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86. Prozesstag gegen das Aktionsbüro Mittelrhein

Im Folgenden berichten wir über die Verhand­lungs­tage im AB-Mittel­rhein-­Prozess. Gegen 26 Angeklagte wird wegen Mitglied­schaft bzw. Unter­stützung einer kriminellen Vereinigung (Aktionsbüro Mittelrhein) ein politischer Prozess, der seines Gleichen in der BRD sucht, vor dem Koblenzer Landgericht geführt. Noch immer befinden sich 7 Angeklagte seit mehr als einem Jahr in Unter­suchungshaft.

von ABM Prozess

26. September 2013 – 86. Prozesstag

Hungerschikane der JVA Koblenz geht weiter!

Beginn 10:30 Uhr. Nach wie vor gab es doppelte Einlasskontrollen, dadurch wieder einmal verspäteter Beginn.

Direkt nach Eröffnung der Hauptverhandlung wurde der Kammerbeschluss bezüglich der Glaubhaftmachung der Zeugin D.-Marie L. zum letzten Verhandlungstag verkündet: „Die Entscheidung des Vorsitzenden wird bestätigt.“ Durch ihre Einbindung in die rechte und jetzt linke Szene stünde der Zeugin ein weitreichendes Zeugnisverweigerungsrecht zu.

Durch die Befragung des nächsten Verteidigers wurden sowohl einige ihrer bisherigen Aussagen relativiert, als auch einige Widersprüche aufgedeckt. Das wiederum führte dazu, daß bereits um 10:35 Uhr die erste Störung durch Zwischenruf durch OSTA Schmengler erfolgte.

Die Zeugin berichtete von einer verbalen Bedrohung durch vier Personen vor ihrer Haustür. Auch hier war niemand der Angeklagten beteiligt. Eine Bedrohung auf einer Demo gegen Rechts konnte durch die Zeugin nicht geklärt worden, da sie sich weder erinnern konnte, um welche Demo es sich handelte noch wann diese Demo in etwa stattgefunden hatte. Bezeichnend für das Aussageverhalten der Zeugin war auch eine ihrer polizeilichen Aussagen. Sie hatte angegeben, daß Personen aus Pulheim bei einer Verteilaktion in Wuppertal im Januar 2011 Baseballschläger, getarnt in Aldi-Tüten in einem Blumenkübel versteckt hätten. Durch mehrmaliges Nachfragen des Verteidigers, stellte sich nun heraus, dass sie selbst lediglich Aldi-Tüten, jedoch keine Baseballschläger gesehen hatte.

An anderer Stelle berichtete sie von Flaschenwürfen. Jetzt konnte sie sich nicht mehr an Flaschen erinnern. Ein paar Fragen gab es noch zu ihrem eigenen Verhalten in Dresden 2011. Auch da sehr ausweichende Antworten, bzw. keine Erinnerung mehr. Die Zeugin beginnt wieder nervös zu kichern. In der Folge waren ihre häufigsten Antworten dann: „Da habe ich schon was zu gesagt oder weiß ich nicht mehr.“

Wegen einer beanstandeten Frage wurde ein neuer Kammerbeschluss beantragt, so daß es eine Unterbrechung gab. Vorher hatten noch zwei Verteidiger die Möglichkeit angekündigt, weitere Anträge zu stellen. Da das Gericht nicht daran dachte, die Zeugin aus dem Saal zu schicken, erinnerten die Verteidiger daran.

Der erste Antrag befasste sich, wie schon verschiedene Anträge vorher, mit der unzulänglichen Verpflegung der U-Häftlinge an den Verhandlungstagen. Es sei dem Gericht seit Wochen bekannt, daß die inhaftierten Angeklagten kein warmes Essen erhalten. Auch nicht am Abend. Erst wenn drei Tage hintereinander verhandelt würde, gebe es eine warme Mahlzeit abends. Im Gegensatz dazu hätten Moslems während des Ramadans jeden Abend ihr warmes Essen erhalten.

Um die Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten zu erhalten, wurde beantragt:
1. Verbringung der Häftlinge in der Mittagspause zur JVA Koblenz, oder Essen aus der Gerichtskantine kommen lassen.
2. Abendessen in der JVA als warme Mahlzeit zu reichen.
3. Hilfsweise wird beantragt die U-Haft auszusetzen.

Es war davon auszugehen, daß dieser Kammerbeschluss nicht am heutigen Tag gefasst werden wird, sondern, wie heißt es so schön,“Zeitnah“.

Ein anderer Antrag hatte die Möglichkeit der Mitwirkung von Schöffen bei Haftentscheidungen in der Hauptverhandlung zum Thema. Anträge, die in der Hauptverhandlung gestellt würden, seien daher auch in der Hauptverhandlung unter Anwesenheit der Schöffen, zu entscheiden.

