Ursula Haverbeck wurde am 12. November 2015 vom Amtsgericht Hamburg aufgrund des Vorwurfes der sogenannten “Volksverhetzung” zu zehn Monaten Gefängnis ohne Bewährung verurteilt. Gegen dieses Urteil hat Ursula natürlich Berufung eingelegt. Fast neun Jahre später beschäftigt der Fall nun das Landgericht Hamburg.
Im regnerischen Hamburg begann der zweite Prozesstermin des Falles Ursula Haverbeck. Im Gegensatz zum letzten Mal war es im Bereich des Eingangs recht ruhig, und zwar vor allem aufgrund der Abwesenheit der Presse an diesem Tag. Zwar wurde der Prozess um eine Stunde verlegt, auf 14 Uhr, aber Verlegungen sind keine Garantien, dass der Prozess um die Verlegungszeit beginnt.
13:29 Uhr: Ankunft von Richterin und Staatsanwältin samt ihren Akten und Ordnern.
13:41 Uhr: Ankunft von Rechtsanwalt Nahrath und seiner Mandantin Ursula Haverbeck, diese sitzt im Rollstuhl. Aufgrund ihrer Verletzung und des hohen Alters wird sich dieser Zustand nicht mehr verbessern. Aufmunternd klatscht das Publikum bei Ihrer Ankunft, gibt dem Willen Ausdruck, Frau Haverbeck auch angesichts ihres gesundheitlichen Zustands zu unterstützen.
13:45 Uhr: Das Gericht tagt, die Verhandlung beginnt.
13:48 Uhr: Nahrath übergibt der Richterin einen Brief, und es wird über die Beweisanträge verhandelt. Protokolle werden verlesen, und die Richterin verweist erneut auf die Selbstleseverfügung.
Nahrath widerspricht dieser Verfügung in allen Punkten.
Ursula ist bezüglich der Selbstleseverfügung verwirrt. Sie habe zwar den Ordner bekommen, wirft aber ein, dieser sei leer gewesen. Es fallen Sätze wie “Der Ordner war nicht zu Hause” oder “Er war leer”. Sie, Frau Haverbeck, habe daher den Inhalt nicht lesen können. Entweder stimmt die Aussage von Haverbeck, oder dies könnte ein Zeichen von Demenz sein. Auch sind derartige Reisen für Frau Haverbeck ermüdend, bringt sie vor.
13:53 Uhr: Rechtsanwalt Nahrath meldet sich diesbezüglich zu Wort. Er bittet die Staatsanwältin und die Richterin zu einem Rechtsgespräch, da die Fähigkeit von Wahrnehmung bei Frau Haverbeck in diesem Moment erkennbar nicht gegeben sei. Es entwickelt sich ein Streitgespräch mit der Richterin, Unruhe im Saal. Das Justizpersonal verlangt Ruhe – es drohe sonst jedem ein Rausschmiss, welcher gegen die Ruheordnung verstößt. Dies wird noch mal von der vorsitzenden Richterin bekräftigt, und eine Warnung wird ausgesprochen. Und bis zum Verhandlungsschluss an diesem Tag wurde das Gericht dann auch nicht weiter mit Zwischenrufen bedacht.
13:57 Uhr: Fortführung der Verhandlung. Weiteres Vorlesen der Vollstreckungsurkunden, betreffend Frau Haverbeck und ihrer Haftzeit.
14:01 Uhr: Nahrath widerspricht: Weil das Bundesgeneralregister die Akten von Frau Haverbeck gelöscht hatte, sind die Selbstleseverfügungen nichtig. Ein Beweisantrag wurde für das Protokoll deshalb gestellt.
14:02 Uhr: Staatsanwalt entgegnet, diese Einträge seien gültig. Ab dem 90. Lebensjahr werden alle Registereinträge in Bezug auf die Person gelöscht.
14:03 Uhr: Frau Haverbeck fragt, warum sie wieder angeklagt wird, obwohl man laut Grundgesetz nicht wiederholt wegen derselben Straftat verurteilt werden darf. Weitere Äußerungen von Frau Haverbeck schließen sich an.
14:06 Uhr: Nächster Beweisantrag von Rechtsanwalt Nahrath. Es geht um den Kopfhörer, der am 7. Juni verwendet worden ist. Laut Haverbeck hatte sie nicht alles richtig gehört. Diesbezüglich hatte Frau Haverbeck einen Brief an die Richterin geschrieben, welcher diesen Umstand beschreibt.
Nahrath stellt einen weiteren Beweisantrag. Zeugenvernehmung von Herrn Feldmann, da dieser an der Beweiserstellung beteiligt war. Weitere Ausführungen und Diskussionen.
14:11 Uhr: Stellungnahme der Staatsanwältin. Sie erklärt, dass Frau Haverbeck sehr wohl gut gehört hat. Feldmann als Zeuge sei irrelevant.
14:12 Uhr: Nahrath widerspricht, da Feldmann ohne Wissen der Mandantin die Sendung an den NDR [siehe erster Prozess-Tag, Panorama-Sendung] weitergeleitet hat.
14:14 Uhr: Richterin verliest Bericht der Pflegerin. Es geht dort um die Hörfähigkeit.
