Im Schatten der Corona-Pandemie plant das Bundesinnenministerium derzeit einen massiven Ausbau des Überwachungsstaates. Geht es nach Innenminister Horst Seehofer (CSU), soll das Telekommunikationsgesetz massiv verschärft werden. E-Mail-Anbieter und Messenger (z.B. Telegramm, Signal, Threema) sollen gezwungen werden, Bestandsdaten herauszugeben. Die derzeit ausgesetzte Vorratsdatenspeicherung soll wieder in Kraft gesetzt werden. Für E-Mail-Anbieter und Messenger soll es zudem eine Auskunftspflicht geben. Noch gibt es Widerstände gegen die erschreckenden Pläne.
1984 lässt Grüßen
Es sind Vorschläge, die an China erinnern, die derzeit im „freiesten Staat, den es je auf deutschem Boden gab“ diskutiert werden. Werden sie Realität, brechen noch finstere Zeiten für freiheitsliebende Bürger an. Bundesinnenminister Horst Seehofer hat so weitreichende Gesetzesänderungen vorgelegt, dass manche harten Einschnitte fast schon gemäßigt anmuten. So sollen Nutzer aller „nummernunabhängigen interpersonellen TK-Dienste“ (WhatsApp, Zoom, Skype, Signal, Threema, Telegram, iMessage) gezwungen werden, von ihren Kunden die Personalien aufzunehmen. Hierbei kommt auch eine Änderung zum Tragen, die den „Marktort“ eines Anbieters und nicht den Firmensitz eines Anbieters zur Grundlage für die Gerichtsbarkeit macht.
von Der III. Weg
Bislang waren Threema (in der Schweiz ansässig) und Telegram (in Dubai ansässig) beispielsweise nicht der EU-Gerichtsbarkeit unterlegen. Auch dies soll sich ändern. Somit soll auch für diese Anbieter gelten, was in dem Gesetzestext steht: „TK-Dienste sollen verpflichtet werden, Identifizierungsmerkmale zu erheben, zu verifizieren und im Einzelfall den Sicherheitsbehörden zur Verfügung zu stellen.“ Auch E-Mail-Anbieter wie Posteo sollen verpflichtet werden, gespeicherte Nutzerdaten auf Verlangen der Sicherheitsbehörden herauszugeben. Der Staat will sich so ein Recht verschaffen, überall schnüffeln zu können. Spielen Anbieter nicht mit, droht ihnen der Ausschluss vom deutschen Markt. Hier könnten Maßnahmen bis hin zu einer Websperre greifen.
Auch die derzeit ausgesetzte Vorratsdatenspeicherung soll wieder in Kraft gesetzt werden. Dabei speichert der Staat auf Vorrat Verbindungsdaten von Telefonanrufen und SMS-Nachrichten. Der Bundesbürger steht unter Generalverdacht.
Gesetz noch umstritten
Die Gesetzesnovelle ist noch äußerst umstritten. Erwartungsgemäß hat der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Ulrich Kelber, den Plan abgelehnt. Ein Sprecher wurde gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) wie folgt zitiert: „Der Bundesdatenschutzbeauftragte steht der Forderung zur ‚Erhebung von Identifizierungsmerkmalen’ von Dienstleistern, die beispielsweise Mailkonten oder Messengerdienste anbieten, kritisch gegenüber”. Weiter heißt es: „Es sollte daher die jetzige Regelung im Gesetzentwurf beibehalten werden, die zwar eine Speicherpflicht für erhobene Daten, aber keine zusätzliche Erhebungspflicht vorsieht.”
Auch beim Koalitionspartner der CDU, der SPD, gibt es noch Widerstände. So sagte der Abgeordnete und Innenexperte Sebastian Hartmann: „Die Bedenken des Datenschutzbeauftragten sind erheblich und ernst zu nehmen”. Und: „Es stellt sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit sowie die Frage, warum man über die bestehende Rechtslage überhaupt hinausgehen sollte.” Selbst in der Unionsfraktion soll es darüber hinaus noch kritische Stimme geben.
Fraglich bleibt jedoch, ob sich die eher am Datenschutz orientierten Politiker durchsetzen werden. In der Vergangenheit hat sich insbesondere nach vermeintlich schweren „Bedrohungen für die öffentliche Sicherheit“ stets eine Linie durchgesetzt, die massiv in bürgerliche Freiheitsrechte eingreift. Kritische Stimmen aus den Reihen der etablierten Politik sind dann meistens schnell verstummt. Doch auch in ruhigen Zeiten hat sich die Regierung nur selten von ihrem Kurs abbringen lassen. Ernstlich scheitern könnte das Vorhaben jedoch an der schwindenden Zeit: Am 25. Juni tagt der aktuelle Bundestag voraussichtlich zum letzten Mal.
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