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Das erste Jahr NSU-Prozess ist durch – Shit happens

Am 2.09.2013 erhob sich der Bundestag in seiner Sondersitzung und sprach Recht in der Sache NSU. Bundestagspräsident Lammert entschuldigt sich für eine Mordserie und ihre Täter, die noch gar keine rechtsstaatliche Beweisprüfung vor einem unabhängigem Gericht erfahren hatte.
Das ist in der Verfassung nicht unbedingt vorgesehen, genauer gesagt, es ist ein klarer Verfassungsverstoß, aber das sind jetzt Details, die ohnehin keinen interessieren. Verfassungsverstöße sind das täglich Brot der Regierenden, alle Nasen lang müssen sie Entscheidungen korrigieren, weil nicht verfassungskonform.

Wir können also festhalten, die Verfassung ist einfach zu kompliziert für die Regierenden und ihr Beamtenheer.
Aber dem Rechtsstaat soll im Fall NSU im Nachgang genüge getan werden.

Am OLG in München wurde Richter G. eine Bühne eingerichtet, um zu beweisen, was bereits beschlossen wurde.
Zumindest hat man nach 71 Tagen Verhandlung den entsprechenden Eindruck.

Die Strategie der Verhandlungsführung besteht bisher darin, alles Nebensächliche zuerst zu behandeln. Erst wenn der Blick frei von Kleinkram ist, will man sich wohl den Schwerpunkten widmen.
Nennen wir die Strategie mal den längsten möglichen Weg zur Wahrheit.
Das man dabei oft nicht ankommt, sei erwähnt. Mordprozess Schmücker (V-Mann der Geheimdienste) dauerte 15 Jahre und endete ergebnislos.
Vielleicht will Richter G. den Rekord knacken?

Wir wissen es nicht, wir wissen aber was wichtig ist. Und dazu gibt es folgende Wasserstandsmeldung nach 71 Verhandlungstagen.

Zum einen lautet die Anklage auf Beihilfe/Mittäterschaft zum Mord.
Damit das greift, bedarf es zunächst grundsätzlich einer entsprechenden Haupttat mit entsprechendem Täter. Der Jurist nennt das den objektiven Tatbestand. Wir haben zwei Tatverdächtige, bedauerlicher Weise sind die ohne Gerichtsurteil zu Täter ernannt, weil schon tot. Trotzdem muss ihre Tat nachgewiesen werden, um dem Angeklagten den konkreten Bezug zu beweisen.
Nichts leichter als das, wir haben die Tatwaffe.
Ja, haben wir?
Die Beweisprüfung, dass mit der gefundenen Waffe neun Menschen getötet wurden, gehört an den Anfang der Verhandlung. Nicht bei Richter G. Er zäumt das Pferd ohne Not von hinten auf. Er will den Weg der Waffe zuerst klären. Die gefundene Waffe wird dafür als Tatwaffe als gesetzt gewertet. Beweisprüfung später. Ist sie dann doch nicht so sicher die Tatwaffe, also nur so ungefähr (denn darauf scheint es hinauszulaufen), was soll es, war der erste Schritt eben fürs Hausschwein, ab in den Müll.
Nur, auch das Manöver misslang. Der Wanderweg der Waffe und welche Waffe es überhaupt war, blieb im Dunkel der Erinnerungskatakomben der Befragten.
Logisch, denn eine Waffe kann niemals durch Zeugen visuell konkret bestimmt werden. Die Waffe kann immer nur ähnlich oder gleichen Typs sein, aber nie mit Sicherheit konkret. Der Höhepunkt dieser Beweiswürdigung auf Basis von Erinnerungsakrobatik war, dass eine Waffe in einem Gebäude zu einem Zeitpunkt angeblich übergeben wurde, wo das Gebäude noch gar nicht existierte. Es wurde deutlich später errichtet und eröffnet. Ein klarer Fall von Erinnerung an die Zukunft.
So enttäuscht, wurde die eigentliche Frage, ist die Fundwaffe überhaupt die Tatwaffe, vom Gericht im weiteren gar nicht erst aufgegriffen, der Gaul wurde weder von hinten noch von vorne aufgezäumt, dieser Gaul kam gleich in die Box. Bis auf weiteres Reitverbot.

