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83. Prozesstag gegen das Aktionsbüro Mittelrhein

Im Folgenden berichten wir über die Verhand­lungs­tage im AB-Mittel­rhein-­Prozess. Gegen 26 Angeklagte wird wegen Mitglied­schaft bzw. Unter­stützung einer kriminellen Vereinigung (Aktionsbüro Mittelrhein) ein politischer Prozess, der seines Gleichen in der BRD sucht, vor dem Koblenzer Landgericht geführt. Noch immer befinden sich 7 Angeklagte seit mehr als einem Jahr in Unter­suchungshaft.

von ABM Prozess

10. September 2013 – 83. Prozesstag

Beginn verspätet gegen 10:35 Uhr

Wieder begann der Tag mit doppelten Sicherheitskontrollen, erst an der Eingangstüre, dann an der Schleuse zum Gerichtssaal. Nachdem bereits der 83. Prozesstag stattfindet und bisher kein „Attentat“ auf wen auch immer erfolgt ist, erscheinen solche Vorkehrungen äußerst unangebracht. Der Vorteil besteht jedoch darin, daß man mit unbeteiligten Personen, die ebenfalls in der Warteschleife stehen, ins Gespräch kommt. Nicht wenige Personen waren der Meinung, es müsse sich um eine Mordsache oder jedenfalls um ein scheußliches Verbrechen handeln, welches am LG Koblenz verhandelt wird. Kopfschütteln und Unverständnis waren die häufigsten Reaktionen nach dem die Personen einen kurzen Einblick sowohl in die Anschuldigungen aus der Anklage, den Ablauf des Verfahrens, als auch über die Höhe der schon entstandenen Kosten erhielten.

Nach Eröffnung des Verhandlungstages konnte man erfahren, daß einer der Angeklagten nach wie vor keinen ebook reader zur Verfügung gestellt bekommen hat, um die umfangreichen Akten lesen zu können. Offensichtlich ist ein „faires Verfahren“ immer noch in weiter Ferne.

Auch in Bezug der „Hungerschikane“ der Inhaftierten in der JVA Koblenz hatte sich nichts verändert. Immerhin, so der leitende Richter, arbeite er zur Zeit an einer Stellungnahme, die dann „zeitnah“ entschieden werde.

Fortsetzung der Befragung der Zeugin D.-Marie L.

Zunächst wurde ein Gruppenfoto aus einem Polizeikessel in Dresden 2011 gezeigt. Die abgebildeten Personen waren von 1-18 durchnummeriert. Die Zeugin kann sich nicht erinnern, diese Aufnahme schon einmal gesehen zu haben, ermutete eventuell 2 Personen auf diesem Foto zu erkennen. Es folgten weitere, qualitativ sehr schlechte schwarzweiß Fotos mit Aufnahmen aus Dresden 2011. Man konnte jedoch hinter den Fenstern der „Praxis“ vermummte Gestalten mit Gegenständen in den Händen erkennen. Auf einem Bild sah man im Hinterhof der Praxis eine Person, die einen Motorradhelm trug und eine Stange in der Hand hielt.

Nächstes Thema war eine Aktion der sogenannten „Unsterblichen“ in Düsseldorf, an der sie auch selbst teilgenommen habe. Sie schilderte Einzelheiten der Anreise, benannte Teilnehmer sowie führende Personen und den Ablauf der Aktion. Sie wurde gefragt: „Können Sie den Begriff „Unsterbliche“ näher erläutern?“
Ihre Antwort : „Nicht so richtig.“

Pause: 11:15 – 11:40 Uhr

Es folgte die Befragung der Zeugin zu den einzelnen der 26 Angeklagten. 12 Personen waren ihr gänzlich unbekannt, 2 Namen von Personen kamen ihr „dunkel bekannt“ vor, 6 Personen seien ihr flüchtig bekannt, sie habe aber keinen näheren Bezug zu diesen Personen, 6 Personen seien ihr bekannt. Eine dieser Personen bezeichnete sie als „Schoßhündchen“ eines anderen Angeklagten. Zu einem anderen Angeklagten ( Kronzeuge David H.) gab sie an, er habe ihr damals sehr nahe gestanden, er sei dem Drogenkonsum sehr zugetan gewesen und er habe auch damals in der WS 17 Drogen konsumiert. Dies habe den anderen Bewohnern des Wohnprojektes aber nicht gefallen. Einmal sei sie mit ihm auf einem Konzert in Köln gewesen. Sie seien betrunken gewesen, es gab Streit, irgendetwas sei mit einem Messer gewesen, welches der David H. damals mit sich führte. Danach habe er den Spitznamen „Klingen-Dave“ geführt.

