Seit dem 25.03.2005 gilt ein Änderungsgesetz zum Versammlungsgesetz und zum Strafgesetz (BGBl. 2005 Teil I, S. 969).
Darin wird zum einen § 15 des VersG geändert und eine Versammlung kann jetzt auch verboten oder von bestimmten Auflagen abhängig gemacht werden, wenn die Versammlung am Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin oder an anderen Orten stattfinden soll, die als Gedenkstätte von historisch herausragender, überregionaler Bedeutung an die Opfer der menschenunwürdigen Behandlung unter der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft erinnert und konkret zu besorgen ist, daß die Versammlung die Würde der Opfer beeinträchtigt.
Darin wird zum anderen § 130 IV StGB geändert und ab jetzt auch bestraft, wer den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, daß er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.
Wichtig ist dabei, daß die Versammlung nicht bloß dann verboten werden darf, wenn sie an den genannten Orten stattfindet, und daß das bloße Billigen, Verherrlichen oder Rechtfertigen des Nationalsozialismus nicht strafbar ist, sondern daß zusätzlich noch die Würde der Opfer beeinträchtigt bzw. verletzt werden muß. Wann dies der Fall ist, ist noch unklar. Es wird hier vermutet, daß eine Verletzung der Würde der Opfer – ähnlich wie in § 130 I StGB eine Verletzung der Menschenwürde – dann vorliegt, wenn ihnen das Opfer-Sein abgesprochen oder sie als minderwertig bezeichnet werden. Klarheit wird erst gegeben sein, wenn entsprechende Gerichtsentscheidungen zu diesen beiden neuen Vorschriften vorliegen.
Erfreulicherweise hat bereits jetzt das Bundesverfassungsgericht Gelegenheit gehabt, zu dieser Klärung beizutragen:
E.H. aus S. B. meldete in der Gemeinde Ahlbeck für den 16.04.2005 eine Versammlung zum Thema „Sechzig Jahre Befreiungslüge – Wir feien nicht! Wir klagen an! Kriegs- und Menschlichkeitsverbrechen verjähren nicht, trotz künstlich geschaffener aufgezwungener EG/EU-Gebilde“. Die Landrätin des Landkreises Ostvorpommern unterstellte dem Anmelder, er handele volksverhetzend insbesondere nach dem neuen § 130 StGB und verbot die Versammlung. Das u.a. angerufene Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern zog einen Internet-Aufruf eines Dritten zu dieser Versammlung heran, in der es u.a. hieß: „Schluß mit der Befreiungslüge … In Wirklichkeit war der 8. Mai 1945 ein Tag der Trauer, der Qual und des Elends… Das deutsche Volk hatte sechs Jahre lang im gewaltigsten Krieg aller Zeiten um die Existenz gekämpft…“ und sah diese Ausführungen für volksverhetzend an und bestätigte das Versammlungsverbot.
Erst das Bundesverfassungsgericht bestätigte den Beschluß des Verwaltungsgerichtes Greifswald und hob das Versammlungsverbot durch Beschluß vom 16.04.2005, Az. 1 BvR 808/05, auf. Genaueres wird man erst wissen, wenn die Begründung des BVerfG in einigen Wochen vorliegt, – aber schon jetzt kann man sagen, daß die oben genannten Worte von der „Befreiungslüge“ keine Volksverhetzung nach dem neuen § 130 IV StGB sind.
Das Deutsche Rechtsbüro bittet daher um folgendes:
- Seien Sie mit Äußerungen zum Thema „Nationalsozialismus“, „Drittes Reich“ und „Zweiter Weltkrieg“ äußerst vorsichtig und noch viel vorsichtiger als bisher. Verletzen Sie insbesondere die Würde der Opfer nicht.
- Lassen Sie insbesondere Schriften, Bücher und Tonträger zu diesen Themen vor ihrer Veröffentlichung in einem in dieser Frage kenntnisreichen Rechtsanwalt überprüfen.
- Wenn Sie dennoch ein Strafverfahren wegen derartiger Äußerungen erleiden, fordern Sie den Gesetzestext und den Beschluß des BVerfG zum 16.04.2005, Az. 1 BvR 8808/05, gegen Kopier- und Portokostenersatz an.
- Reichen Sie diese Unterlagen bei Gericht ein und gehen Sie bis zur letzten Instanz.
- Senden Sie uns Entscheidungen zu den beiden neuen Gesetzen zu. Unser Archiv ist immer nur so gut und so aktuell, wie es von den Betroffenen diesbezügliche Nachrichten erhält.
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