Macht nichts, wir haben ja noch den Basisbeweis der Mordserie, die immer gleiche Waffe bei allen Morden.
Und was wissen wir da nach 71 Verhandlungstagen?
Richtig, auch nichts.
Es gab einen Alibiversuch des Gerichts und dann nie wieder.
Der bestellte Gutachter wurde zunächst nur zu fünf von neun Mordfällen einer Serie(!) eingeladen. Offensichtlich ist das Gericht Anhänger der Interpolation, in unserem Fall fünf reicht für unendlich. Spielt aber keine Rolle, denn im Verlauf der Zeugenbefragung verstanden alle Beteiligen nur Bahnhof und Richter G. als Chef im Stellwerk brachte auch keinen einzigen Zug aufs richtige Gleis. Er gab auf.
Der Zeuge und damit ein weiterer Basisbeweis, wurde auf unbestimmte Zeit zur Wiedervorlage verabschiedet.

Damit fehlt der Beihilfe nach 71 Tagen Verhandlung nach wie vor der notwendige Grund, der Tatbezug (objektiver Tatbestand).
Die Beweiswürdigung zum subjektiven Tatbestand, Förderungshandlung des Beschuldigten fehlt ebenfalls. Laut Anklage ist die Förderungshandlung im gelieferten Schalldämpfer begründet.
Die Kausalität Schalldämpfer gleich Tötungsabsicht gibt es aber nicht!
Sie ist überhaupt kein justiziables Argument, da Waffe und Schalldämpfer in der Schweiz frei verkäuflich waren. Im Vordergrund des Schalldämpfeinsatzes steht die geräuscharme Übung im sportlichen Schussgebrauch der Waffe. Das gilt dann selbstverständlich auch für die zu würdigende Motivannahme eines Beschaffers hinsichtlich Anwendung durch den Auftraggeber.
Bei Schießübungen keinen Lärm machen, für Untergetauchte schon mal trivial plausibel.
Das Beschaffen der Waffe selber ist als Delikt längst verjährt.
Richter G. hat daher den subjektiven Tatbestand vorsichtshalber bisher nicht zum Thema einer Beweiswürdigung gemacht. Verfahrenstechnisch ein No-Go, aber offensichtlich sucht er über das Verfahren nach Argumenten. Die Argumentation der Anklage glaubt er anscheinend selber nicht. Dumm nur, mit dem bisherigen Stand läuft die Zeit für die U-Haft weg. Soviel Rechtsstaat haben wir noch, dass die in absehbarer Zeit mangels Masse kassiert wird. Die Verteidigung könnte längst zuschlagen, wenn sie denn wollte.

Und was wissen wir sonst so über die Beweislast, dass die behaupteten Täter auch in Frage kommen, als Basis einer objektiven Tatsache für eine Unterstützungshandlung laut Anklage?

Spuren der Tatverdächtigen an den Tatorten, wie Fingerabdrücke oder DNA, sowie an den Waffen der Munition oder wenigsten Alibiprüfung oder ähnlich Triviales? Nichts. Das Gericht war nicht in der Lage auch nur ansatzweise eine Beweiswürdigung für den notwendigen objektiven Tatbestand zu liefern. Das ist schon grenzwertig.

Das Gericht hat dafür andere Kaliber ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt. Wir wissen jetzt beispielsweise, dass ein verdächtigter Täter auf eine Zigeunerin beim verlassen der Bäckerei ein Stück Torte abgefeuert hat. Nach langer Diskussion zwischen Kopf- oder Brusttreffer wurde die Brust ermittelt. Gut und wofür?
Tortenschmeißer gleich Serienkiller?
Nun, wenn es diese Kausalität gibt, sollten sich die Angehörigen der Leinwandhelden Dick und Doof warm anziehen. Da könnte postum noch einiges kommen, den Tortenschmeißen war bei den zwei an der Tagesordnung. „ Als Lachen Trumpf war“ könnte entsprechende Indizien liefern.
Apropos als Lachen Trumpf war …