14:15 Uhr: Richterin zieht sich zurück, um sich zu beraten. Viertelstündige Pause.
14:30 Uhr: Richterin weist die Beweisanträge zurück. Auch der Antrag betreffend Herrn Feldmann wird zurückgewiesen.
14:35 Uhr: Frau Haverbeck erbittet Höflichkeit und auch Rücksichtnahme, da sich bei ihr auch schon mal gesundheitlich urplötzlich Veränderungen ergeben: “Ich war plötzlich blind” oder auch “Inhalt wurde nicht verstanden, auch wenn man hören kann”.
Weitere Ausführungen von Frau Haverbeck. Nach ihrer Haft wurde Ihr keine Pause gewährt. Sie beklagt, dass sie sich immer wieder mit diesem Thema beschäftigen muss, obwohl sie dies nicht mehr möchte, aufgrund Ihres hohen Alters.
14:39 Uhr: Richterin unterbricht Frau Haverbeck. Nahrath bittet die Richterin, dass Frau Haverbeck weiter sprechen darf.
14:41 Uhr: Richterin möchte sich aussprechen und bittet Nahrath nicht zu widersprechen.
14:43 Uhr: Frau Haverbeck führt Ihre Verteidigung fort. Sie bringt vor, dass das Gericht sich bei dieser Verhandlung unwohl fühle, da die Umstände besonders sind. Und sie fügt auch an: “Sie verwirren mich”,
14:45 Uhr: Persönlicher Bericht von Frau Haverbeck über ihr Leben. Ursula ist eine Ostvertriebene. Lebte zusammen mit Ihrer Schwester sowie Mutter und Vater. Hausbrand im jungen Alter in der Weimarer Republik. Sie schildert ein Erlebnis, als junges Mädchen – sie ging damals durch einen Wald und lernte das und den Wald fortan zu lieben. Nach 1945 mit Pferd und Zugwagen nach Detmold gezogen. 1949 Zimmermädchen in Schweden. Danach Studium der Philosophie und Politik. Herausgeberin von “Stimme des Gewissens.”
“Verpflichtung die Natur zu schützen vor dem Menschen” dann “Collegium Humanum”
14:56 Uhr: Richterin bemerkt, dass das Collegium Humanum aufgrund von “Rechtsextremismus” verboten worden sei.
Frau Haverbeck fährt mit Ausführungen fort.
15:00 Uhr: Richterin fragt Frau Haverbeck, wie sie mit dem Thema des Holocaust zuerst in Berührung kam?
Ursula geht auf die Frage ein. Durch das Buch “Wahrheit für Deutschland” von Udo Walendy. Dieses Buch steht auf dem Index.
Viele Bücher sind auf dem Index – in Zusammenhang auch mit dem 130er StGB-Paragrafen.
Ursula versucht überall das Pro und Kontra zu finden.
15:06 Uhr: Fragerunde
- Nahrath fragt Ursula: “Wann war Ihr erstes Erlebnis mit dem Thema?”
1979 – und zwar kam sie zum ersten Mal damit in Berührung durch einen Spielfilm.
[Sie gibt also heute dazu zwei unterschiedliche Antworten, das mag durch Erinnerungsschwierigkeiten begründet sein.] Weitere Aussagen von Ursula wie:
“Ich kann nicht mehr reisen.”
“Aber ich werde mich immer informieren.” - Nahrath zu Ursula: “Als sie das Thema öffentlich behandelt hatten, wollten Sie damit Unruhe stiften?”
Ursula geht darauf ein, indem sie verneint und der Ansicht ist, dass man sich immer eine eigene Meinung bilden sollte. - Nahrath befragt sie: “Sind Sie mit dem Evangelium verbunden?” – “Ja, aber nicht durch die Bücher.”
“Gott ist das Wort.”
Wir erfahren von ihr: Sie spricht Deutsch, Englisch, Schwedisch und beherrscht ein wenig Latein. - Nächste Frage von Nahrath: “Wenn Sie gefragt werden, wie antworten Sie auf Fragen?” – “Behutsam, aber ehrlich.” und “Ich weigere mich zu lügen”, ist ihre Antwort.
Er fügt an: “Warum haben Sie eine Meinung?” – “Ich bin nicht allwissend, mich kann man aber korrigieren”.
15:19 Uhr: Nahrath fährt mit ihrer Verteidigung fort. Thema Verbotskultur.
15:27 Uhr: Nahrath, an Haverbeck gewandt: “Würden Sie, wenn ein heutiger Wissenschaftler Ihnen alle Beweise brächte, ihm zuhören und daraus eine neue Meinung bilden?” – Haverbeck: “ja”.
15:28 Uhr: Richterin fragt, ob die Anwesenden ein Plädoyer halten wollen.
15:30 Uhr: Nahrath möchte kein Plädoyer abgeben. Er sähe seine Aufgabe darin, seiner Mandantin die bestmögliche Verteidigung zu erbringen.
15:32 Uhr: Kein Plädoyer von beiden Seiten.
15:34: Verhandlungsschluss.
Fortsetzung und letzter Verhandlungstag:
26. Juni 2024
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