 Angeklagten und ihren Verteidigern gefüllt war, kam der große „Einmarsch“ der neuen Zeugin der Staatsanwaltschaft, D. Marie L. ehemals der „NaSo Wuppertal“ angehörend.

Sie betrat den Saal flankiert von gleich 4 Personenschützern und einem Zeugenbeistand. Im Saal waren zusätzlich noch Zivilpolizisten und auch uniformierte Polizisten anwesend.

Gleich zu Beginn wurde von Seiten der Angeklagten zum wiederholten Mal die miserable Essensversorgung an den Verhandlungstagen angesprochen. Ein warmes Essen am Abend d eines Verhandlungstages scheitert immer noch an einer angeblich fehlenden Mikrowelle in der JVA Koblenz. So zumindest die offizielle Version, die seit Monaten aufrecht erhalten wird.

Nach Belehrung der scheinbar so schützenswerten Zeugin, durfte diese dann auszugsweise aus ihrem bisherigen Leben berichten. Sie sei 21 Jahre alt, Krankenpflegerin und habe bereits in 9 Vernehmungen ausgesagt. Ihre Lebensbeichte wurde kurz unterbrochen, da ein in der 1. Reihe sitzender Verteidiger vortrug, sich durch die bewaffneten Personenschützer bedroht zu fühlen.

Im Anschluss daran konnte die Zeugin dann mit ihren Angaben loslegen. Sie schilderte ihre Zeit bei den NaSo Wuppertal, die sie als Kameradschaft mit einer Kasse und Mitgliedsbeiträgen bezeichnete. Ziel dieser Kameradschaft war laut Zeugin insbesondere das Ausspähen von politisch anders denkenden Personen. Diese habe man aufgrund ihrer Ideologie verachtet und sie verfolgt, bedroht und auch verletzt. Diese Auseinandersetzungen in Wuppertal gingen ihrer Meinung nach eher von der „rechten“ Seite aus. Sie machte Angaben zu den Strukturen der NaSo Wuppertal, benannte sowohl die führenden Personen als auch die einfachen Mitglieder mit Namen. Sie berichtete von Kontakten zu anderen Vereinigungen und von gemeinsamen Aktionen. Da sie ihre eigene Aussage wohl sehr lustig fand und ständig kicherte, wurde das Gericht durch eine Verteidigerin gebeten, dies zu unterbinden. Da dies scheinbar auch vom Gericht als störend empfunden wurde, kam der leitende Richter dieser Bitte nach.

Nun, etwas ernster, machte sie Angaben zu ihren damals engsten Freunden. Einen der in diesem Prozess Angeklagten bezeichnete sie sogar Als „Statussymbol“ für die Szene. Dieser habe dann auch die Kontakte zum sogenannten „Aktionsbüro Mittelrhein“ geknüpft und dort sehr großen Einfluss gehabt. Er sei einer der „Entscheider“ gewesen. Sie selbst war auch ca. 2009/2010 zu einer Besprechung im Zusammenhang mit dem „Rheinwiesenlager“ Gast in der WS17. Zu einem der Angeklagten habe sich ein guter Kontakt entwickelt, man habe sich viel geschrieben und lag auf einer Wellenlänge. Das es sich bei diesem „guten Kontakt“ um den „Kronzeugen“ der Staatsanwaltschaft handelt, braucht nicht kommentiert zu werden. Einen Großteil der Angeklagten kenne sie nicht.

Pause von 11:15 – 11:38 Uhr.

Nach der kurzen Pause, veranschaulichte die Zeugin ihre Sichtweise der Rheinwiesenlagerkampagne. Ihrer Meinung nach gab es wahrscheinlich keine Million Tote, sie möchte sich aber darüber kein Urteil erlauben. Da sie sich komplett von allen damaligen Bekannten abgewandt habe, möchte sie ihre heutige Meinung außen vor halten. Ihre Trauer habe sich aber schon damals in Grenzen gehalten.