Nachdem sie ein paar Worte zu ihrem damaligen Lebensgefährten S. Sk. gesprochen hatte, bat ihr Zeugenbeistand um eine kleine Pause, da es die Zeugin persönlich doch sehr berühre über diesen Angeklagten auszusagen. Der Zeugenbeistand bat darum, die Zeugin nach der Mittagspause zusammenhängend zu vernehmen. Deshalb folgte jetzt die Mittagspause. Man ist seitens des Gerichtes ja stets bemüht, auf Anregungen einzugehen.

Mittagspause: 12:25 – 14:15 Uhr

Die Zeugin schilderte nun einen Vorfall, der sich angeblich zum Ende dieser Beziehung abgespielt habe. Sie habe mit dem Angeklagten immer öfter Stress, u.a. wegen einem anderen Mannes, gehabt. Der Angeklagte habe im Verlauf eines Streites eine „Knarre “ aus einem alten Radio geholt und ihr diese an die Schläfe gehalten.
Frage des Richters: „Können Sie die „Knarre“ beschreiben?“
Ihre Antwort: „Sie war schwarz“.
Frage: „War es eine scharfe Waffe“?
Antwort: „Weiß ich nicht, eine Gaspistole würde man doch nicht verstecken.“ „Er hat die Pistole auf mich gerichtet und dann ist es eskaliert und dann bin ich irgendwann gegangen.“

Obwohl es laut Zeugin eine bedrohliche Situation gewesen sei, fällt ihr näheres dazu nicht mehr ein. Nachdem sie ungehindert gegangen war, habe sie nach Hause fahren wollen. Der Angeklagte sei dann an der Bushaltestelle erschienen, die Situation habe sich irgendwie beruhigt und sie sei wieder mit ihm zurück in seine Wohnung gegangen.

An diesem Punkt kamen nun seltsame Geschehnisse während der polizeilichen Vernehmung zu diesem Sachverhalt ins Spiel.
Der leitende Richter: „Das liest sich hier in der polizeilichen Vernehmung ein bißchen anders, aber entscheidend ist, was Sie jetzt sagen.“

Die Zeugin erzählte von ihrer damaligen polizeilichen Vernehmung. Sie habe nachmittags um eine Unterbrechung gebeten, um mit einer Polizistin alleine reden zu können. Dies sei auch so geschehen. Später seien die anderen vernehmenden Beamten wieder dazu gekommen. Fatalerweise ist dieses Gespräch mit der weiblichen Person und auch die weibliche Person selbst im Vernehmungsprotokoll nicht aufgeführt. Wieder eine dieser dubiosen Gegebenheiten in diesem Prozess, wahrscheinlich wie alles andere: Nur ein Versehen.

Sie gab weiter an, auch nach der Trennung noch Kontakt mit S. Sk. gehabt zu haben. Sie habe täglich im Netz mit ihm geschrieben. Der Vorfall mit der Pistole sei zwischen ihnen kein Thema mehr gewesen. Nach seiner Verhaftung habe sie eine gemeinsame Bekannte auf das „Radioversteck“ angesprochen und habe sinngemäß gesagt, in der Wohnung sei noch etwas, was beseitigt werden müsse. Diese Bekannte habe den Eindruck gemacht, darüber Bescheid zu wissen.

OSTA Schmengler begann mit seiner Befragung der Zeugin. Die Art und Weise, wie er seine Fragen formulierte, kann man an nachfolgenden Beispielfragen erkennen.