Pause: 11:15Uhr-11:45Uhr

Es folgte der Kammerbeschluss zur beanstandeten Frage: „Die Entscheidung des Vorsitzenden wird bestätigt.“ Nun hatte einer der „Lieblingsanwälte“ des OSTAs das Fragerecht – die Spannung wurde spürbar.

Angesprochen wurde das eigene Verhalten der Zeugin zum Thema Gewalt. Wie bekannt, hatte die Zeugin als Grund für ihren „Ausstieg“ ja die auf sie abstoßend wirkenden Gewalttaten anderer Personen als maßgeblich angegeben.

Zum Leidwesen der Zeugin wurde ein Artikel des Antifa Cafes Wuppertal, in dem sie selbst als besonders gewalttätig geschildert wurde, vorgetragen. In dem Artikel wurde u.a. geschildert, dass die Zeugin einer Person des linken Spektrums eine Gasschreckpistole ins Gesicht gehalten habe. Erklärungen dazu konnte die Zeugin nicht mehr abgeben, da ihr Zeugenbeistand den Vortrag als nicht zutreffend bezeichnete. Auch die nächste Frage wurde sofort beanstandet: „Ist ihr Verhältnis zur eigenen Gewalt ein anderes wie zu Gewalttaten anderer?“ Da die Zeugin sich auch bei dieser Frage auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berief, wurde durch den Verteidiger erneut eine Glaubhaftmachung der Zeugin gefordert.

Also Kammerbeschluss und somit Pause.

Nach der Pause wurde als erstes der Kammerbeschluss verkündet, der da lautete: „Die Entscheidung des Vorsitzenden, keine Glaubhaftmachung von L. zu verlangen, wird bestätigt, da der Zeugin ein umfassendes Verweigerungsrecht zusteht.“

Danach gab der Zeugenbeistand genau das bekannt, was er am vorletzten Verhandlungstag bereits angekündigt hatte. Die Zeugin sei in der Pause zu dem Entschluss gekommen, ab sofort umfassend (was auch immer das heißt) von ihrem Recht, die Aussage nach §55 zu verweigern, Gebrauch zu machen.

Wie gut also, dass diese Ankündigung des Beistands entgegen dem Wunsch der Verteidiger NICHT protokolliert wurde, damals sogar als Missverständnis abgetan wurde.

Auch die Tatsache, dass die Angeklagten erst im Anschluss an die Verteidiger in den Genuss gekommen wären, selber Fragen zu stellen, wurde somit geschickt abgebogen.

In einem für diese Kammer ungewöhnlich schnellen Tempo wurde die Zeugin unvereidigt entlassen. Es spielte auch keine Rolle, daß ein Verteidiger eine Vereidigung anmahnte. Der vorsitzende Richter: „Ich habe das jetzt so beschlossen, fertig!“

Dieser Verteidiger forderte zum Leidwesen des Gerichtes aber dennoch einen Kammerbeschluss. Der Beschluss war offenbar schon im Vorfeld beschlossen worden, da die Kammer, ohne sich wie üblich zurückzuziehen, sofort den allseits bekannten Satz sprach: “ Die Entscheidung des Vorsitzenden, die Zeugin unvereidigt zu entlassen, wird bestätigt.“

Außerdem schien ein beisitzender Richter mittlerweile so erbost zu sein, daß er offenbar ein paar böse Worte in Richtung dieses Verteidigers los schickte. Sehr geschickt gemacht und für die meisten unverständlich, jedoch für den Verteidiger immerhin so verständlich, daß er diesem Richter, bei Wiederholung, einen Strafantrag ankündigte.

Die Hauptverhandlung wurde um 12:20 Uhr unterbrochen. Nächster Verhandlungstag ist der 22. Oktober 2013.

Man darf gespannt sein, ob das Gericht in der dreiwöchigen Verhandlungspause in der Lage sein wird, fortlaufend so wie es das Gesetz vorschreibt, die Voraussetzungen für die Haftfortdauer der Untersuchungshäftlinge zu prüfen.

Mittlerweile wurde für einen der Inhaftierten ein sehr hoher Kautionsbetrag angeboten.

Wahrscheinlicher ist jedoch, daß das Gericht sich, wie gehabt, peinlichst genau an die abgegeben Stellungnahme des OSTA Schmengler hält, der gefordert hatte: „Der Haftbefehl ist nicht aufzuheben, da der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gegeben ist.“

Auch ein schöner Textbaustein, der ohne nähere Begründung immer wieder gerne genommen wird.

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