Dem Gericht scheint auch zu entgehen, dass Untersuchungsausschüsse, besondere der Thüringer, Informationen produziert haben und produzieren, die immer mehr Fragezeichen bezüglich der Grundlagen der Anklage aufwerfen. Auch da kommt keine Erleuchtung aus München.
So steht beispielsweise die ganze Geschichte Bombenbauergarage, Ausgangspunkt des abtauchen der mutmaßlichen Täter, in einem immer schrägeren Licht. Offensichtlich ist das TNT durch einen V-Mann beschafft worden, wenn es denn überhaupt TNT war. Auf die Frage an einen Zeugen im TUA, warum die Spürhunde zwar Schwarzpulver, aber kein TNT (immerhin 1,4 kg) in der Garage erschnüffelt haben, was später trotzdem gefunden wurde, kam nach kurzem überlegen die Antwort, na dann hatten die Hunde vielleicht einen schlechten Tag.
Tierfreunde können aufatmen, eine böse Wuffiverleumdung. Inzwischen gibt es Hinweise, dass das TNT gar keins war. Da kann der Wuffi auch nicht bellen. Es war ein Pseudogemisch, damit nichts passiert. Wie gesagt, als Beschaffer haben wir einen V-Mann, Sauerlandbomber Fake lässt grüßen. Ein V-Mann von ca. 40 die im THS, der Quelle des angeblichen NSU, von diversen deutschen Geheimdiensten platziert wurden. Inklusive Chef des THS. Bei ca. 140 Mitgliedern des THS sind 40 geheimdienstgesteuerte selbstverständlich ein Hauch von Nichts, was dann auch den Bundesanwalt Diemer zur Aussage veranlasste, es gibt keine Hinweise auf Verstrickungen staatlicher Stellen mit dem NSU. Die These wird gestützt durch über 300(bekannte), vernichtete Akten zum NSU, vornehmlich Akten zu V-Leuten mit T, das sind die in Thüringen. Das ging gleich nach dem Tod der zwei Mordverdächtigen los und lief parallel zur Arbeit des UA des Bundestags. Dank dieser Archivoffensive brauchte der PUA weniger lesen und war schneller fertig. Das Glück wollte es, dass gleich mehrere Geheimdienste völlig unabhängig voneinander, zufällig aber gleichzeitig bemerkten, dass sie keinen Platz mehr im Archiv haben. Besonders groß war der Notstand in Köln, da wurde sogar zum Fasching geschreddert.

Doch wir wollen uns nicht verlieren, wir haben ja auch noch den Vorwurf der Brandstiftung.
Die Angeklagte soll Beweismittel vernichtet haben wollen.
Was wissen wir da jetzt mehr?
Richtig, auch nichts.
Würde die Angeklagte verlauten lassen, sie hatte seinerzeit einen Anruf bekommen, schleunigst die Wohnung zu verlassen, sonst ist ihre nächste Geburtstagsfeier mit einem großen Rums gestrichen, so dass sie in Panik ihre Katzen geschnappt hat und abgehauen ist, wer wollte nach 71 Tagen OLG Beweiswürdigung, das entkräften können?

Die Verhandlungsführung versteift sich in der Annahme, das die Angeklagte am Brandtag ständig zwischen Beweisvernichtung und Beweislieferung, schizophren hin und her schwankte. Sie rannte mit Kanistern durch die Wohnung, unterbrochen von der Absicht, nun doch alles in die Welt zu schreien und dafür Umschläge mit Videos anzufertigen (das aber in Vollmontur a la Taucherglocke da keine DNA oder Fingerabdrücke auf den Postsendungen waren), raus aus den Klamotten, zurück zu den Kanistern, dann wieder Umschläge, immer im Zweifel fürs Richtige, um dann letztendlich beides zu tun.
Beweise vernichten und gleichzeitig Beweise liefern. Na da!
Das sie nach der Benzinpanscherei wie ein Wiedehopf beim verlassen der Wohnung stinken musste, es aber kein Zeuge roch, kein Zeuge Briefumschläge sah, der Sachverständige zum Brand keine Antwort hat, wie das ganze überhaupt gezündet wurde, die Angeklagte also auch noch überlegener Zündungsexperte ist, neben Berechnungsexperte, wie Benzin zu verteilen ist und wie viel, damit die Bude in die Luft fliegt, dass alles hat die Vorzugswürdigung des Gerichtes. Abgeleitet aus einer Benzinsocke.
Das nennen wir mal wasserdichte schlüssige Beweiswürdigung.
Eine alternative zu diesem Kino, Beweise zu vernichten, wäre die Kernkompetenz von Frauen gewesen: Koffer packen. Für Waffen, Geld und Festplatte braucht auch eine Blondine nur zehn Minuten. Schminken, Taxi rufen und fertig.
Ok, ist zu abwegig als Plausibilitätserwägung. Der zwanghafte Hang zu komplizierten technischen Lösungen ist Frauen eigen.
Bisher ein ernüchterndes Ergebnis der OLG Show. Im Sinne der Anklage wurde nichts erhellt.

Und die Verteidigung?
Deren Strategie ist noch nebulöser als die Verhandlungsführung durch Richter G.
Die Verteidiger hätten genügend einfache Punkte gehabt, wirkungsvoll einzuhaken, um der ausweichenden Verhandlungsführung des Gerichtes und den offensichtlichen Widersprüchen der Zeugen, zielführend zu begegnen.
Sie können oder sie wollen nicht.
Shit happens.

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