Frage: „Wer hatte Bock auf Krawall?“ Die Zeugin nannte 3 Namen.
OSTA Schmengler las ihr noch ein paar Namen aus ihrer Vernehmung vor. Die Zeugin erinnerte sich auf wundersame Weise und meinte: „Deckt sich.“
Frage: „Was bedeutet Antisemitismus?“
Antwort: „Judenfeindlichkeit“
Frage: „War Holocaust ein Thema?“
Antwort: „Es wurde gesagt, wie toll doch so was wäre.“
Frage: “ Anti-Antifa Arbeit, was war der Grund?“
Antwort: “ Ausspähen von Adressen war das Hauptziel, um den politischen Gegner einzuschüchtern.“

Von Seiten verschiedener Verteidiger wurde diese Art der Fragestellung beanstandet. Es sei nicht zu erkennen auf welche Gruppen die Fragen bezogen seien, viel weniger noch sei erkennbar, welche der Angeklagten damit in Verbindung gebracht werden soll.

Nächster Versuch.

Frage: „Wie wurde recherchiert?“
Wieder gab es eine Beanstandung der Frage. Niemand konnte oder sollte erkennen, wer, wo, was recherchiert haben soll. Jetzt endlich wurde eine Frage so formuliert, daß ein Bezug zum Prozess AB Mittelrhein erkennbar war.
Frage: Beispiel von Anti- Antifa Arbeit des AB.?
Antwort: „In Sinzig sollte ein Antifa Mitglied wohnen. Sie sei mit 2 der Angeklagten zu dieser Adresse gefahren und haben dort geklingelt. Es sei niemand zuhause gewesen, deshalb seien sie wieder gefahren.“

Na, das war ja dann ein tolles Beispiel dieser in der Anklageschrift so hervorgehobenen strafbaren Handlung. In Zukunft werde ich wohl aufpassen müssen, an welcher Haustüre ich klingeln werde.

Man erfuhr dann noch, dass in Wuppertal gesammelte Daten an eine bestimmte Person weitergegeben wurden. Wie und ob so etwas überhaupt beim AB Mittelrhein gehandhabt wurde, sei ihr nicht bekannt.

In der ersten Reihe der Angeklagten gab es wohl leichte Unruhe aufgrund dieser seltsamen Fragestellung des OSTA Schmengler. die insgesamt wenig bis keinen Bezug zu diesem Verfahren hatten. Der Richter meinte daraufhin ein Ordnungsgeld androhen zu müssen. Es folgten seine Lieblingsworte: „Das ist ungehörig.“

Ein Verteidiger klärte ihn daraufhin auf, daß die Androhung von Ordnungsgeld nicht ihm, als beisitzenden Richter zustehen würde, sondern nur dem leitenden Richter. Herr Richter stellte sofort klar, er sei stellvertretender leitender Richter. Jetzt griff der Tumult natürlich auf den ganzen Saal über. Der leitende Richter unterbrach für eine kurze Pause.

Nach der Pause verkündete der leitende Richter: „Solche Ausuferungen werden wir in Zukunft nicht mehr dulden, auch keine Zwischenrufe mehr.“ Ob das auch für den OSTA Schmengler gelten sollte, ließ er offen.

Im Anschluss stellte OSTA Schmengler dann noch einige Fragen, die tatsächlich einen Bezug zum „AB Mittelrhein“ hatten. Er wiederholte seine (Lieblings-) Frage bezüglich der Anti-Antifa Arbeit des „AB Mittelrhein“, auf die die Zeugin immer noch keine Antwort wusste. Sie stellte aber dann einige Mutmaßungen zu diesem Thema an. Ihren ehemaligen Lebensgefährten S. Sk. sah sie ganz oben in der Führungsetage des „ABM“, da er als Autoritätsperson angesehen worden sei. Er soll auch politische Fragen betreffend des Rheinlands beantwortet haben. Außerdem habe er Flyer für die Rheinwiesenlager-Demo entworfen und dort auch aktiv mitgewirkt. Aha…. Wo hier die strafrechtliche Relevanz gesehen wurde, blieb natürlich im Dunkeln.

Die nun anstehende Befragung durch die Verteidiger wurde wegen der fortgeschrittenen Uhrzeit auf den nächsten Verhandlungstag verschoben.

Ende des 83. Verhandlungstages gegen 16:10 Uhr.

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