Es folgten dann Angaben zu den Strukturen in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Zunächst sollten einige, mittlerweile offensichtlich erkennbar, durch die Staatsanwaltschaft konstruierte Begriffe erläutert werden.
Auch dieser Zeugin war der, in der Anklageschrift ständig auftauchende Begriff „Spieleabend“, total unbekannt. Den Begriff der Staatsanwaltschaft „Führerthings“ erklärte sie wie folgt: Es habe Besprechungen, über anstehende Aktionen im Rheinland, mit Vertretern aus mehreren Städten im Rheinland gegeben. Die teilnehmenden Personen konnte sie namentlich benennen, sie selbst habe 2-3 Mal als Stellvertreterin teilgenommen. Diese Treffen wurden jedoch nicht von einer Person fest geleitet, sondern jeder hätte Neuigkeiten aus seiner Region berichtet und die Treffen hätten den Charakter eines kleinen Kaffeekränzchen gehabt.

Zum Thema „Umgang mit einem Aussteiger“ konnte sie sie nur randläufig vom Hörensagen berichten, ob es im Haus darüber Gespräche gab, könne sie nicht sagen. Als Gründe, aus der rechten Szene auszusteigen, nannte sie die Anhäufung von Geschehnissen, die sie moralisch nicht mehr habe vertreten können. Der Knackpunkt sei jedoch ein Flohmarkt in Wuppertal gewesen. Dort sei ein Mädchen aus dem linken Lager mit einem Knüppel solange auf den Kopf geschlagen worden, bis sie einen Schädelbasisbruch erlitt. Dies habe sie erzählt bekommen, war zur Tatzeit selbst aber nicht mehr anwesend. Der leitende Richter ließ sich von ihr die Namen der am Überfall beteiligten Personen nennen.

Pause von 12:40 – 14:10 Uhr.

Als weitere Ausstiegsgründe führte sie unter anderem auch das Arbeitsverhalten in der Gruppe an.
Die Zeugin: „90% der Leute beschränken ihre politische Arbeit auf Saufen und Feiern am Wochenende, das Führerprinzip habe ihr mißfallen, in Wuppertal hätten außer ihr lediglich 2-3 Leute was gemacht, und den Rest musste man dauernd animieren, dass sie den Arsch hochbekommen.“

Mittlerweile engagiere sie sich eindeutig gegen Rechts, sei aber nicht bei der Antifa aktiv. Näheres wollte sie nach Rücksprache mit ihrem Zeugenbeistand dazu nicht sagen.

Sie äußerte sich im Anschluss über verschiedene Bedrohungen von ihren ehemaligen Freunden. Sie habe Morddrohungen erhalten, Leute haben vor ihrer Türe gestanden und es seien ihr von ehemaligen Kollegen aus Wuppertal Vergewaltigungsphantasien geschildert worden. Deswegen sei auch vom Staatsschutz angeregt worden, sie vor ca. 4 Monaten ins Zeugenschutzprogramm zu nehmen. Da der leitende Richter bei seiner Befragung äußerst „fürsorglich“ vorging, regte ein Verteidiger an:“ Herr Vorsitzender, wollen Sie die Antworten nicht gleich selbst geben?“ Erste Reaktion des OSTA Schmengler am heutigen Tag: „Das ist eine Ungehörigkeit!“

Pause von 15:00 – 15:25 Uhr.

Nach der Pause war das Thema der Befragung eine Flugblattverteilaktion in Wuppertal, durch die „Linke“ angelockt werden sollten. Laut Zeugin hätten 10-15 Leute Flugblätter verteilt, der Rest habe Ausschau nach Linken gehalten. Einige Pulheimer Kameraden hätten Baseballschläger dabei gehabt, generell seien aber alle mit Pfefferspray ausgestattet gewesen. Als dann 8-9 Personen der Antifa bis auf 30 Meter entfernt aufgetaucht waren, habe man diese, alarmiert durch einen Trillerpfiff, unter den Augen der Polizei, durch Elberfeld verfolgt. Sie vermute, dass die Polizei aus den eigenen Reihen im Vorfeld über diese Verteilaktion informiert wurde. Dies sei jedenfalls vorher so besprochen worden. Sie selbst habe per SMS potentielle Teilnehmer über diese Aktion informiert. Auch bei dieser Aktion habe sie damals schon Zweifel gehabt, wegen der Überzahl an „Rechten“. Nachdem ein Angeklagter vom leitenden Richter geweckt werden musste, wurde noch kurz das nächste Thema, Cinemaxx, Wuppertal angesprochen. Man habe sich dort, als Provokation der linken Seite gedacht, blicken lassen wollen, da u.a. ein Kurzfilm über die NaSo Wuppertal gezeigt werden sollte.

Ende der Verhandlung um 16:25 Uhr.

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